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Heimat- und Geschichtsverein plant Verlegung weiterer Stolpersteine in Schlüchtern

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Von: Tim Bachmann

Stolpersteine
In Schlüchtern im Main-Kinzig-Kreis poliert eine „Putzkolonne“ am Holocaust-Gedenktag die Stolpersteine in der Stadt. (Symbolbild) © Axel Heimken/dpa

Zum heutigen Holocaust-Gedenktag wird sich eine „Putzkolonne“ um die bereits verlegten Stolpersteine in Schlüchtern (Main-Kinzig-Kreis) kümmern. Es sollen in diesem Jahr noch einige hinzukommen.

Schlüchtern - Der Heimat- und Geschichtsverein wird sich um die Verlegung der Stolpersteine kümmern. Dahinter steht das Recherche- und Organisations-Team – bestehend aus Inga Heß, Karin Stöcker, Kerstin Baier-Hildebrand und Clas Röhl. Die Stolpersteine werden in Schlüchtern (Main-Kinzig-Kreis) nun ohne den Künstler Günter Demnig, der die ersten Steine noch selbst gesetzt hat, weiter verlegt. „Wir führen dies nunmehr in Eigenregie weiter“, berichtet Clas Röhl.

Vor einem Jahr hatte unsere Zeitung über die geplante Verlegung der Stolpersteine zum Gedenken an Familie Hubert berichtet. „Die Verlegung wurde aufgrund von Corona verschoben und soll jetzt in den Sommermonaten 2022 stattfinden, wann genau steht noch nicht fest“, berichtet Clas Röhl. (Lesen Sie hier: Stolpersteine für Holocaust-Opfer: Nachfahren erzählen die ergreifenden Geschichten)

Main-Kinzig-Kreis: Verein plant Verlegung weiterer Stolpersteine

Insgesamt werden in Gedenken an Familie Hubert elf Stolpersteine verlegt. Sechs auf der Straße vor dem Eiscafé in der Obertorstraße 4, fünf in der Schmiedsgasse 13 am ehemaligen Standort der Lutherischen Schule. „Das Café ist ein toller Verlege-Ort. Erfreulich ist auch, dass der Besitzer des Cafés die Verlegung sehr befürwortet“, berichtet Röhl weiter. „Wir erwarten mehrere Nachfahren aus England und den USA bei der Verlegung“, sagt Röhl, der mit fünf bis sechs Nachkommen der Huberts rechnet. Ein Stolperstein kostet 120 Euro.

Zwei Stolpersteine, die ebenfalls in diesem Jahr verlegt werden sollen, tragen im Bergwinkel bekannte Namen: Max und Ilse Wolf. Familie Wolf hatte im Jahr 1825 die bekannten Dreiturm-Werke gegründet.

Historie

1825: Gründung der „Dreiturm“ in Schlüchtern durch Familie Wolf.

In der damals modernen Fabrik wurden Schmier- und Stückseifen, Waschpulver und Soda hergestellt.

1930: Umsiedlung nach Steinau. Erweiterung des Firmengeländes sowie des Produktprogramms um Haushaltsprodukte (zum Beispiel Bohnerwachse). Die Firma „Dreiturm“ ist nunmehr der größte Arbeitgeber der Region.

1934: Enteignung der Gründerfamilie

1945: Nahezu vollständige Zerstörung des Unternehmensstandortes

1948: Max Wolf erlangt nach dreijähriger juristischer Auseinandersetzung seine Firma wieder. Er stirbt noch im gleichen Jahr.

„Ein Enkel von Max und Ilse Wolf, er heißt auch Max Wolf, hat die Stadt Schlüchtern gebeten, für seine Großeltern Stolpersteine zu verlegen“, berichtet Röhl, warum die Stadt nun handelt. Termin und Ort stehen allerdings noch nicht fest, da sie nicht an der letzten Wohnanschrift der Familie, am Wolf’schen Haus in der Alten Bahnhofstraße, verlegt werden sollen, weil dieses doch sehr weit weg vom „Schuss“ liegt.

Enkel Max Wolf und dessen Frau wollen zur Verlegung der Steine nach Schlüchtern kommen, berichtet das Orga-Team. Wolf würde die Stolpersteine am liebsten in der Fuldaer Straße sehen, vor dem Geburtshaus seines Großvaters, das damals am jetzigen Standort der Musikschule und der „Steakschaft“ stand. Der Verlegestandort ist allerdings noch nicht abschließend festgelegt.

LuxS„Max und Ilse Wolf sind natürlich geradezu ‚legendär‘ in der Schlüchterner Geschichte“, weiß auch Clas Röhl vom Recherche- und Orga-Team. Er verweist auf Publikationen von Christine Wittrock („Saubere Geschäfte, weiße Westen und Persilscheine. Die Geschichte der Seifenfabriken in Schlüchtern und Steinau seit 1825“. CoCon, Hanau) und von Ilse Werder („Erinnerungen an Ilse Wolf - Sie war eine von uns“, CoCon, Hanau).

Main-Kinzig-Kreis: „Putzkolonne“ poliert Stolpersteine am Holocaust-Gedenktag

„Max und Ilse Wolf wurden bekanntlich enteignet und nach England vertrieben, jedoch nicht ermordet. Dennoch steht ihnen ein Stolperstein zu“, heißt es vonseiten des Heimat- und Geschichtsvereins. Weitere vier Stolpersteine sollen in diesem Jahr noch in der Wassergasse 2 verlegt werden. Sie erinnern an die Schlüchterner Familie Adler.

Viehhändler Salomon Adler wurde im Jahr 1874 in Hintersteinau geboren, seine Ehefrau Julie erblickte im Jahr 1878 in Unterfranken das Licht der Welt. Sie wurden im Jahr 1941 ins Ghetto Theresienstadt verschleppt, Salomon Adler starb dort im Jahr 1943, Julie zu einem später Zeitpunkt in Auschwitz.

Sie lebten 35 Jahre mit drei Kindern in der Wassergasse 2. Ein Kind ist früh gestorben, zwei verließen Schlüchtern nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten: Bert Adler (geboren 1904) ging in die USA, Max Adler (geboren 1905) kam im Jahr 1936 über Palästina nach Australien. Max Adlers Sohn Michael Adler lebt noch heute in Australien. Er ist bereits häufiger in Schlüchtern gewesen, bezeichnet die Stadt als reizend („lovely“) und verstehe, dass seine Großeltern hier ihre Heimat fanden.

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