20 Jahre später aber blickte selbst der „gestrengste Bürochef, Meister oder gar Zahnarzt, der vielleicht gerade einem Patienten die Injektion vor der Extraktion eines ‚faulen Zahnes‘ verabreicht hatte“, gen Himmel. Jung und Alt im ganzen Kinzigtal waren nicht zurückzuhalten – für Minuten ruhte die Arbeit.
„Schließlich sah man nach 20 Jahren zum ersten Male wieder ein Luftschiff stolze Schleifen über dem Bergwinkelland ziehen. Auf den Straßen, an den Fenstern und sogar auf den Dächern standen die Menschen, um dieses einmalige Schauspiel mitzuerleben“, schrieb unsere Zeitung damals.
War es für die älteren Bürger eine Erinnerung an die große Zeit der Zeppeline, kannten die jüngeren das „fliegende Ungetüm“ nur von Bildern und aus Erzählungen.
Gegen 11 Uhr an diesem Samstag im Jahr 1957 erreichte das Luftschiff „Plimp“ die damalige Schlüchterner Kreisgrenze bei Ahl. Im ruhigen Flug zog es weiter nach Steinau und Seidenroth, kreiste über der Brüder-Grimm-Stadt und peilte dann die Bergwinkelstadt Schlüchtern an.
In geradem Kurs steuerten die beiden Piloten ihre „fliegende Zigarre“ nach Elm weiter und verweilten hier etwa zehn Minuten über Burg Brandenstein. „Eine tiefe Verbeugung des Luftschiffes vor dem Luftschiffpionier Graf Zeppelin, und der Gräfin Brandenstein den ersten Gruß nach 20 Jahren wieder aus der Luft“, schrieb unsere Zeitung.
Drei weitgeschwungene Schleifen folgten und vielfache „Verneigungen“ schlossen sich an, ehe der „Plimp“ Abschied von Burg Brandenstein nahm und nun Schlüchtern einen Besuch abstattete.
Ferdinand Adolf Heinrich August Graf von Zeppelin (1838 – 1917) war General der Kavallerie und der Entwickler und Begründer des Starrluftschiffbaus. Die von ihm entwickelten Luftschiffe kamen von 1909 bis 1914 in der zivilen Luftfahrt zum Einsatz, dann verstärkt im Ersten Weltkrieg. Nach dem vorläufigen Aus für seine Luftschiffe gegen Ende des Ersten Weltkriegs und aufgrund des Versailler Vertrags kam es unter seinem Nachfolger Hugo Eckener zu einer zweiten Blüte großer Starrluftschiffe, die mit dem spektakulären Unglück der LZ 129 „Hindenburg“ am 6. Mai 1937 ihr Ende fand.
Zeppelins Tochter Helene heiratete 1909 Alexander von Brandenstein-Zeppelin. Deren Sohn Alexander Graf von Brandenstein-Zeppelin (der Jüngere) heiratete Ursula Freiin von Freyberg-Eisenberg-Allmendingen. Sie sind die Eltern von Albrecht und Constantin von Brandenstein-Zeppelin - dem heutigen Burgherr.
Wie ein Lauffeuer hatte sich die Kunde verbreitet: „Der Zeppelin ist da! Der Zeppelin ist da!“ Mit bunten Tüchern winkten Kinder und Frauen dem stolzen, 50 Meter langen Luftschiff zu.
Noch einmal passierte es auf dem Rückflug Steinau, um dann Bad Sodens Bürgern und Kurgästen „einen sich wieder mehrmals freundlichen Gruß verneigend zu entbieten“. Nicht anders in Salmünster, wo der Zeppelin ebenfalls längere Zeit kreiste.