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„Plimp“ kreuzte das Kinzigtal: Zeppelin-Aufnahmen aus dem Bergwinkel

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Von: Tim Bachmann

Ein Zeppelin drehte im Jahr 1911 über der „Zeppelin“-Burg in Elm seine Runden. Eine von wenigen Luftschiff-Aufnahmen in Schlüchterns Stadtarchiv.
Ein Zeppelin drehte im Jahr 1911 über der „Zeppelin“-Burg in Elm seine Runden. Eine von wenigen Luftschiff-Aufnahmen in Schlüchterns Stadtarchiv. © Stadtarchiv Schlüchtern

Als Renate Förster (84) beim Aufräumen auf einen alten Zeitungsartikel stieß, staunte sie nicht schlecht. Da war das ehemalige Haus ihrer Schwiegereltern in der Schlüchterner Grabenstraße zu sehen. Darüber kreiste ein Luftschiff.

Elm - „Ich kann mich nicht daran erinnern, wann das war. Als ich nach Schlüchtern gekommen bin, war ich 21 Jahre alt. Es muss vorher gewesen sein“, vermutet Förster. Und mit ihrer Vermutung wird sie richtig liegen, denn der Artikel wurde im Jahr 1957 verfasst. 20 Jahre nach der „Hindenburg“-Katastrophe und ein Jahr, bevor Förster als 21-Jährige nach Schlüchtern (Main-Kinzig-Kreis) kam.

„Für Minuten ruhte die Arbeit“, titelte unsere Zeitung damals, über den Tag, an dem der Zeppelin „Plimp“ durchs Kinzigtal kreuzte. Es war nicht das erste Luftschiff über Schlüchtern, aber das erste nach Jahren. Denn das Hindenburg-Unglück am 6. Mai 1937 besiegelte das vorläufige Aus der Luftschifffahrt.

Main-Kinzig-Kreis: 1957 kreuzte Zeppelin „Plimp“ das Kinzigtal

20 Jahre später aber blickte selbst der „gestrengste Bürochef, Meister oder gar Zahnarzt, der vielleicht gerade einem Patienten die Injektion vor der Extraktion eines ‚faulen Zahnes‘ verabreicht hatte“, gen Himmel. Jung und Alt im ganzen Kinzigtal waren nicht zurückzuhalten – für Minuten ruhte die Arbeit.

„Schließlich sah man nach 20 Jahren zum ersten Male wieder ein Luftschiff stolze Schleifen über dem Bergwinkelland ziehen. Auf den Straßen, an den Fenstern und sogar auf den Dächern standen die Menschen, um dieses einmalige Schauspiel mitzuerleben“, schrieb unsere Zeitung damals.

Nachdem gut 20 Jahre kein Luftschiff mehr über Schlüchtern kreiste, tauchte Zeppelin „Plimp“ am Himmel über der Grabenstraße auf. An der Stelle ist heute das Autohaus Fehl zu finden.
Nachdem gut 20 Jahre kein Luftschiff mehr über Schlüchtern kreiste, tauchte Zeppelin „Plimp“ am Himmel über der Grabenstraße auf. An der Stelle ist heute das Autohaus Fehl zu finden. © Stadtarchiv Schlüchtern

War es für die älteren Bürger eine Erinnerung an die große Zeit der Zeppeline, kannten die jüngeren das „fliegende Ungetüm“ nur von Bildern und aus Erzählungen.

Gegen 11 Uhr an diesem Samstag im Jahr 1957 erreichte das Luftschiff „Plimp“ die damalige Schlüchterner Kreisgrenze bei Ahl. Im ruhigen Flug zog es weiter nach Steinau und Seidenroth, kreiste über der Brüder-Grimm-Stadt und peilte dann die Bergwinkelstadt Schlüchtern an.

110 Jahre ist dieses Bild alt: Zu sehen ist ein Zeppelin über den drei Türmen der Stadt Schlüchtern.
110 Jahre ist dieses Bild alt: Zu sehen ist ein Zeppelin über den drei Türmen der Stadt Schlüchtern. © Stadtarchiv Schlüchtern

In geradem Kurs steuerten die beiden Piloten ihre „fliegende Zigarre“ nach Elm weiter und verweilten hier etwa zehn Minuten über Burg Brandenstein. „Eine tiefe Verbeugung des Luftschiffes vor dem Luftschiffpionier Graf Zeppelin, und der Gräfin Brandenstein den ersten Gruß nach 20 Jahren wieder aus der Luft“, schrieb unsere Zeitung.

Drei weitgeschwungene Schleifen folgten und vielfache „Verneigungen“ schlossen sich an, ehe der „Plimp“ Abschied von Burg Brandenstein nahm und nun Schlüchtern einen Besuch abstattete.

Zur Person

Ferdinand Adolf Heinrich August Graf von Zeppelin (1838 – 1917) war General der Kavallerie und der Entwickler und Begründer des Starrluftschiffbaus. Die von ihm entwickelten Luftschiffe kamen von 1909 bis 1914 in der zivilen Luftfahrt zum Einsatz, dann verstärkt im Ersten Weltkrieg. Nach dem vorläufigen Aus für seine Luftschiffe gegen Ende des Ersten Weltkriegs und aufgrund des Versailler Vertrags kam es unter seinem Nachfolger Hugo Eckener zu einer zweiten Blüte großer Starrluftschiffe, die mit dem spektakulären Unglück der LZ 129 „Hindenburg“ am 6. Mai 1937 ihr Ende fand.

Zeppelins Tochter Helene heiratete 1909 Alexander von Brandenstein-Zeppelin. Deren Sohn Alexander Graf von Brandenstein-Zeppelin (der Jüngere) heiratete Ursula Freiin von Freyberg-Eisenberg-Allmendingen. Sie sind die Eltern von Albrecht und Constantin von Brandenstein-Zeppelin - dem heutigen Burgherr.

Wie ein Lauffeuer hatte sich die Kunde verbreitet: „Der Zeppelin ist da! Der Zeppelin ist da!“ Mit bunten Tüchern winkten Kinder und Frauen dem stolzen, 50 Meter langen Luftschiff zu.

Noch einmal passierte es auf dem Rückflug Steinau, um dann Bad Sodens Bürgern und Kurgästen „einen sich wieder mehrmals freundlichen Gruß verneigend zu entbieten“. Nicht anders in Salmünster, wo der Zeppelin ebenfalls längere Zeit kreiste.

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