Kirsten Ranft, die Inhaberin des Cafés, möchte über jenen Tag nicht sprechen – zu schrecklich ist das Erlebte. Nur so viel: Sie und ihr Mann erhalten einen Anruf mit der Information, dass etwas mit ihrer Mitarbeiterin A. sei. Daraufhin macht sie sich von ihrem Wohnort Bad Orb aus auf den Weg. Sie denkt an ein gesundheitliches Problem. Als sie ankommt, wird ihr schnell klar, dass etwas furchtbares passiert sein musste. Ranft: „Ein Blick in das Gesicht des Polizisten hat genügt, um zu erahnen, dass etwas Schlimmes passiert ist.“
An eine Öffnung des Cafés ist vorerst nicht zu denken. Den ganzen Tag über sind Ermittler und die Spurensicherung vor Ort. Der Leichnam wird erst gegen 17.30 Uhr abtransportiert – zur Gerichtsmedizin in Frankfurt, wo eine Obduktion vorgenommen wird.
Ranft sagt sofort das für den Samstag geplante Konzert mit Uta Desch ab. Wie es mit ihrem im August 2018 eröffneten Literaturcafé weitergehen wird, ist zu diesem Zeitpunkt alles andere als klar. Die Geschäftsfrau hatte das 1680 als Apotheke erbaute – und bis fast zuletzt als solche genutzte – Haus 2013 erworben und renoviert.
Die Seidenrotherin habe „von Anfang an für uns gebacken und alles vorbereitet, was wir im Angebot haben“. Gemeint sind neben den Kuchen auch Suppen. Auf Letztere verzichtet Ranft seither. Ihre Mitarbeiterin charakterisiert sie so: „Wir waren grundverschieden und haben uns dadurch perfekt ergänzt. Sie mochte eher Buttercreme und die schwereren Sachen backen, während mir eher die leichten französischen Kuchen liegen. Wenn ich ihr ein Rezept zum Probebacken hingelegt habe, stand der Kuchen am nächsten Tag auf dem Tisch.“
Diese enge Zusammenarbeit ist einer der Gründe, weshalb Kirsten Ranft die Arbeit in Küche und Backstube seither alleine stemmt: „Daher habe ich niemand Neues eingestellt. Jeder andere wäre im Vergleich zu ihr hinten runtergefallen. Ich hätte vorausgesetzt, dass jemand so selbstständig arbeitet und mitdenkt, wie sie es getan hat.“
Um die Arbeit bewältigen zu können, hat sie die Öffnungszeiten reduziert. Vergessen hat Kirsten Ranft weder jenen Schicksalstag im Juli 2021 noch ihre ehemalige Mitarbeiterin: „Die Bilder gehen einfach nicht weg. Es gibt Momente, wenn ich in der Küche stehe. Dann habe ich Bilder im Kopf, wie sie vorbeiläuft. Ich sehe dann die ganze gute Laune, die sie immer verbreitet hat.“
Neun Monate nach der Tat ist jedoch auch weitgehend der Alltag wieder eingekehrt im Literaturcafé Alte Apotheke: „Es geht uns gut. Wir freuen uns über jeden Gast, der kommt, und haben viele Veranstaltungen. Die Künstler sind nach den Einschränkungen durch Corona froh über Auftrittsmöglichkeiten und fragen bei Ranft an. „Die Künstler sind sehr dran interessiert“, sagt sie.