Ans Eingemachte ging es dann aber in diesem Frühjahr. Nachdem die meisten der erforderlichen Genehmigungsverfahren abgeschlossen waren, wurde mit dem Abstau begonnen. Der Übergang vom Winterstau – in diesen Monaten ist der Stauraum wenig genutzt, um als Rückhaltebecken bei Hochwasser oder Starkregenereignissen zu wirken und die Städte am Unterlauf der Kinzig so vor Schäden zu schützen – erfolgte fließend.
Im Mai war der Wasserstand mit weniger als vier Metern an der Staumauer so gering, dass die Fische aus dem Gewässer geholt werden mussten. Peter Liebe, ein Berufsfischer aus der Nähe von Lübeck, sowie ehrenamtliche Helfer vom Angelsportverein Eisvogel Birstein-Steinau (dieser hat das Gewässer gepachtet), rückten an. Mit einem 800 Meter langen Schleppnetz sowie Reusen wurden tagelang elf Tonnen Fisch herausgeholt und vorübergehend umgesiedelt.
Inzwischen ist von einem See kaum noch etwas zu sehen: Lediglich oberhalb der Staumauer kann davon vielleicht noch die Rede sein. In weiten Teilen der sonst unter Wasser stehenden Fläche wachsen bereits Gräser. Wenn in einigen Wochen auch das restliche Wasser abgelassen ist, soll eine Baustraße aufgeschüttet werden. Die Kinzig erhält ein Gerinne aus Stahlteilen – und die eigentliche Untersuchung kann beginnen, wenn auch noch der Schlamm abgebaggert und zum Trocknen seitlich gelagert ist.
„Dann wird das Staubecken insgesamt inspiziert. Zweieinhalb Hektar Fläche werden von einer Folie bedeckt, die eventuell ausgetauscht werden muss. Die sonst unter Wasser stehenden Teile aus Asphaltbeton werden überprüft und die Dichtungen ausgewechselt“, nennt Holger Scheffler, Geschäftsführer des Wasserverbands Kinzig einige Beispiele. Die wichtigste Maßnahme stellt jedoch die Erneuerung der drei Wehrklappen im Ablassbauwerk des Dammes dar. Diese regulieren den Wasserstand.
Das ist auch deshalb wichtig, weil die Kinzigtalsperre neben dem Hochwasserschutz eine weitere Funktion zu erfüllen hat: eine Niedrigwasserregulierung. Diese soll dafür sorgen, dass im Unterlauf der Kinzig auch in Trockenzeiten stets genügend Wasser fließt.
2027 kommt eine weitere Aufgabe hinzu. Dann soll in direkter Nachbarschaft ein Wasserwerk in Betrieb gehen. Dieses bereitet das Wasser aus der Talsperre zu Trinkwasser auf. Mehrere Millionen Liter Grundwasser sollen jährlich eingespart – und dennoch die Versorgung von 200.000 Menschen im Rhein-Main-Gebiet gesichert werden.
So lange wird die Sicherheitsüberprüfung der Talsperre sicher nicht dauern. Vorgesehen ist, dass die Arbeiten im Spätherbst abgeschlossen sind. Danach wird das Wasser wieder aufgestaut. Spätestens im kommenden Jahr wird der See sich wieder wie gewohnt präsentieren. Dann kommen auch die Wanderer und Radler wieder auf ihre Kosten – und der 2021 fertiggestellte Lern- und Erlebnispfad „Ardeas Seenwelt“ wird noch mehr Interessierte anziehen.
Doch auch derzeit sind viele Menschen am Kinzigstausee unterwegs. Einige von ihnen ignorieren alle Warn- und Verbotsschilder und begeben sich auf den Seeboden. „Dort besteht Lebensgefahr“, warnt Scheffler. Der Grund: Der Boden ist weich, und er ist selbst bei oberflächlich trockenem Grund nicht tragfähig.
Beim Abfischen im Mai erst erfuhr das ein erfahrener Angler am eigenen Leib. Er konnte sich nur auf allen Vieren kriechend aus dem Schlamm befreien. Vor Jahren musste ein Angler von der Feuerwehr aus einer ähnlichen Situation gerettet werden. Das sollte Warnung genug sein.