Forstamtsleiter Jörg Winter geht in den Ruhestand - „Ein begnadetes Stückchen Erde“

Jörg Winter gibt es unumwunden zu. Im Ruhestand wird der Leiter des Forstamtes Schlüchtern von Hessen-Forst das machen, was er seit Kindesbeinen – und nicht zuletzt in seinem Berufsleben – mit Begeisterung getan hat: Im Wald unterwegs sein. Nun häufiger beim Spazierengehen mit seiner Frau oder mit dem E-Mountainbike.
Schlüchtern - Offiziell in Ruhestand geht Jörg Winter erst am 1. September, wenige Tage nach seinem 65. Geburtstag. Seine Abschiedsurkunde hat er aber schon jetzt erhalten – an seinem letzten Arbeitstag.
Eine Frage drängt sich bei einem angehenden Pensionär natürlich auf: Was fängt er mit der künftig vielen Freizeit an? Winter lacht und sagt, was er nicht sagen will: „Dass ich mich mehr um Familie und Enkel kümmern wolle, sage ich nicht. Das wäre blöd.“
Main-Kinzig-Kreis: Forstamtsleiter Jörg Winter geht in den Ruhestand
Aber was steht denn dann beim Forstamtsleiter a.D. auf dem Plan? „Im Wald werde ich weiter sein. Der bleibt wichtig, beim Spazierengehen mit meiner Frau. Und ich habe mir ein E-Mountainbike gekauft. Zudem male ich gerne Aquarelle. Das mache ich seit ich ein Junge bin.“
2015 habe er damit wieder angefangen. „Da will ich meine Technik verbessern – dafür brauche ich Zeit.“ Die Familie bringt er dann aber doch ins Spiel. In Form der Tochter und deren Lebensgefährten. Das Paar hat einen Weinberg in Mainfranken. Da will er bei der intensiven Handarbeit mit anpacken.
Auch da lassen den gebürtigen Frankfurter die Pflanzen wohl nicht so schnell los. Von der Mainmetropole ist es nicht weit in Spessart und Bergwinkel, wohin ihn der Vater schon als Kind mitgenommen hat. 1975 beginnt er seine Ausbildung in der Forstverwaltung.
Neben Butzbach ist schon damals das Forstamt in Altengronau eine seiner Arbeitsstätten. Nach dem Zivildienst studiert er in Göttingen Forstwissenschaft, gefolgt vom Referendariat in Bad Schwalbach. Dieses schließt er 1989 mit elf Kollegen ab. Winter ist einer von zwei, die übernommen werden.
Nun zieht es ihn für sechs Jahre zur Forstlichen Wirtschaftsberatung in den Vogelsberg. Sein Wohnort Grebenhain-Hochwaldhausen kommt ihm bei Auflösung der Dienststelle gelegen: Nun wird er stellvertretender Forstamtsleiter in Grebenhain, 2000 dann Chef in Homberg/Ohm.
Forstamt in Zahlen
Waldfläche - 15 402 Hektar, davon:
Staatswald 8989 ha
Kommunalwald 4837 ha
Privatwald 1500 ha
Zum Privatwald zählen der Klosterwald Schlüchtern, der Schutzforst Brandenstein und Kleinprivatwald.
Zuständigkeit regional
Schlüchtern, Steinau, Bad Soden-Salmünster, Sinntal, Wächtersbach, Birstein, Brachttal, Bad Orb (ohne Stadtwald).
Mitarbeiter
33 im Forstamt, darunter neun Revierleiter und vier Personen in der Forstamtsleitung, zwei Funktionsbeamte Naturschutz, acht Forstwirte, fünf Forstwirtschaftsmeister, fünf Verwaltungsangestellte.
Was für andere Forstleute einen Bruch in der Laufbahn oder gar einen Karriereknick bedeutet, wird für den verheirateten Vater von drei Kindern (und Opa von einem Enkelkind) zum Glücksfall: die große Reform mit dem Namen „Aktion sichere Zukunft“. Hier „muss sich jeder neu bewerben. Viele Forstämter wurden aufgelöst“.
Nicht aber das Schlüchterner Amt im Main-Kinzig-Kreis. Dieses vereint seither Flächen der ehemaligen Forstämter Biebergemünd-Gelnhausen, Salmünster, Schlüchtern und Sinntal: „Ich habe mich nach Schlüchtern beworben. Die Gegend liegt mir am Herzen und ist mir sehr vertraut. Schon als kleiner Bub war ich in Bieber unterwegs, und für Altengronau war ich nun wieder zuständig.“
Schlüchtern: Forstamtsleiter Jörg Winter - „Berufung Wald“
Eine Herausforderung ist natürlich, dass die Behörde neu aufgebaut werden muss: „Alle Revierleiter waren neu und die Reviere neu zugeschnitten. Wir mussten erst mal schauen, wie die Aufgaben neu verteilt werden sollten. Vieles wurde in Kassel zentralisiert.“ Das gilt auch für den Holzverkauf – mit Gründung des Landesbetriebs Hessen-Forst 2001.
Winter erinnert sich, dass „ich damals die Holzkaufverträge mit allen Kunden selbst abgeschlossen habe. Der Forstamtsleiter musste alles unterschreiben, wir haben alles gemacht, was die Leitung angeht.“ (Lesen Sie hier: Frauchen und Herrchen wollen wieder reisen - Großer Andrang beim Hundehotel in Schlüchtern)
Das ist lange her. Die Arbeit hat sich weiter verändert – so wie der Wald: „Wir Förster versuchen, das zu steuern, um ihn stabil, gesund und naturnah zu machen. Holznutzung ist nicht an erster Stelle, sondern Erhalt und Stabilisierung des Ökosystems.“ Die Stürme der Jahre 2007 und 2008 und die Dürrejahre 2018, 2019 und 2020 haben auch den Wäldern in Rhön, Vogelsberg und Spessart zugesetzt.
Der 64-Jährige ist aber „stolz, dass wir die Schadenssituationen unter Kontrolle halten konnten und den Borkenkäfer verhindert haben. Wir haben den Wald rechtzeitig stabil und jung gehalten“. Den Reiz seines Berufs, der für ihn Berufung ist, mache nicht nur der Wald aus: „Der ist das A & O, aber den Waldbau mit anderen im Team zu machen, war das Reizvollste. Ich hatte ein Riesenglück, in diesem begnadeten Stückchen Erde tätig sein zu dürfen.“
Der in Salmünster lebende Forstmann nennt als Grund die vielfältige Landschaft: das Wäldermeer des Spessarts, die Rhön mit ihren Kuppen und der Fernsicht, der Bergwinkel, der raue und relativ waldarme Vogelsberg sowie das sehr warme und milde Kinzigtal. Winter: „Wir haben viel Laubholz und eine große Artenvielfalt. Ich wollte nie hier weg.“ Zumindest eine Versetzung braucht er nun nicht mehr zu fürchten.