"Wenn der Tag kommt, tut es mir genauso weh"
Main-Kinzig - Der Malteser Kinderhospizdienst Main-Kinzig-Fulda kümmert sich seit einem Jahr um todkranke Kinder und ihre Familien.
Marie Luise Reuter hat ihr Berufsleben schon hinter sich. Ihre Berufung hat die 65-Jährige aber erst als Rentnerin gefunden: Sie absolviert derzeit eine Ausbildung zur Hospizhelferin. Als sie in der Zeitung von der Gründung las, stand für sie fest: "Das mache ich."
Die Rentnerin aus dem Jossgrund ist derzeit eine von elf Ehrenamtlichen, die helfen, todkranke Kinder und ihre Familien durch schwere Zeiten zu begleiten. 100 Einheiten à 45 Minuten umfasst die Ausbildung mit den drei Schwerpunkten: Grundkurs, Praktikum und Vertiefungskurs. Medizinische oder pflegerische Vorkenntnisse müssen die Mitarbeiter nicht besitzen, sie sollten aber psychisch belastbar sein. Ab März steht die Vertiefungsphase an, in der unter anderem über erste Erlebnisse aus der Praxis gesprochen wird.
Marie Luise Reuter besucht seit Weihnachten einmal pro Woche eine Familie, deren kleine Tochter seit drei Jahren unheilbar an Krebs erkrankt ist. "Die Mutter ist total überfordert. So ein krankes Kind bringt das ganze Familienleben durcheinander", beschreibt die 65-Jährige die Situation. "Wenn ich komme, steht die Kleine schon an der Tür und freut sich. Ich spiele mit ihr und entlaste ihre Mutter, damit sie was für sich machen oder alltägliche Dinge erledigen kann." Die Ausbildung, sagt die angehende Hospizhelferin, habe ihr in den ersten Wochen bereits sehr geholfen. "Ich bin selbst Mutter und Oma und kann viele Dinge nachvollziehen. Ich habe gelernt, dass ich zurücktreten muss und eine Entlastung darstelle. Meine Meinung ist nicht gefragt."
Dies fällt nicht immer leicht. Das weiß auch Anita Richter. Die Koordinatorin des Hospizdienstes organisiert die Ausbildung, kümmert sich um Kooperationen und die Verwaltung und ist selbst als Hospizhelferin tätig. Unmittelbar nach dem Startschuss Ende Januar 2013 gingen bereits fünf Anfragen bei ihr ein. Da aber noch Ehrenamtliche fehlten, konnte der Hospizdienst nicht alle betreuen. Im ersten Jahr begleitete der Dienst sechs Familien, vier Begleitungen laufen noch. "Oft sind es mehrfach schwerstbehinderte Kinder mit einer verkürzten Lebenserwartung, die wir betreuen", erläutert Richter. Ein Kind habe sie bis in den Tod begleitet. Ein weiteres sei sehr schnell verstorben, doch auch hier habe die Familie in kurzer Zeit Unterstützung erhalten.
Wenn der Moment gekommen ist und ein Kind stirbt, ist das auch für die Hospizhelfer schwer. "Ich weiß nicht, ob ich auch mitleide", sagt Marie Luise Reuter, "ich denke aber, wenn der Tag kommt, wird es mir genauso wehtun".