Freispruch nach „Wildwest-Fahrt“ auf A66 - trotz Anzeige von Polizistin

Trotz einer filmreifen „Wildwest-Fahrt“ auf der Autobahn A66 im Main-Kinzig-Kreis ist ein Angeklagter vor dem Amtsgericht Gelnhausen freigesprochen worden. Richter Andreas Weiß hatte so seine Zweifel an der Schuld des Mannes, die Vertreterin der Staatsanwaltschaft allerdings nicht.
Gründau - Die Staatsanwaltschaft hatte den Gründauer wegen eines Vorfalls am 5. Februar 2021 im Main-Kinzig-Kreis (Hessen) auf der A66 in Fahrtrichtung Frankfurt angeklagt. Gegen 10.45 Uhr soll der junge Mann mit seinem Audi auf der linken Spur mit hohem Tempo unterwegs gewesen sein.
Weil er es eilig hatte, fuhr er dicht auf den vorausfahrenden Pkw auf und betätigte die Lichthupe. Doch dessen Fahrerin konnte nicht zügiger, da sich vor ihr ein weiteres Fahrzeug und davor ein Lkw befanden (lesen Sie auch hier: Zu schnell in Kurve: Ford und Mini Cooper stoßen frontal zusammen - drei Personen verletzt).
Main-Kinzig-Kreis: Freispruch nach „Wildwest-Fahrt“ auf A66 - trotz Anzeige von Polizistin
Als er mit dem Drängeln auf der linken Fahrbahn keinen Erfolg hatte, scherte er spontan nach rechts aus, gestikulierte wild zu der vorausfahrenden Frau und scherte vor ihr links in den knappen Zwischenraum ein. Die Verkehrsteilnehmerin konnte ein Auffahren nur durch ein abruptes Abbremsen verhindern.
Was der Angeklagte nicht wissen konnte: Bei der Frau handelte es sich um eine Polizeibeamtin, die den Vorfall anzeigte. Nun saß der 25-Jährige wegen Gefährdung des Straßenverkehrs auf der Anklagebank – und leugnete vehement, der Fahrer des Audi gewesen zu sein. Das wäre sein Bruder gewesen, was dieser als Zeuge auch bestätigte.
Dem Stand die Aussage der Polizistin gegenüber, die den Angeklagten eindeutig als Fahrer wiedererkannte. Eine größere Zahl von Zeugen bestätigte, dass der Beschuldigte an diesem Tag beruflich im Taunus und anderswo unterwegs war (lesen Sie auch hier: Porsche kracht offenbar bei illegalem Rennen auf Autobahn in Lkw - Fahrer schwer verletzt).
Und seine Mutter und seine Cousine aus Bad Soden-Salmünster konnten sich im Zeugenstand – obwohl der Vorfall schon eineinhalb Jahre zurückliegt - noch genau erinnern, dass der Audi an diesem Tag von dem Bruder gefahren wurde (lesen Sie auch hier: Gegenverkehr-Unfall - Auto kollidiert mit Spitzenfahrzeug einer Motorradkolonne).
Der Richter fand im Strafregister des 25-Jährigen eine einschlägige Voreintragung. 2019 war er wegen Nötigung zu einer Geldstrafe von 2700 Euro verurteilt worden. Damals hatte er sich als eines von etwa 40 Autos mit seinem Wagen an einem Fahrzeugkorso anlässlich einer Hochzeit auf einer Autobahn und einer Bundesstraße im Aschaffenburger Raum beteiligt.
Die Teilnehmer blockierten damals die Fahrbahn wegen ihrer geringen Geschwindigkeit, plötzlicher Bremsmanöver und der Bildung einer Rautenformation mit den Fahrzeugen. Sein Kennzeichen hatte er mit einer Flagge verdeckt. Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft sah die Anklage im vorliegenden Fall als erwiesen an.
Video: Diese Strafe droht Dränglern im Straßenverkehr
Die Zeugen hätten ihm ein Alibi verschaffen wollen, seien aber nicht glaubhaft, sondern stattdessen widersprüchlich gewesen. Die Aussagen der Polizeibeamtin hingegen hielt sie für überzeugend. Sie forderte eine Geldstrafe. Auch für den Vorsitzenden klang die Aussage des Angeklagten „abenteuerlich“. Er glaube schon, dass er der Fahrer war.
Allerdings reiche die Beweisaufnahme nicht für eine Verurteilung aus. Der Vorsitzende mutmaßte, wenn es nun zu einem neuen Strafverfahren in der Sache gegen den Bruder komme, könnten von diesem dann wieder ganz andere Aussagen kommen – zumal der beruflich dringend auf seinen Führerschein angewiesen sei. (ls)