Windkraft-Projekt in Elm: Emotionales Thema wird sachlich erörtert

Schlüchtern - Die jeweiligen Ansichten sind klar – und hinreichend ausgetauscht. Und doch wurde am gestrigen Morgen über das von der Firma Juwi angedachte Windkraftprojekt in Elm nochmals gesprochen.
Von unserem Redaktionsmitglied Tim Bachmann
Etwa 60 Einwender und interessierte Bürger tauschten sich in der Stadthalle mit Vertretern von Juwi und vom Regierungspräsidium Darmstadt (RP) sehr sachlich aus, obwohl das Thema selbst emotionalisiert.
Im Stadtgebiet Schlüchtern drehen sich aktuell 36 Windkraftanlagen. Im gesamten Main-Kinzig-Kreis sind es 98. „Damit stellen wir mehr als ein Drittel der vorhandenen Windkraftanlagen im Kreisgebiet“, rechnete Bürgermeister Matthias Möller (parteilos) vor. Die Stadtverwaltung stehe den regenerativen Energieformen offen gegenüber, aber: „Irgendwann ist auch ein Punkt erreicht, an dem man sagen muss: ‚Es ist genug‘“, so der Rathauschef während des Erörterungstermins.
Forderung: Keine weiteren Anlagen im Stadtgebiet
Möller stellte nochmals die Forderung des Stadtparlaments heraus, dass keine weiteren Anlagen im Stadtgebiet mehr errichtet werden sollen, was auch Wunsch eines Großteils der Bürger im Bergwinkel sei.
Auch Landrat Thorsten Stolz (SPD) habe laut Möller seine Bedenken geäußert und gefordert, „dass die klare und unmissverständliche Haltung der Stadt Schlüchtern unbedingt zu respektieren ist“.
Einzigartiger Naturraum solle nicht zerstört werden
Um seinen Standpunkt zu untermauern, stellte Möller nochmals klar, dass die Stadtverwaltung nicht hinnehmen werde, „dass einzigartiger Naturraum zerstört wird“. Die bisher 36 bestehenden Anlagen hätten eine installierte Gesamtnennleistung von 88,5 Megawatt. Das reiche, um etwa 60.000 Haushalte mit Strom zu versorgen. Weiterhin seien der Ausbau der Zuwegung sowie der Kabeltrasse Gegenstand separater Genehmigungsverfahren – und auch dabei „werden wir konsequent die Beschlusslage der Gremien umsetzen und unser Einvernehmen nicht erteilen“, so Möller.
„Ich appelliere noch mal eindringlich an Constantin von Brandenstein-Zeppelin als Grundstückseigentümer und an die Firma Juwi als Vorhabenträger, sich nicht über die Beschlüsse von Stadtverordnetenversammlung, Magistrat, Ortsbeirat, Landrat und den Willen der Bürger hinwegzusetzen und somit die durch die Bürgerschaft legitimierten Gremien und die Belange der Öffentlichkeit zu ignorieren“, schloss Möller unter Beifall. Denn im Notfall werde die Stadt Schlüchtern den Klageweg bestreiten.
Grundstückseigentümer vor Ort
Der von Möller angesprochene Grundstückseigentümer, Dr. Constantin von Brandenstein-Zeppelin, befand sich auch unter den Gästen: „Ich höre sehr genau zu, um zu erfahren, ob die Einwendungen berücksichtigt werden“, erklärte er. Sonst habe sich an seiner Grundeinstellung nichts geändert. Er habe den Pachtvertrag unterzeichnet und damit alles der Firma Juwi in die Hände gelegt.
Vonseiten der planenden Firma erläuterte Irina Hahn nochmals, was in den Brandensteiner Forsten passieren soll: Dort sollen zwei Windräder der Marke Vestas V150 mit Nabenhöhen von 166 Metern und Rotordurchmessern von 150 Metern entstehen, die je eine Nennleistung von 4,2 Megawatt bringen sollen. Somit könnten insgesamt 5600 Vierpersonenhaushalte versorgt werden. „Zudem haben wir eine erwartete jährliche CO2-Einsparung von 7400 Tonnen pro Anlage“, so Hahn.
Insgesamt 174 Einwendungen
Sabine Vogel-Wiedler und Dr. Doris Schuldt vom Regierungspräsidium (RP) Darmstadt moderierten die Erörterung der insgesamt 174 Einwendungen. Die zuständigen Mitarbeiterinnen des RPs gaben in den Unterbereichen Geologie/Wasser/Boden, Immissionen, Natur-, Denkmal- sowie Brandschutz jeweils Zusammenfassungen von „gleichen oder ähnlich klingenden Einwendungen“, wie es Vogel-Wiedler formulierte, ehe sie die Bürger aufforderten, weitere Punkte hinzuzufügen oder Fragen zu stellen.
So berichtete Lina Sowietzki vom Elmer Haineshof von der Wassersituation und konnte dem RP mitteilen, dass es dort keinen städtischem Anschluss gebe. „Das ist eine wichtige Information, vielen Dank“, sagte Vogel-Wiedler, die den Kontaktaustausch mit der Bürgerin anstrebte.
Keine Anzeichen für eine Rutschung
Ein weiterer Punkt, den Elms Ortsvorsteherin Inge Vey ansprach, beschäftigte sich mit der Topografie des Gebiets: „Seit 100 Jahren ist bekannt, dass der Berg schiebt“, unterstrich Lina Sowietzki. Dies belege auch ein entsprechendes Gutachten der Bahn, ergänzte Möller. Dieses Gutachten konnte auch das von Juwi beauftragte Planungsbüro WPW Geoconsult, das von Ingenieur Matthias Luber vertreten wurde, bestätigen. „Allerdings nicht dort, wo die Anlagen gebaut werden sollen“, hob er hervor.
Denn dort, wo die Anlagen entstehen sollen, habe es keine Anzeichen für eine Rutschung gegeben. Mehr noch: Eine Anlage könnte mit normalen Fundament, die andere auf einer durch Rüttel-Stopfung aufgewertete Bodenschicht unterhalb des 3,5-Meter-Fundaments errichtete werden, so Luber. Dennoch forderte Möller, dass ein ausführliches geotechnisches Gutachten erstellt wird, welches die Gesamtsituation im Blick habe.
Kohlwald könnte Wildkatzen-Gebiet sein
Michaela Börner aus Elm hatte Einwendungen eingereicht, die sich mit dem Lebensraum der Wildkatze auseinandersetzen. Anne Stoepel (Juwi) berichtete, dass der Kohlwald durchaus Wildkatzen-Gebiet sein könnte: „Wir gehen davon aus.“
Aber auch das Flora-Fauna-Habitat-Gebiet (FFH) am Schwarzbach und die mögliche Trassenführung der Kabel interessierte Börner, ebenso die ökologische Baubegleitung. Hierbei konnten Mitarbeiter des RP und von Juwi sowie Thomas Michel vom Landesbüro Huck Antworten liefern.
Auswirkungen auf Anwohner
Knut Fehl (Ramholz) hatte mehrere Fragen und Anregungen im Gepäck. Er berichtete zum Beispiel über die Auswirkungen der Immissionen durch die Anlagen auf der Breiten First auf die Bewohner im Degenfelder Land. „Nachts müssen wir das Fenster schließen.“ Und er sah eine ähnliche Topografie in Elm. Ortsvorsteherin Inge Vey nannte als Beispiel die Eisenbahner Straße, wo die Anwohner schon durch Windräder und Zugverkehr belastet würden. „Darf da noch was obendrauf kommen?“, so die Frage. Knappe Antwort von Alfred Wagner (RP): „Rechtlich gesehen schon.“
Knut Fehl, der Elm als das Herz des Bergwinkels bezeichnete, wollte wissen, welche bestätigten Tierarten-Vorkommen denn den Bau von Windkraftanlagen ausschließen würden. Denn wer nach Elm komme, der müsse nur den Kopf heben, um zu sehen, „das ist Rotmilan-Land“. Das bescheinigte auch Dr. Josef Kreuziger, Diplom-Biologe vom beauftragten Büro für faunistische Fachfragen: „Sie haben vollkommen recht. Elm ist Rotmilan-Land.“ Man müsse ganz genau nach den dort beheimateten Tieren schauen.
Erfassung zu den Tieren
Er nannte die Großvogelarten wie Rotmilan, Schwarzstorch und Bussard. Aber auch die Mopsfledermaus sei zu finden. Jedoch: „Das schließt den Bau einer Windkraftanlage nicht aus“, so Kreuziger. Vielmehr müsse als Grundlage eine repräsentative Erfassung herhalten, um dann genau zu schauen, wie es weitergeht: Fliegen die Rotmilane oder Schwarzstörche direkt durch den Korridor? Wie hoch ist das „Tötungsrisiko“ durch die Windräder? Wie sehr werden die Tiere durch die Bauarbeiten gestört? Bezüglich des Rotmilan-Vorkommens habe Juwi ein weiteres renommiertes Büro angefragt, dass zu den gleichen Ergebnissen gekommen sei, sagte Anne Stoelpel.
Der Erörterungstermin diente laut Sabine Vogel-Wiedler der Vertiefung und nicht zum direkten Entscheid. Bis das Protokoll ausgewertet sei, werde es Wochen bis Monate dauern. Es bleibt also spannend.