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23 abgegebene Tiere in nur einer Woche: Tierheimleiterin sieht gesellschaftliches Problem

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Corina Wink, Leiterin des Tierheims Gelnhausen, steht mit einer abgegebenen Katze im Arm im Heim vor Transportboxen und Käfigen.
Corina Wink, Leiterin des Tierheims Gelnhausen, mit einer der jüngst erst abgegebenen Katzen. Sie sieht ein gesellschaftliches Problem bei den Tierhaltern. © Tanja Bruske-Guth

Im Tierheim Gelnhausen sind in der ersten Ferienwoche ein Hund, elf Katzen, neun Hamster und zwei Kaninchen abgegeben worden. 23 Tiere in sieben Tagen sind für den Beginn der Sommerurlaubszeit eine traurige Bilanz.

Gelnhausen - Tierheimleiterin Corina Wink sieht angesichts dieser Entwicklung jedoch weder die alljährlich wiederkehrende Ferienthematik noch die Corona-Pandemie als Ursachen. Wink vermutet dahinter eher ein gesellschaftliches Problem.

Main-Kinzig-Kreis: Sommerurlaubs-Zeit im Tierheim - 23 Tiere in einer Woche abgegeben

Bereits 2019 haben Corina Wink und ihre Kolleginnen und Kollegen auf diese Entwicklung nicht nur im Main-Kinzig-Kreis hingewiesen, sagt die Tierheimleiterin. Damals habe man eine Petition gegen Online-Tierhandel eingereicht. Während der Corona-Zeit sei eine Verbesserung eingetreten, doch jetzt - mit dem „normalen Leben“ - setze sich diese Entwicklung weiter.

Das Grundproblem für Wink: „Die Leute haben nicht mehr die Fähigkeit, Probleme selbst zu lösen.“ Sobald es Schwierigkeiten mit dem Tier gebe, wolle man es loswerden. Manche Menschen aber geben ihre Tiere auf Zeit in einer Tierpension ab und holen sie wieder ab.

Die Tierheimleiterin erzählt Geschichten, bei denen sich jedem Tierfreund die Haare sträuben: Von Familien, die einen neun Monate alten Hund abgeben, weil er sie „angesprungen und bedroht“ haben soll. Von einer Frau, die ausziehe und ihren elf Jahre alten Hund abgeben müsse – einen Hund, den sie als Welpe besaß. Oder der Mann, der seine zwei Katzen vor dem Tierheim abstellte. Er wurde beobachtet, brachte sie zur Polizei und behauptete, er habe sie gefunden.

Und die Familie, die ein Hamsterpärchen abgeben wollte. Im Nest lagen fünf Junge, das Weibchen war wieder trächtig und das Männchen nicht kastriert. Nach dem Urlaub wolle man das Pärchen holen, da die Kinder „so an den Tieren hingen“ – die Jungtiere könne das Tierheim „ja in Kindergärten verschenken“.

„Das sind nicht irgendwelche Sozialfälle, das sind Leute aus der Mittelschicht. Viele sind mit den Tieren schlichtweg überfordert“, meint sie. Das komme davon, dass Tierhalter ihr Wissen aus dem Internet bezögen – und dort „leider auch oft die Tiere“, sagt Wink.

So ist die Lage im Tierheim Fulda-Hünfeld

Auf Anfrage beschreibt das Tierheim Fulda-Hünfeld die aktuelle Lage bei den Hunden wie folgt: „Wir sind voll belegt, und es gibt in der Tat eine Warteliste für Abgabehunde, die nur sehr schwer abzuarbeiten ist.“ Eine Zunahme an Abgabeanfragen allgemein könne allerdings nicht festgestellt werden.

„Wenn eine Familie mit kleinen Kindern zu uns kommt, und ich rate ihnen von einem bestimmten Tier ab, dann sind sie unzufrieden und meinen, dass wir unsere Tiere gar nicht vermitteln wollten. Dann suchen sie sich genau so ein Tier im Internet und stehen einige Tage später bei uns, weil es eben nicht geklappt hat“, berichtet sie.

In Gelnhausen sitzen inzwischen 70 Hunde in 26 Zwingern; seit Januar habe man rund 80 Hunde abweisen müssen, weil kein Platz mehr vorhanden sei. Das wecke nicht nur Unverständnis, sondern regelrechten Zorn: Die Tierheimmitarbeiter würden beschimpft und angeschrien, ärgert sich Wink: „Die Gemeinheit der Menschen, die packen wir nicht mehr.“.

Video: Haustiere aus Corona-Zeit füllen Tierheime

Und sie stellt klar: „Tierheime sind für in Not geratene Tiere da. Ein Tier, das jemandem gehört, der nicht damit zurechtkommt, ist kein in Not geratenes Tier. Es ist erst einmal Privatsache.“ Alte und kranke Tiere, Tiere von Tierhordern, die krankhaft Tiere sammeln, Tiere von Tierquälern oder kranken oder gestorbenen Besitzern „sind die Notfälle, um die wir uns kümmern müssen“.

„Wir haben bald amerikanische Verhältnisse“, prophezeit Wink. Soll heißen: Kann ein Tier nicht vermittelt werden und wird der Platz gebraucht, muss es getötet werden – dann müssen die Mitarbeiter so etwas wie Triage betreiben. So weit sei es zwar noch nicht, doch die Lage spitze sich nicht nur in Gelnhausen zu. (Von Tanja Bruske-Guth)

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