Klimapolitik: Alle gegen Altmaier

Anne Will lässt in ihrem Talk zum Thema Klimapolitik diskutieren: Das Klimaschutzpaket der Bundesregierung – großer Wurf oder große Enttäuschung?
Wenn die Not am größten ist, schickt Angela Merkel ihren besten Mann. Deshalb durfte Peter Altmaier (CDU), Bundesminister für Wirtschaft und Energie, bei Anne Will sitzen und die Beschlüsse des so genannten „Klimakabinetts“ er- nein: verklären. In vielen Talkshows gestählt als Dauerredner, sollte er auch diesmal als Ritter der Eloquenz den Drachen der Kritik im Zaume halten. Aber weil die Redaktion das wusste, hatte sie außer Altmaier nur Kritiker geladen und – bemerkenswert für die ARD – auf den Fetisch Ausgewogenheit verzichtet bei der Runde zum Thema: „Das Klimaschutzpaket der Bundesregierung – großer Wurf oder große Enttäuschung?“
Unzufriedenheit mit Klimapaket der Groko
Und so saß da der Hausmeier der Kanzlerin mit vor Anstrengung geballten Fäusten und Stress in der Stimme und versuchte die Katastrophe schönzureden. Denn so kann man nennen, was die Damen und Herren in der Berliner Marathonsitzung beschlossen haben. Und das Urteil von Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, war noch das Mildeste: Das Ergebnis der Verhandlungen sei, auch wenn nun ein Anfang gemacht werde, enttäuschend; man werde die Ziele „nachschärfen müssen.“
Schärfer ins Gericht mit der Regierung ging einer, den sie als Berater engagiert hatte: Ottmar Edenhofer, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, griff das Wort von Angela Merkel auf, Politik müsse das Mögliche machen und korrigierte: Die Regierung habe es nicht verstanden, das Notwendige möglich zu machen. Er nannte die Entscheidung, den CO2-Preis mit zehn Euro beginnen zu lassen, „mutlos“. Angemessen wären 50 Euro gewesen, so Edenhofer.
Klimapaket zu harmlos - aus Angst vor dem Wahlvolk
Der Minister argumentierte tatsächlich mit der Angst vor dem Wahlvolk, verbrämte das aber natürlich: Politik müsse „Verantwortung übernehmen für den sozialen Frieden im Land“. Dass aber ein um mehr als drei Cent ansteigender Benzinpreis – die Folge des CO2-Preises – die Menschen mit gelben Westen wie in Frankreich auf die Straße treiben würde, darf man dann doch bezweifeln. Die drei Cent seien doch die normale Schwankung an den Tankstellen, erwiderte Annalena Baerbock, Co-Vorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen.
Sie monierte das Fehlen des Abbaus umweltschädlicher Subventionen und des Ausbaus von Windenergie – ein vertracktes Thema, wie sich an einem Disput zwischen Baerbock und der Moderatorin zeigte, die versuchte, einen Widerspruch zu Baerbocks Kollegen Robert Habeck herzustellen.
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Aber während die Diskussion um Windrad-Abstände und Genehmigungen nur auf die Untiefen von Föderalismus und Bürokratie deuteten, nannte Bernd Ulrich, Stellvertretender Chefredakteur der „Zeit" das größere Problem der Regierung: Deren grundlegendes Missverständnis sei es, den Klimawandel wie jedes andere beliebige Thema zu behandeln. Aber hier gehe es um die schlimmste Spaltung im Lande, die zwischen Jung und Alt. Die Jugend habe ein ganz anderes materielles Interesse, die Politik aber lasse sie im Regen stehen. Merkels Behauptung vom „Paradigmenwechsel“ sei falsch.
Kein Klimaschutz wegen der "kleinen Leute"
Der Minister wechselte kurzfristig die Strategie in Richtung Selbsterkenntnis: Ganz schlecht sei man bei Gebäudesanierung und Verkehr. Und: „Wir haben alle Fehler gemacht.“ Nur dass seinesgleichen in der Regierungsverantwortung ist... Er tat sich auch keinen Gefallen damit, die Ursache des rasant gestiegenen Bewusstseins für den Klimawandel weniger auf Greta Thunberg als auf den heißen Sommer zurückzuführen.
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Denn da hatte ihn Anne Will am Wickel: „Wenn Sie doch so getragen werden von der Einsicht der Bevölkerung, warum tun Sie dann nichts?“ Da sang der CDU-Mann wieder das alte Lied von der Republik, die aus Atomkraft und Kohle zugleich aussteige und dass man die kleinen Leute doch nicht treffen wolle. Er musste sich aber von Ulrich anhören, die „Armen“ müssten stets als Alibi für das Nichtstun herhalten, ob es um billiges Fleisch, billige Flüge oder billiges Benzin gehe.
Klimaschutz soll die Wirtschaft wachsen lassen
Und Edenhofer legte nach: Es sei nicht akzeptabel, dass so getan werde, „als würde man beim Klimawandel den sozialen Ausgleich vernachlässigen“. Die angekündigte Klimaprämie gibt es ja nun nicht, und wer von der erhöhten Pendler-Pauschale profitiert, ist nicht klar. Da sang der Minister das andere altbekannte Lied: Man habe doch schon so viel getan, etwa den CO2-Ausstoß im Jahr 2018 um fünf Prozent gesenkt. Es bewege sich doch etwas.
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Kluger Klimaschutz* aber schaffe Wirtschaftswachstum, erklärte Claudia Kemfert, und Ottmar Edenhofer ergänzte: Der CO2-Preis gebe Innovationen eine neue Richtung. Und die geringer Verdienenden könne man mit den Einnahmen entlasten. Immerhin hat die Bundesregierung ein Monitoring eingebaut: Wie will unabhängige Experten überprüfen lassen, wo und wie nachzubessern sei.
Aber Sanktionen für Nicht-Einhaltung von Maßgaben gibt es nicht. Und wie viel die Politik auf das Urteil von unabhängigen Experten gibt, hat ja Ottmar Edenhofer gerade erfahren dürfen.
Anne Will, ARD, von Sonntag, 22. September, 21.45 Uhr. Informationen im Netz
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