ARD und ZDF ernten deutliche Kritik wegen USA-Bericht: Selbst Ex-Chefredakteur versteht die Welt nicht mehr

Nach den dramatischen Szenen über die Stürmung des Kapitols hagelt es Kritik an der Berichterstattung bei ARD und ZDF. Sogar ein Ex-Chefredakteur äußert sich empört.
- Anhänger:innen von Donald Trump stürmen am 6. Januar das Kapitol in Washington.
- Die Bilder gehen um die Welt, doch Zuschauer:innen äußern Kritik: Haben die Öffentlich-Rechtlichen in Deutschland bei der Berichterstattung geschlafen?
- Zwei bekannte Medienpersönlichkeiten üben scharfe Kritik an den eigenen Sendern.
Berlin - Am 6. Januar bewegten unfassbare Szenen die ganze Welt: Nachdem der Kongress den Wahlsieg des künftigen Präsidenten Joe Biden offiziell bestätigt, stürmt ein Mob von Trump-Anhänger:innen das Kapitol in Washington*. Hunderte Anhänger:innen seines Kontrahenten dringen in das Zentrum der Demokratie. Dort tagen währenddessen die Kammern des Kongresses*. Es werden Menschen verletzt, vier Menschen sterben in Folge der Gewalt. Abgeordneten-Büros werden gestürmt, Scheiben eingeschlagen.
ARD und ZDF: „Hans Albers“ und „Balkan Style“ statt Kapitol-Berichterstattung
Während der amerikanische Sender CNN sofort auf Krisenberichterstattung* umschaltet und von den Ereignissen berichtet, passiert bei den deutschen öffentlich-rechtlichen TV-Sendern anscheinend erst einmal nichts. Die ARD* zeigt den Fernsehfilm „Für immer Sommer 90“, unterbricht zehn Minuten für eine Berichterstattung über die Lage in den USA und zeigt dann das Drama „Die Liebe des Hans Albers“. Erst gegen 23 Uhr brach die ARD den Film für aktuelle Berichterstattung dann ab. Ähnlich verläuft es auch beim Sender ZDF*. Dort wird eine Doku mit dem Namen „Balkan-Style: Durch Europas wilden Südosten“ gezeigt, danach das ohnehin geplante „heute-journal“.
ARD und ZDF verärgern Publikum - und auch den ehemaligen Chef
Das verärgerte viele Zuschauer:innen, die ihren Ärger auf den sozialen Netzwerken Luft machen. „Ihr solltet zumindest in dieser Situation eure Berichterstattung* mal überdenken... andere Sender bekommen es schließlich auch hin...“, schreibt beispielsweise eine Userin auf Twitter. Unter den Kritiker:innen finden sich aber auch ziemlich bekannte Gesichter, die sich unglücklich mit der Entscheidung der Sender zeigen. Unter anderem äußert sich Ulrich Deppendorf auf seinem Twitter-Kanal, der ehemalige Leiter des ARD-Hauptstadtstudios in Berlin. „In Washington gibt es einen Anschlag auf die US-Demokratie und DAS ERSTE sendet Hans Albers! Verstehen tue ich das nicht mehr. Auch nicht das ZDF“, so Deppendorf.
Selbst ZDF-Moderator empfiehlt anderen Sender
Die Antwort der ARD: „Es gab bereits um 21.45 Uhr ein zehnminütiges „Tagesthemen extra“. Weitere Infos gleich um 23.00 Uhr in den Tagesthemen. Außerdem gibt’s alle Infos aktuell bei tagesschau24, im Liveblog von tagesschau.de und im Livestream von phoenix.de“.
Und noch ein Medienpersönlichkeit schreibt auf Twitter: Klaus Cleber*, Moderator der ZDF-Nachrichten. „Unfassbare Szenen im US #capitol. #CNN einschalten. Sofort“, so Claus Kleber. Die verständliche Antwort eines Followers: „Macht das ZDF eine Unterbrechung des Programms? Das ist ein Putschversuch in den USA, der dort nicht gezeigt wird.“ Seinen eigenen Arbeitgeber kann er wohl nicht empfehlen.
ARD und ZDF: Auch der höhere Rundfunkbeitrag wurde gerade abgewiesen
Die vielen negativen Kommentare kommen für die öffentlich-rechtlichen Sender* zu einem ungünstigen Zeitpunkt: Für Anfang 2021 war eigentlich eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags um 86 Cent (auf 18,36 Euro) geplant. Das Bundesverfassungsgericht wies die Eilanträge allerdings als „nicht ausreichend begründet“ zurück. (jh) tz.de und merkur.de sind Teil des bundesweiten Ippen-Digital-Redkationsnetzwerkes.