Darum ist das Dschungelcamp so erfolgreich

Berlin - Das Dschungelcamp holt einen Quotenrekord nach dem anderen, obwohl sich seit zehn Jahren praktisch nichts an der Sendung verändert hat. Sind Millionen Deutsche Gaffer und Lästermäuler?
Drei Mal schon hat die RTL-Show „Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!“ die Acht-Millionen-Marke geknackt - das schafft mancher „Tatort“ nicht. Und selbst Flaggschiffe der Fernsehunterhaltung wie „Wetten, dass..?“ stellt das Spektakel in den Schatten. Am Wochenende verbuchte der Kölner Privatsender mit im Schnitt 7,79 Millionen Zuschauern in der achten Staffel einen Halbzeitrekord. Wenn am Abend mehr als ein Drittel der TV-Zuschauer das Urwaldtreiben verfolgt, klingt das Gerede von Mediatheken und zeitunabhängigem Fernsehen wie eine Fehleinschätzung.
Und das, obwohl sich das Konzept seit 2004 kaum verändert hat. War ein zerkauter Känguruhoden bei der Premiere noch ein Skandal, können heute nur wenige Dschungelprüfungen ernsthaft unter dem Ekel-Label laufen. „Das ist aber eh bloß noch Beiwerk“, sagt der Stuttgarter Professor Franco Rota von der Hochschule der Medien. „Heute ist es wichtiger, wie sich die Teilnehmer in der Gruppe verhalten.“
Die Mischung der Charaktere im Dschungelcamp ist dieses Mal noch besser
Doch auch die Prominenten werden nicht prominenter, die Zickereien nicht zickiger. Ein Eklat wie 2011, als Schauspieler Mathieu Carrière auf Knien Model Sarah Knappik anflehte, das Lager zu verlassen, scheint dieses Mal in weiter Ferne. Wenn sich auch gleich zu Anfang nahezu alle gegen das österreichische „Topmodel“ Larissa Marolt (21) verschworen haben und Ex-„Tatort“-Darsteller Winfried Glatzeder (68) in Ekstase schimpfend seine Mahlzeit durchs Camp spuckte.
À propos: Die Rollenmuster blieben ebenfalls staffelübergreifend gleich, sagt die Hamburger Medienwissenschaftlerin Joan Kristin Bleicher: da seien die blonde egoistische Zicke mit niedrigem IQ, der alternde Schauspieler, der Abenteurer. Die Mischung ist dieses Mal aber offenbar besser: „Das hier ist Verunsicherungsfernsehen, weil man sich als Zuschauer nie auf das Bild verlassen kann, das man sich gestern noch von diesem oder jenem Kandidaten gemacht hat - morgen kann alles schon ganz anders sein“, schreibt Anja Rützel für „Spiegel Online“. Ex-Viva-Moderator Mola Adebisi (40) etwa wurde vom maulenden Moralapostel zum Weichei, das eine Dschungelprüfung abbricht.
Dschungelteilnehmer wirken auf uns wie gute Bekannte
Voyeurismus, Häme und Boshaftigkeit lassen sich für den Zuschauer außergewöhnlich gut verbinden, wie Rota erklärt. „Das Dschungelcamp läuft im Vergleich zu anderen Trash-Formaten so erfolgreich, weil es Treppenhauscharakter hat und die Dschungelteilnehmer auf uns wirken wie gute Bekannte.“ Jüngere Menschen träfen sich zum Gucken, lästerten gemeinsam über die Teilnehmer und empfänden Schadenfreude, wenn sie Larissa zur achten Prüfung in Folge schicken.
Zudem seien die Kandidaten heutzutage medial geschult - anders als etwa vor einigen Jahren die meist völlig Unbekannten, die sich in einen „Big Brother“-Container sperren ließen. Beim Dschungelcamp hätten die Teilnehmer Erfahrungen vor der Kamera und auf roten Teppichen gemacht - und seien es nur Auftritte bei Casting-Shows, Balzversuche beim „Bachelor“ oder das Tingeln durch irgendwelche Dorfkneipen zu Promo-Zwecken.
Teilweise 200 Tweets pro Minute zu #ibes/Dschungelcamp
Hinzu kommt die immense Begleitung in den Medien. RTL greift die eigene Sendung in zig Magazinen auf - mal mit mehr, mal mit weniger seriösem Anstrich. Reichweitenstarke Zeitungen und Internet-Angebote wie „Bild“ und „Spiegel Online“ berichten täglich ausführlich.
Auch die Einbindung des Social Webs habe sich intensiviert, sagt Professorin Bleicher. Bei Twitter beteiligten sich die Zuschauer zeitweise mit 200 Tweets pro Minute. „Hier reproduzieren sich alte Kommunikationsformen des Klatsches mit einem starken Fokus auf moralische Bewertungen des Verhaltens der Kandidaten, aber auch subjektive Sympathie- und Antipathie-Bekundungen.“ Gerade dabei lasse sich eine Steigerung der Aggressivität beobachten.
"Das gesamte Dschungelteam ist völlig aus dem Häuschen"
„Der Homo sapiens ist ein Wiederholungstäter“, meint Rota. Gerade deshalb komme den Menschen das bereits wie ein Ritual wirkende TV-Sendungsformat von „Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!“ zupass: volle Konzentration auf die Gefangenensituation und Piesacken per Telefonvoting nach altbekannten menschlichen Verhaltensmustern.
Zumal der Dschungel salonfähig geworden zu sein scheint: Anders als 2004 geben heute viele zu, die Show zu schauen. RTL freut's. Markus Küttner, zuständig für Comedy & Real Life, jubelt vom Quoten-Glück berauscht: „Das gesamte Dschungelteam ist völlig aus dem Häuschen!“
dpa