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„Elysium“: Parabel auf die Gegenwart

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Vom Hitzkopf zum Helden entwickelt sich Arbeiter Max (Matt Damon) im Science-Fiction-Film „Elysium“. © dpa

München - Im Jahr 2154 herrscht eine Zweiklassengesellschaft: 99 Prozent der Menschen kämpfen ums nackte Überleben – sie hausen auf der überbevölkerten, völlig verwüsteten Erde, die zu einer monströsen Megaslum-Müllhalde verkommen ist.

Die kleine Schicht der Superreichen hingegen residiert auf der sauberen Hightech-Luxus-Raumstation Elysium, die wie ein riesiger Mercedes-Stern am Himmel funkelt, unerreichbar für die Massen – ein Land, in dem Milch und Honig fließen. Als der Fabrikarbeiter Max (Matt Damon) radioaktiv verseucht wird, hat er nur noch fünf Tage zu leben. Seine einzige Rettung: die medizinische Versorgung auf Elysium. Mit allen Mitteln versucht er, illegal zur Raumstation zu gelangen: In seiner Verzweiflung lässt er sich auf eine gefährliche Mission ein, die zum Himmelfahrtskommando zu werden droht. Die gnadenlose Verteidigungsministerin Delacourt (Jodie Foster), die Elysium radikal von allen Eindringlingen säubern lässt, hetzt Max den sadistischen Söldner Kruger (Sharlto Copley) auf den Hals. Doch Max lässt sich nicht unterkriegen und zettelt eine Revolution an.

Schon in seinem Spielfilmdebüt „District 9“ hatte der südafrikanische Kino-Visionär Neill Blomkamp Sozialkritik in fetzige Sci-Fi-Action verpackt. Nun hat er eine Art „District 10“ nachgelegt: Sein Zweitling entpuppt sich als – wenig subtile – Parabel auf Missstände der Gegenwart. Blomkamps größter Trumpf ist auch diesmal sein enormer Fundus an überwältigenden Bild-Ideen: Mit beeindruckenden Bauten und spektakulären Spezialeffekten kreiert er die beiden gegensätzlichen Welten seiner Dystopie. Doch während er beim Design viel Arbeit in die Feinzeichnung der Details steckt, geht er bei der Charakterisierung seiner Figuren nur mit arg grobem Pinsel zu Werke und beschränkt sich vorwiegend auf Schwarz-Weiß-Malerei. Seine exzellenten Schauspieler machen das Beste daraus: Die heillos unterforderte Jodie Foster verkörpert die eindimensionale Rolle der eiskalten Eisernen Lady mit gruseliger Präsenz. Matt Damon wandelt sich souverän vom Hitzkopf zum Helden. „District 9“-Hauptdarsteller Sharlto Copley gibt dem Affen Zucker: Als psychopathischer Erzbösewicht agiert er wie ein tollwütiger Hund, der seine Leine durchgebissen hat.

Schade, dass dieser visuell atemberaubende Thriller in seinen Rückblenden zu Max’ Waisenknaben-Vergangenheit nicht frei von Kitsch ist. Schade auch, dass Blomkamp im letzten Filmdrittel in typische Mainstream-Hollywood-Handelsware abdriftet, seinem Faible für Explosionen frönt und bloß noch ein ausuferndes, ermüdendes Action-Spektakel bietet. Immerhin besitzt er das nötige Talent, um solche Szenen zu inszenieren: Gewaltausbrüche wirken bei ihm stets real, schmutzig und heftig. Wenn Blomkamp es irgendwann schafft, sich ganz von Blockbuster-Konventionen und eigenen Fetischen zu lösen, hat er durchaus das Zeug zu einem neuen James Cameron.

Marco Schmidt

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