ESC 2017: So provoziert Russland die Ukraine mit Kandidatin Julia Samoilowa

Kiew - Russland schickt Julia Samoilowa zum ESC 2017 nach Kiew. Die Auswahl der blonden Kandidatin im Rollstuhl ist auch eine Provokation für die Ukraine.
Dass Julia Samoilowa für Russland beim diesjährigen „Eurovision Song Contest“ auftreten soll, das wurde erst am Sonntagabend, also genau einen Tag vor dem Ablauf der offiziellen Anmeldefrist bekannt. Bis dato war noch völlig unklar, ob Russland überhaupt am ESC 2017 teilnehmen würde. Der russische Kanal 1 teilte nun recht kurzfristig mit, dass die 27-Jährige bei dem Wettbewerb das Lied „Flame is Burning“ performen werde.
Doch ob die junge Sängerin, die seit ihrer Kindheit im Rollstuhl sitzt, beim Eurovision Song Contest im Mai wirklich auftreten kann, ist derzeit völlig unklar. Der Grund: Die russische Kandidatin war im Juni 2015 in der Stadt Kertsch aufgetreten, die auf der ukrainischen Halbinsel Krim liegt. Und das könnte ein Einreiseverbot für den ESC 2017 in Kiew nach sich ziehen. Seit der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim durch Russland, ist es nach ukrainischem Recht verboten, die Halbinsel ohne Einwilligung der ukrainischen Behörden und nicht vom ukrainischen Festland aus, zu betreten. Die russische Kandidatin Julia Samoilowa soll jedoch über den russischen Landweg auf die Krim gereist sein. Wie eine Presssprecherin bekannt gab, leitete der ukrainische Geheimdienst deswegen bereits am Montag eine Überprüfung eines früheren Auftritts der blonden Sängerin auf der Krim ein.
ESC 2017: Sicherheitsdienst der Ukraine soll über Auftritt von Julia Samoilowa entscheiden
Das ukrainischen Innenministerium hat gegenüber Bild.de Stellung zu dieser Untersuchung bezogen: „Frau Samoilowa hat das vorübergehend besetzte Gebiet der Halbinsel Krim vom Staatsgebiet Russlands aus betreten, nicht von der Ukraine aus. Darum wird der Fall vom Sicherheitsdienst der Ukraine (SSU) entschieden“.
Sollte die Überprüfung des Falles aus Sicht der Ukraine ein Fehlverhalten von Julia Samoilova nachweisen, droht ihr eine Einreisesperre in die Ukraine von mehreren Jahren. Eine Teilnahme bei dem Eurovision Song Contest, der am 13. Mai in Kiew stattfindet, wäre damit ausgeschlossen.
Julia Samoilowa beim ESC 2017: Absichtliche Provokation durch Putin?
Kritiker werfen dem russischen Präsidenten jedoch Wladimir Putin bei der Auseinandersetzung um den Auftritt von Julia Samoilowa beim ESC 2017 Berechnung vor. Erst 2015 hatte die ukrainische Kandidatin Jamala mit ihrem Lied „1944“, in dem es um die Deportation ihres Volkes von der Krim geht, gewonnen. Viele russische Bürger waren über diesen Siegertitel empört, da es ihrer Ansicht nach um ein politisch motiviertes Lied ist. Das Regelwerk des ESC besagt jedoch, dass politische Texte und Gesten während des Contest untersagt sind.
Die Wahl von Julia Samoilowa als russische Kandidaten halten viele Ukrainer deswegen für eine absichtliche Provokation, wie ein ukrainischer Abgeordneter Bild.de erklärte: „Während Russland bis zuletzt einen Boykott des Musikwettbewerbs in Erwägung zog, würde Moskau nun mit der Wahl einer Sängerin, die bereits auf der Krim aufgetreten ist, den Prozess politisieren. Ihre Nominierung ist eindeutig eine Provokation, um die Ukraine zum Handeln zu zwingen.“
Die Ukraine steht nun in der Zickmühle: Entweder sie verweigern der im Rollstuhl sitzenden Sängerin die Einreise und setzten sich dadurch auch der Kritik aus, behinderte Personen zu diskriminieren. Oder sie lassen die russische Kandidatin trotz des Verstoßes einreisen und weichen dadurch von ihren eigenen Gesetzten ab.
ESC 2017: Feddersen schlägt diplomatischen Schutz für Julia Samoilowa vor
Der Journalist und ESC-Experte Jan Feddersen, der seit fünf Jahren für den NDR auf eurovision.de schreibt, schlug nun eine Lösung für das Dilemma vor. In einem Kommentar regt er an, bei dem Austragungsort des Eurovision Song Contest künftig so zu verfahren wie die USA im Falle der Vereinten Nationen in New York. Dort sähen die völkerrechtlichen Bestimmungen vor, dass alle Nationen dorthin reisen dürfen, unabhängig vom Verhältnis der USA zu den jeweiligen Ländern. Der Journalist fordert deswegen: „So sollte es auch beim ESC sein - und in diesem Sinne sollte auch die European Broadcasting Union in Genf, verantwortlich für die Eurovisionstage, argumentieren: Ihr in Kiew richtet aus, aber wer kommen will, steht unter unserem sozusagen diplomatischem Schutz.“
Wann und wie sich die Ukraine im Fall Julia Samoilowa entscheiden wird, ist derzeit noch unklar.
Das Halbfinale des Eurovision Song Contest 2017 findet am 9. und 11. Mai statt. Deutschland schickt in diesem Jahr Isabella Levina Lueen ins Rennen. Sie braucht sich nicht mehr in einem der beiden Halbfinals zu qualifizieren. Die „Big Five“ (Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, Großbritannien) und das Gastgeberland Ukraine sind direkt für das Finale am 13. Mai 2017 im International Exhibition Centre (IEC) in Kiew qualifiziert. Die 25-jährige Kandidatin für Deutschland wird dort den Song „Perfect Life“ singen.
ak