Spielt Armeniens ESC-Song auf Völkermord an?

Wien - Politische Statements sind beim Eurovision Song Contest (ESC) laut Reglement eigentlich untersagt, Armenien schickt dieses Jahr dennoch einen höchst brisanten Beitrag ins Rennen.
„Face the Shadow“ heißt die Ballade der sechsköpfigen Gruppe „Genealogy“, mit dem die Kaukasusrepublik im Mai beim ESC in Wien punkten will. Übersetzt heißt dies etwa „Stell dich dem Schatten“, der Bandname bezieht sich auf Ahnenforschung und Abstammung. Die ESC-Organisatoren werteten das Lied als politisch aufgeladen, ließen es jedoch zum Wettbewerb zu.
„Don't deny“ („Leugne nicht!“), lautet die zentrale Refrain-Zeile. Sie bezieht sich offenkundig auf die systematische Vertreibung und Vernichtung der Armenier im Osmanischen Reich vor 100 Jahren. Laut Schätzungen kamen bei Deportationen 1915/1916 bis zu 1,5 Millionen Menschen ums Leben. Die Regierung Armeniens sieht darin einen „Völkermord“. Die Türkei - als Nachfolgestaat des Osmanischen Reichs - lehnt die Bezeichnung vehement ab. International ist sie strittig. Papst Franziskus sorgte kürzlich für Aufsehen, als er sie benutzte, hierzulande fordert die große Koalition, den Begriff zu verwenden, und dabei in Kauf zu nehmen, dass dies die Beziehungen zu Ankara belasten würde.
Der Beitrag von „Genealogy“ steht nun im Zeichen des sich Erinnerns. Das Musikprojekt selbst repräsentiert in seiner Zusammensetzung die zahlreichen Armenier, die verstreut im Ausland leben. Neben einer Sängerin aus Armenien sind armenischstämmige Musiker aus Frankreich, Japan, den USA, Australien und Äthiopien vertreten.
dpa