Tatort aus Luzern: Der letzte Fall von Flückiger und Ritschard

Der Tatort aus Luzern verabschiedet sich heute mit einer ganzen Herde Elefanten im Raum.
Die Blässe des Luzerner Tatorts trat selten hinter der Wucht einer Folge zurück, so 2018 in dem gelungenen Echtzeit-Experiment „Die Musik stirbt zuletzt“ (der 14. Fall). Meistens bewies das Duo Flückiger/Ritschard, Stefan Gubser und Delia Meyer, stattdessen, dass die Rollenprofilierung ihrer deutschen Kollegen einem zwar auf die Nerven fallen kann, dass aber der unverbindliche Umgang mit dem Personal noch fatalere Folgen hat. Während Gubser und Meyer sich Folge um Folge bemühten, energische, engagierte, manchmal etwas bürokratische (Ritschard), manchmal etwas markige (Gubser) Individuen bei der Arbeit zu zeigen, ergab sich daraus doch kein markantes Gesamtbild.
Kein Vergleich zu den fabelhaften Eigenwilligkeiten der österreichischen Konkurrenz (nicht zu reden vom Witz und von der Selbstironie), die die Schweizer Schwierigkeiten umso klarer konturiert. Die sprachlichen Besonderheiten in Wien – selbst oder gerade wenn man keine Details, manchmal praktisch gar nichts mehr versteht, nurmehr, ob es sich um eine Tirade oder eine Suada handelt – sind ein uneinholbarer Vorteil gegenüber allen bundesdeutschen Angeboten. Der Tatort aus der Schweiz hingegen wird für unsereinen synchronisiert. Offenbar ein prosaischer Vorgang. Im Ergebnis bekommen wir einen uneinleuchtend angeschweizerten Kompromiss, während die Schweizer auch nicht mehr bei sich selbst sind. Ein objektives Problem, das zumindest nicht liebevoll gelöst wird.
Tatort heute: Letzter Teil aus Luzern ist wenig raffiniert gestrickt
Scharfe Fälle oder eine andere Art von Lokalkolorit müssten es nun herausreißen, aber auch der 17. und letzte Teil, geschrieben von Felix Benesch und Mats Frey, inszeniert von Tom Gerber, ist wenig raffiniert gestrickt und der Vierwaldstättersee zwar selbstverständlich schön, aber ohne sichtbar werdenden Ehrgeiz in Szene gesetzt. Interessant, wie apart und doch nicht bloß touristisch einst der Bodensee
im Bodensee-Tatort vor uns lag.
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Eine abendliche Schiffsfahrt ist in „Der Elefant im Raum“ der Ausgangspunkt für eine Handlung, die eine beträchtliche Menge an topaktuellen Klischees und Wahrheiten vermengt. Auf dem Schiff trifft Flückiger als missmutiger Begleiter auf die oberen hundert von Luzern, erwartungsgemäß unangenehme Leute, noch dazu wird ihm ein „Bio-Wachtelei an Senfschaumreduktion“ serviert. Flückiger ist bereits ziemlich gereizt und wird seinen letzten Fall überwiegend murrend, schimpfend, fluchend und gelegentlich boxend verbringen.
Tatort aus Luzern: Mensch mit Schweinsmaske bekennt sich zum Anschlag
Außerdem geht nun das Licht aus, es gibt einen Toten und dann noch einen. Zu diesem unbestimmten Anschlag bekennt sich später ein Mensch mit einer Schweinsmaske, dem ein dubioses „Nachrichten“-Portal Öffentlichkeit bietet. Dessen Chef, gespielt von Fabian Krüger, ist der Prototyp des unsympathischen Wichtigtuers, getoppt in seiner Durchschaubarkeit nur von der smarten Chefredakteurin der „Luzerner Zeitung“, Mona Petri, die mit der Rüstungsindustrie heult. Die Elite ist frech, die Journalisten sind das Hinterletzte: So entsteht das schwiemelige Bild einer Gesellschaft vor unseren Augen, in der man wirklich nicht weiß, was und wem man glauben soll.
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Tatort heute: Der Kommissar gegen den Rest der Welt
Das aber, jetzt wird es ärgerlich, wird im Grunde nicht ernsthaft verfolgt, sondern verstreut sich lose über einen Der-Kommissar-gegen-den-Rest-der-Welt-Kasus. Und der Kommissar selbst hilft kräftig mit, die Klischees gegen andere zu ventilieren und selbst noch beiläufig den gewalttätigen Polizisten zu vertreten. Hier aber tut sich eben kein Abgrund auf, sondern Bestätigung wie Entkräftung von Klischees erscheinen willkürlich und ungenau. Gefährlich, wenn Willkür und Ungenauigkeit doch gerade zur Rede stehen. Hier draußen und im Film, der so nicht über die Plattheiten seiner Figuren hinauswachsen kann.
2020 dann ein neuer Schweizer Versuch, aus Zürich.
Luzern-Tatort im Stil von „24“
Nachdem bekannt wurde, dass der Luzern-Tatort ausläuft, wagten die Macher endlich etwas: „Die Musik stirbt zuletzt“* im August 2018 war eine Art 90 (bzw. 88)-minütiges „24“, die Kamera folgte den Darstellern und einem Orchester.
„Tatort: Der Elefant im Raum“, ARD, So., 20.15 Uhr.
Von Judith von Sternburg
Ein zurückhaltender, fast etwas spröder Krimi aus dem ländlichen Kärnten: Der Österreich-Tatort „Baum fällt“ in der ARD nutzt nicht sein Potenzial, findet fr.de*-Redakteurin Judith von Sternburg bei ihrer TV-Kritik.
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