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Markus Lanz: Die Angst der Parteien vor der „Beliebigkeitswerdung“

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Von: Daland Segler

Markus Lanz.
Markus Lanz. © ZDF/Juliane Werner

Wie schwierig Politik heute zu erklären ist, erklärte SPD-Mann Wolfgang Tiefensee bei Lanz.

Die Lage nach der Wahl in Thüringen ist für CDU und SPD gleichermaßen desaströs. Die einen sanken unter die Zehn-Prozent-Marke, die Anderen stürzten aus einstiger Höhe ab. Bei Markus Lanz war jetzt Wolfgang Tiefensee zu Gast; der Wirtschaftsminister in der bislang arbeitenden Koalition aus Linken, SPD und Grünen war tapfer genug, sich den inquisitorischen Fragen des Moderators Markus Lanz („Sie sind doch abgewählt worden!“) zu stellen und mühte sich, flankiert von den Journalisten Kristina Dunz und Markus Feldenkirchen, um Erklärungen. Aber die sind eben nicht leicht zu haben, und das kenntlich zu machen, war ein Verdienst dieser Sendung.

Talkshows: Maybrit Illner fragt nach dem Problem der CDU. Für einen Teil der Gäste sind es die Frauen, für andere die Nähe der Konservativen zu den Rechten.

Zunächst schilderte Dunz kenntnisreich den Prozess der „Zerpflückung“ der CDU, bei der jetzt drei Herren offenbar Morgenluft wittern, die einst gegen Angela Merkel aufbegehren wollten, aber gescheitert sind: Wolfgang Schäuble, Roland Koch und Friedrich Merz. Er zumal griff die Kanzlerin in bislang nicht üblicher Schärfe an und warf ihr mangelnde Führung vor, in deren Folge sich ein „Nebelteppich“ über das Land gelegt habe. Feldenkirchen sah darin die Angst vieler Christdemokraten vor einem „Endpunkt der Beliebigkeitswerdung“ der CDU. Merz sei zugleich immer noch eine „Sehnsuchtsfigur“ in der Partei. Der habe Angela Merkel jedenfalls mit ihrem Rückzug vom Vorsitz keinen Gefallen getan – und ihrer Nachfolgerin auch nicht.

Die GroKo ist verheerend für SPD und CDU

Dunz nahm aber auch, mit Hinblick auf Annegret Kramp-Karrenbauer (über die sie ein Buch geschrieben hat), die politische Kaste ein wenig in Schutz: Versprecher oder Fehler würden heute nicht mehr erlaubt, sondern medial ausgeschlachtet. Es sei eine schädliche Beschleunigung eingetreten, und die Wählerschaft wolle eigentlich, dass die Volksvertreter so funktionierten wie Roboter.

Ähnlich schilderte Wolfgang Tiefensee, der nach der Niederlage seiner Partei gestand: „Ich habe innerlich geweint“, die Schwierigkeit, politische Arbeit heutzutage zu vermitteln. Er sei stolz auf die Arbeit des Dreierbündnisses, aber geerntet habe die Linke. Der Wahlkampf heutiger Prägung sei auf Persönlichkeiten zugeschnitten, wie man an Bodo Ramelow (Thüringen), Michael Kretschmer (Sachsen), Dietmar Woidke (Brandenburg) oder auch Winfried Kretschmann (Baden-Württemberg) gesehen habe – die alle im Amt nicht unbedingt streng ihrer Parteiräson gefolgt seien, erläuterte Dunz. Sie nahm das Thüringer Ergebnis der SPD zum Anlass zu fragen, ob die Rolle als stabilisierende Kraft, wie sie Tiefensee auch für seine Landespartei reklamierte, nicht auf Dauer schädlich sei für die SPD – siehe die Große Koalition.

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Die Groko sei jedenfalls für SPD wie CDU letztlich verheerend, befand Feldenkirchen, und ein Grund für den Aufstieg der AfD. Denn die Regierungspolitik habe den Eindruck profilloser Parteien gestärkt. Zumal der SPD: Es sei zum Beispiel auch nach 23 Regionalkonferenzen nicht klar geworden, welche Position die Partei in der Frage der Migration eigentlich habe. Ähnliches gelte für die Klimapolitik. Tiefensee verteidigte seine Genossen. Die SPD gehorche nicht dem Prinzip „Schwarz oder weiß,“ den Entweder-Oder Schlagworten, man brauche eben auch mehr als drei Sätze, um Probleme und deren Lösungen darzustellen.

Markus Lanz: Die Leute sind genervt

Damit hat der SPD-Mann selbstverständlich absolut recht; die Wähler der Partei der Nazi-Freunde sind eben offensichtlich meistens auch Menschen, denen die heutige Welt zu kompliziert geworden ist, oder wie Markus Lanz es ausdrückte, „die es nervt“. Aber er selbst müsste in seiner Talkshow denen, die er befragt, auch mehr Gelegenheit geben, das Komplizierte differenziert darzulegen und nicht aus Panik vor Langeweile immer wieder dazwischenzufahren. Mit seiner Kurzatmigkeit bedient er eben genau die Schlagwort-Unkultur, gegen die er doch anzusenden vorgibt.

Viele Schlagworte gab es auch bei Maybritt Illner zu hören, die nach der designierten SPD-Führung und der Zukunft der Groko gefragt hatte. Einer ihrer Gäste sah bei den Sozialdemokraten gar „die Konterrevolution ausgebrochen“.

Infos zur Sendung

Markus Lanz, ZDF, von Mittwoch, 29. Oktober, 22.45 Uhr. Die Sendung im Netz.

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