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Maybrit Illner: Klimapaket der Bundesregierung - eine „Mogelpackung“

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Von: Daland Segler

Maybrit Illner
Die Runde bei Maybrit Illner: Nina Treu, Peter Altmaier (CDU), Maybrit Illner, Robert Habeck (Grüne), Carolin Roth, Karl Haeusgen (v.l.n.r.) © Screenshot ZDF

Maybrit Illner stellt ihren Gästen die Frage: Gefährden die Klimaproteste unsere Jobs und unseren Wohlstand?

Am Ende wurde dann die Schizophrenie bundesdeutscher Regierungspolitik überdeutlich: Er möchte „keine Schulden machen zu Lasten der jungen Generation“, beteuerte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier. Aber stattdessen der jungen Generation eine zerstörte Umwelt hinterlassen?

Es ging wieder einmal um die berüchtigte „Schwarze Null“ bei Maybrit Illners Talk zum Thema „Abschwung, Jobs und Klimarettung – riskieren wir unseren Wohlstand?“, und in dieser Frage stand CDU-Mann Altmaier, zum zweiten Mal innerhalb einer Woche in einer Talkshow, erneut ganz alleine gegen die anderen Gäste. Die plädierten einhellig dafür, das krampfhafte Festhalten am Diktat, keine neuen Schuldern zu machen, endlich aufzugeben.

Robert Habeck fordert bei Maybrit Illner die Anwendung von EU-Richtlinien

Carolin Roth, Wirtschaftsjournalistin für den US-Sender CNBC, sagte jetzt sei die Gelegenheit doch günstig sich am Kapitalmarkt Geld zu holen. Robert Habeck,  Bundesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen, schlug vor, die EU-Richtlinie anzuwenden und eine Verschuldung von einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts oder 35 Milliarden Euro für dringend notwendige Investitionen zu nutzen.

Und selbst Unternehmer Karl Haeusgen, Vizepräsident des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) und grün-alternativer Gesinnung unverdächtig, fand, der Klimaschutz rechtfertige es, „für einige Jahre von der Schwarzen Null abzuweichen“. Altmaier blieb stur: Die Realitätsverweigerung der Regierenden ist schon erstaunlich.

Aus China wird bei Maybrit Illner ein Vorbild für Deutschland

Dabei wurde deutlich, dass der gesellschaftliche Wandel vor allem in den Bereichen Bildung und Digitalisierung nur mit Investitionen zu bewerkstelligen ist; so gebe die Bundesregierung gerade mal 500 Millionen Euro für Digitalisierung aus, erläuterte Habeck, während Städte in China 13 Milliarden Euro investierten. Dass Deutschland im Bereich Künstliche Intelligenz etwa hinterherhinkt, ist (außer im Kabinett womöglich) common sense. Dass aber Investitionen die Abkühlung der Konjunktur dämpfen könnten – und so auch dem Verlust von Arbeitsplätzen in den traditionellen Branchen wie der Automobilindustrie halbwegs begegnet werden kann, findet nicht nur der Grüne Habeck vernünftig.

„Hart aber fair“: Der zusehends auf Populismus setzende Frank Plasberg nahm sich ein besonders dankbares Opfer vor: die Deutsche Bahn.

Nina Treu, Mitbegründerin des „Konzeptwerk Neue Ökonomie“ und Aktivistin der Organisation „de-growth“, wies darauf hin, dass es einen „riesigen Nachholbedarf an Sorge-Arbeitsplätzen“ gebe. So radikal werden sich die meisten Kollegen von Mario Gutmann nicht umschulen lassen wollen, die jetzt noch bei Robert Bosch in Bamberg im Bereich Dieseltechnologie produzieren. Betriebsratsvorsitzender Gutmann  befürchtet: „Wir opfern unsere Schlüsseltechnologie notlos.“

Kritik bei Maybrit Illner: Paket der Bundesregierung als „Mogelpackung“

Das von der Bundesregierung präsentierte Paket sei eine „Mogelpackung“*. Das Setzen auf Elektrifizierung sei nicht „zielführend“, es brauche  Technologie-Offenheit. Man müsse den Weg des Klimaschutzes gehen, so Gutmann, aber „die stehen alle auf der Straße und demonstrieren, doch ich weiß gar nicht, wo die alle arbeiten wollen.“

Ausgangspunkt war eben diese Frage, durch einen Einspieler eingeführt: Was geschieht, wenn die befürchtete Rezession kommt, und die Konzerne wie jetzt angekündigt, massenhaft Arbeitsplätze abbauen? Minister Altmaier, von Amts wegen dem Euphemismus zugetan, wollte nur eine „leichte Delle“ sehen; Unternehmer Haeusgen rechnet mit zwei Prozent Minus-Wachstum, in diesem und dem kommenden Jahr. 

Robert Habeck: Die Wirtschaft selbst ist weiter als Friedrich Merz

Und während Aktivistin Treu unendliches Wachstum für unmöglich hält, beteuerte der Minister, Nullwachstum sei  mit Marktwirtschaft unvereinbar. Immerhin wollte er nicht so weit gehen, den Schwachsinn zu glauben, den sein Parteifreund Friedrich Merz abgesondert hatte. Der hatte als Motiv der Klimaschutzbewegung die „Zerstörung unserer marktwirtschaftlichen Ordnung“ vermutet. Die Wirtschaft selber sei auch schon weiter als die Bundesregierung, sagte Habeck und verwies auf VW. Man habe begriffen, dass man mit intensivem Verbrauch der Ressourcen irgendwann nicht mehr konkurrenzfähig sein könnte.

Die neue Talkshow der ARD*: Hier spricht Berlin

Habeck teilt zwar nicht Nina Treus Forderung nach einem radikalen Systemwandel, sieht aber die Gelegenheit, nun einen Schritt zu einer „fossilien-armen Infrastruktur“ zu machen. Auch Haeusgen kritisierte das Klimapaket als „zu kurz springend“; da müsse kräftig nachgebessert werden; es fehle eine angemessene CO2-Bepreisung, die er mit 110 Euro veranschlagen würde. 

Peter Altmaier räumt bei Maybrit Illner ein: „Ob wir schnell genug reduzieren, muss man sehen“

Altmaiers Antwort war der Hinweis auf „Rentner und Pendler“, doch musste der Minister einräumen: „Ob wir schnell genug reduzieren, muss man sehen“ – ein Eingeständnis, dass die Kritiker des Klimapakets so falsch nicht liegen. Das lässt auch Malu Dreyer (SPD) mit ihrer Aussage zu einem womöglich höheren CO2-Preis erkennen. Aber bevor die Christdemokraten sich auch noch von der Schwarzen Null verabschieden, geht wohl das sprichwörtliche Kamel durchs Nadelöhr...

Maybrit Illner, ZDF, von Donnerstag, 26. September, 22.15 Uhr, und im Netz.

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