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"Violette": Der Rausch bleibt aus

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Berlin - Martin Provost kann in seiner Filmbiografie die Lebensgeschichte der französischen Schriftstellerin Violette Leduc nicht ausschöpfen.

Das Thema könnte besser nicht sein. Zumindest für einen Autorenfilm. Violette Leduc (1907–1972) war eine außergewöhnliche Frau. Gerade in einer Zeit wie heute, in der das Bohémien-Leben nahezu ausgestorben scheint und die Menschen funktionieren wie die Rollen in einem Flaschenzug, muss das Leben der französischen Schriftstellerin wirken wie der Ausbruch einer Verrückten. Das war es freilich nicht. Dennoch liefert Leducs Biografie eine Steilvorlage für Dramatik außergewöhnlicher Art. Die Künstlerin war aufbrausend, sensibel, libidinös, sperrig und besaß ein ungewöhnliches Äußeres.

Zumindest Letzteres greift Martin Provost in seinem über zwei Stunden langen Filmporträt in vielen Bildern auf. Seine Hauptdarstellerin Emmanuelle Devos hat große Augen, eine große Nase und einen großen Mund. Ganz nah fährt die Kamera an ihr Gesicht. Allein durch ihr Mienenspiel gelingt es Devos, das Gesicht eines trotzigen Kindes herauszuarbeiten. Eines Kindes, das immer geliebt werden will – und selten wird. Mit minimalen Mitteln verleiht sie der Protagonistin ein Wesen, das wir so gar nicht aus dem Kino kennen. Eine Kindfrau ohne Lolitasyndrom. Eine Intellektuelle mit deftigen sexuellen Bedürfnissen und dem derben Stolz eines Fabrikarbeiters.

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Leider hat sich das Potenzial des Films hiermit erschöpft. Die Lebensgeschichte selbst schildert der Regisseur in einem solchen Schneckentempo, dass man trotz der guten Darsteller irgendwann genug hat. Dabei wäre es so einfach gewesen, den Zuschauer mit Violette in einen regelrechten Rausch hineinzustürzen. Ihre Gelüste gegenüber Männern und Frauen. Ihre rebellische Jugend. Ihre miese Ehe und das spannungsvolle Verhältnis zu Simone de Beauvoir, die Sandrine Kiberlain als wunderbar kontrollierten Gegensatz zur unaufgeräumten Hauptfigur anlegt. Die Armut, das Aufbegehren und schließlich der literarische Durchbruch als Göttin einer aufmüpfig-kämpferischen Frauenliteratur. Freilich greift die Handlung all diese Themen auf und gießt sie in teils entzückende Bilder. Doch die Zeit, die sich „Violette“ nimmt, ist dem rasenden Thema nicht angemessen. Und so wird aus einer Geschichte voller Leidenschaft schließlich ein ermüdendes Drama.

Katrin Hildebrand

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