"Zero Dark Thirty": Die Jagd auf Osama bin Laden

Berlin - Kathryn Bigelow erzählt in ihrem für fünf Oscars nominierten „Zero Dark Thirty“ von der Jagd auf Osama bin Laden. Ob sich der Kinobesuch lohnt, erfahren Sie in unserer Filmkritik.
Vor drei Jahren gewann Kathryn Bigelow mit ihrem Testosteronkracher „The Hurt Locker“ als erste Frau den Regie-Oscar. Nun meldet sie sich eindrucksvoll zurück: mit einem ebenso brillant inszenierten Polit-Drama über die zehnjährige Suche nach Osama bin Laden, erzählt aus der Sicht der CIA-Agentin Maya, die sich nach den Anschlägen vom 11. September einem Team von Spitzen-Spitzeln zum Aufspüren von Top-Terroristen anschließt. Sie kommt einem mysteriösen Kurier auf die Spur, von dem sie sich Hinweise auf bin Ladens Versteck erhofft. Es folgt eine zermürbende Schnitzeljagd zwischen Afghanistan, Saudi-Arabien und Pakistan, geprägt von Sackgassen, Fallen, Terrorakten, Todesfällen und anderen Rückschlägen – bis hin zur Tötung des Al-Qaida-Anführers im Jahr 2011.
Bigelow und ihr Drehbuchautor Mark Boal haben akribisch recherchiert und sich um größtmögliche Authentizität bemüht; die Inszenierung ist betont nüchtern, aber gerade deshalb umso erschütternder. Es gelingt der Regisseurin, über zwei Stunden eine bedrohliche Atmosphäre ständiger Anspannung zu halten. Die letzten 40 Minuten, die den finalen Zugriff auf bin Laden in einem pakistanischen Haus zeigen, sind pures Hochspannungskino: Niemand vermag Action derart gekonnt in Szene zu setzen wie Kathryn Bigelow. Dabei verzichtet sie auf alles Reißerische – es gibt kein Heldenpathos, keine Schlachtenmusik, kein Triumphgebrüll, kein Patriotengesülze, keine Jubel-Arien. Stattdessen zeigt Bigelow den Krieg als schmutziges Geschäft, als Teufelskreis aus Gewalt und Terror, in dem es keinerlei Platz für Moral gibt. Die Regisseurin verschweigt nichts, sie beschönigt nichts, sie kommentiert nichts – auch nicht die Tatsache, dass Folter ein selbstverständliches Instrument im US-Kampf gegen Terrorismus war. Das hat ihr massive Kritik von allen Seiten eingebracht: Die einen meinen, sie würde Nestbeschmutzung betreiben und die CIA-Methoden verteufeln; die anderen werfen ihr vor, sie rechtfertige Folterungen als effektives Mittel zur Aufklärung. Dass beide das Gegenteil der jeweils anderen Seite behaupten, zeigt schon die Absurdität der Anschuldigungen. In Wahrheit enthält sich Bigelow – wie einst Claude Chabrol in seinen besten Filmen (etwa „Eine Frauensache“) – jeglicher Wertung: Die muss jeder Zuschauer selbst leisten.
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Konsequenterweise buhlt auch die Hauptfigur niemals um die Sympathien des Publikums. Dabei ist Jessica Chastain – an der Seite von großartigen Nebendarstellern wie Jason Clarke (als abgebrühter Folter-Experte) oder James Gandolfini (als leicht verpeilter CIA-Boss) – der eigentliche Motor des Films. Die wandlungsfähige Aktrice („The Help“, „Tree of Life“) bereichert ihr faszinierendes Œuvre um eine weitere oscarreife Leistung. Sie zeichnet die ehrgeizige, nach außen hin taffe CIA-Agentin Maya, in deren Welt ein Liebesleben nicht vorgesehen ist, als eine von Erfolgsdruck, Obsession und Rachegefühlen getriebene Mischung aus Mönch und Maschine, aus Jeanne d’Arc und Don Quijote: besessen von ihrem Kreuzzug, unbeirrt in ihrem Kampf gegen Windmühlen, zwar angewidert von den Foltermaßnahmen der CIA, aber überzeugt davon, der Zweck heilige die Mittel. In der letzten, zum Nachdenken anregenden Szene des Films sehen wir sie nicht etwa im Freudentaumel, sondern einsam, zweifelnd und weinend. Ein grandioses Bild für die Stille nach dem Schuss.
von Marco Schmidt