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Coronavirus: Wieso sterben in Italien so viele Infizierte? Das sind die möglichen Erklärungen

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Coronavirus: Italien gilt als Zentrum der Corona-Krise. In Deutschland sind noch keine Zahlen in dieser Dimension bekannt. Doch woran liegt das?

München - Italien ist zum Zentrum der Corona-Krise geworden. Bisher starben über 11.500 Menschen an den Folgen des Coronavirus, mehr als im bevölkerungsreicheren Ursprungsland China. Die Todesrate in Italien liegt bei erschreckenden 11,5 Prozent. In Deutschland wiederum vermeldeten die Behörden bislang mit 645 Toten vergleichsweise wenige Todesfälle, die Rate liegt hier etwa bei 0,9 Prozent. Doch weshalb sind die Sterberaten der beiden Länder trotz geografischer Nähe so unterschiedlich?

Coronavirus in Italien und Deutschland: Wo liegt der Unterschied zwischen den Sterberaten?

Das größte Problem ist die regelrechte Überfüllung der italienischen Krankenhäuser, besonders die nördlicheren Regionen des Landes sind nach wie vor betroffen. Die Kapazitäten der medizinischen Einrichtungen sind an vielen Stellen völlig überlastet. So weit, dass Ärzte bereits entscheiden müssen, wer überlebt und wer nicht. In Cremona, einer Stadt mitten in der norditalienischen Krisenregion Lombardei, werden die betroffenen Patienten in Zelten behandelt, hier wird bereits je nach Schweregrad der Erkrankung* entschieden, wer überhaupt behandelt wird. 

Die exponentiell steigende Anzahl der Erkrankten macht es in Italien unmöglich, das Virus zu kontrollieren und eine Behandlung aller Patienten zu gewährleisten. Auf 100.000 Einwohner kommen in Italien nach Recherchen der ARD lediglich 8,4 Intensivbetten, während in Deutschland 33,9 Betten für 100.000 Personen zur Verfügung stehen. Die Todesopfer sind in Italien nach wie vor ältere Menschen oder Menschen mit Vorerkrankungen, die an den Folgen von Covid-19 sterben. Doch auch jüngere Menschen erkranken teilweise schnell. 

Italienische Friedhöfe sind infolgedessen ausgelastet, Trauerfeiern werden größtenteils abgesagt. Die Krematorien arbeiten ohne Pause, in Bergamo half das Militär bei der Bestattung der Todesopfer.

Corona-Todesrate in Italien: Auch das Alter der Infizierten spielt eine Rolle

Laut dem Virologen Christian Drosten sind in Deutschland die Patienten im Durchschnitt weitaus jünger als in Italien. Das Durchschnittsalter in Deutschland liegt bei 48 Jahren. Viele waren im Skiurlaub in Tirol, steckten dann weitere Menschen in ihrer Altersgruppe auf der Arbeit oder im Freundeskreis an. In Italien liegt das Alter über 63 Jahre. Fast 80 Prozent der Infizierten sollen siebzig Jahre oder älter sein. 

Italiens Bevölkerung ist sowieso im Vergleich zur gesamten EU überdurchschnittlich alt. Hinzu kommt: In Italien wohnen jüngere und ältere Generationen häufig zusammen unter einem Dach, was das Infektionsrisiko der Älteren erhöht.

Coronavirus in Italien: Wieso Deutschland bald einen Anstieg der Todeszahlen erwarten könnte 

Wie tagesschau.de berichtet, könnte eine Erklärung für den Unterschied der beiden Länder auch die Häufigkeit der Tests sein. In Deutschland werden mehr Tests durchgeführt (bis zu 160.000 pro Woche), weshalb mehr Infektionen früher entdeckt werden, in Italien wurden bis zum 18. März 165.00 Tests durchgeführt, 90.000 davon alleine in der zweiten März-Woche. Experten meinen zudem, dass sich das Virus bereits länger in Italien unbemerkt ausgebreitet haben kann, was eine hohe Dunkelziffer bedeuten würde. Laut einer Lancet-Studie sollen bei Todesfällen 18,5 Tage zuvor erste Symptome aufgetreten sein.

Dies könnte für Deutschland wiederum bedeuten, dass die Zahl der Todesfälle ansteigen könnte, da sich das Coronavirus erst seit rund vier Wochen ausbreitet. Krankenhäuser in Deutschland müssen sich ebenso umstellen, um Kapazitäten für erkrankte Personen zu schaffen. So werden laut dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder „Operationen, die nicht notwendig sind, nach hinten geschoben werden.“

Coronavirus: Experte der Charité erklärt die Zahlen in Deutschland - „Sind vorne dran“

Prof. Dr. Christian Drosten, Direktor des Instituts für Virologie an der Charité in Berlin, erklärte vor wenigen Tagen bei einer Bundespressekonferenz, inwiefern Deutschland einen Vorteil zu anderen Nationen besitzt. „Wir sind hier in Deutschland vorne dran, was die Diagnostik und den Nachweis angeht“, so der Virologe. Vor allem die vielen Labore in Deutschland, die sich gegenseitig unterstützen, führt Prof. Dr. Drosten als den Hauptgrund für die geringen Todeszahlen an. Dabei führt der Experte insbesondere den Austausch untereinander sowie der Verzicht auf Exklusivität von Tests oder Informationen an. „Das hat in anderen Ländern viel verlangsamt. Wir haben einen guten und aktiven Laborbereich.“ 

Auch die Kombination der hohen Fall- und niedrigen Todeszahlen in Deutschland erklärt Prof. Dr. Drosten ähnlich. In anderen Ländern hat „nicht die Labordiagnostik die Erkenntnis getrieben“. Viel mehr hat „die Erkenntnis von Todesfällen die Labordiagnostik gestartet.“ Der Virologe spricht von einem „großen systemischen Unterschied“, der diese Zahlen erklärt.

Indes wurde eine Live-Predigt eines italienischen Pfarrers zum Internet-Hit. Ein Video zeigt das ungewollte Detail, wie tz.de berichtete.

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