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Bundestag beschließt Abschaffung der bundesweiten Corona-Auflagen

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Von: Sebastian Reichert

Karl Lauterbach (SPD), Bundesgesundheitsminister, spricht bei einer Pressekonferenz. (Symbolbild)
Der Bundestag hat die Abschaffung der bundesweiten Corona-Auflagen beschlossen - trotz steigender Infektionszahlen. © Christophe Gateau/dpa

Der Bundestag hat die Abschaffung der bundesweiten Corona-Auflagen beschlossen. Welche Regeln gelten jetzt ab dem 20. März? Welche Kritik gibt es von den Ländern? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Update vom 21. März 2022, 13.35 Uhr: Der Bundesrat ließ das neue Infektionsschutzgesetz unter breitem Protest passieren, das der Bundestag kurz zuvor beschlossen hatte. Eine Abstimmung im Bundesrat gab es nicht, die Länderkammer verzichtete nur darauf, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Ein Vermittlungsverfahren hätte auch bedeutet, dass ab Sonntag vorerst keine Rechtsbasis mehr bestanden hätte.

Im Bundesrat am Freitag rechneten allerdings alle Redner scharf mit dem Vorgehen der Bundesregierung ab. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) beklagte: „Das Verfahren ist unsäglich und schlichtweg unwürdig.“ Es habe keine Abstimmung mit den Ländern gegeben (siehe dazu auch Frage 8 unten in diesem Artikel: Was wird an den neuen Corona-Regeln kritisiert?).

Corona: Bundestag beschließt unter Protest der Länder Abschaffung bundesweiter Auflagen

Die Regelungen seien rechtlich nicht sicher und für ein Flächenland praktisch nicht umsetzbar. Die Gesundheitsversorgung orientiere sich nicht an einer Gebietskörperschaft wie einer Stadt oder einem Stadtteil, sondern es gebe große Kliniken, die ganze Regionen versorgten. Zudem seien Kriterien wie etwa eine steigende Inzidenz nicht geklärt.

Thüringens Regierungschef Bodo Ramelow (Linke) monierte: „Was mache ich in einem Bundesland, in dem die Kliniken alle spezialisiert sind und es die klassische Einzelklinik in einem Landkreis A, B oder C gar nicht gibt?“ Mit Blick auf künftig nötige Landtagsbeschlüsse für Hotspot-Regelungen verwies er darauf, dass er in seinem Parlament bekanntlich keine eigene Mehrheit habe. Zudem müsse er Vorlagen dazu auf unklaren Rechtsbegriffen des Bundes gründen.

Update vom 18. März, 12.46 Uhr: Ungeachtet hoher Infektionszahlen hat der Bundestag ein geändertes Infektionsschutzgesetz mit dem Wegfall der meisten bundesweiten Corona-Schutzregeln beschlossen. In namentlicher Abstimmung votierten am Freitag 388 Abgeordnete für die Pläne der Ampelkoalition, 277 lehnten sie ab, 2 enthielten sich. Nach einem heftigen Schlagabtausch hatten in zweiter Lesung SPD, FDP und Grüne dafür gestimmt - alle anderen dagegen. Mit den Neuregelungen sollte sich noch direkt am Nachmittag abschließend auch der Bundesrat befassen.

Corona: Bundestag beschließt die Abschaffung bundesweiter Auflagen

Ab Sonntag soll es nur noch wenige allgemeine Vorgaben zu Masken und Tests in Einrichtungen für gefährdete Gruppen geben. In Bussen und Bahnen soll weiterhin Maskenpflicht gelten können. Für regionale sogenannte Hotspots kann es weitergehende Beschränkungen geben, wenn das Landesparlament für diese eine besonders kritische Corona-Lage feststellt. Die Bundesländer wollen aber noch eine bis maximal 2. April eingeräumte Übergangsfrist nutzen und jeweils aktuell geltende Schutzregeln zumindest teilweise aufrechterhalten.

Erstmeldung vom 11. März 2022: Berlin - Nach einem am Mittwoch (9. März 2022) bekannt gewordenen Entwurf von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Justizminister Marco Buschmann (FDP) sollen über den Frühlingsbeginn hinaus trotz umfassender Corona-Lockerungen (keine generelle Maskenpflicht in Geschäften oder bei Veranstaltungen mehr, keine generellen 2G- oder 3G-Regeln mehr) weiter Masken- und Testpflichten als Basismaßnahmen greifen. In „Hotspots“ mit kritischerer Lage sollen noch umfassendere Schutzmaßnahmen möglich sein.

1. Warum werden die neuen Corona-Regeln notwendig? Am 19. März 2022 läuft das Infektionsschutzgesetz in seiner bisherigen Fassung aus. Die „getroffenen Anordnungen müssen spätestens mit Ablauf des 19. März 2022 aufgehoben werden.“, heißt es darin. Der Deutsche Bundestag hätte allerdings beschließen können, einmalig die Fristen um bis zu drei Monate zu verlängern.

Diese Corona-Regeln sollen ab dem 20. März 2022 gelten - der Lauterbach-Buschmann-Plan

2. Welches Ziel haben die Änderungen im Infektionsschutzgesetz? Dazu schreibt das Gesundheitsministerium: „Das Infektionsschutzgesetz soll es den Bundesländern weiterhin ermöglichen, bei wieder steigenden Infektionszahlen schnell allgemeine Schutzmaßnahmen im Umfeld vulnerabler Gruppen und bei hohen Infektionsrisiken zusätzliche Maßnahmen in Corona-Hotspots umzusetzen.“

3. Was ist neu an dem neuen Infektionsschutzgesetz? Bundesminister Karl Lauterbach gibt mit der neuen Rechtsgrundlage die Macht über neue Corona-Maßnahmen weitgehend an die Länder ab. Die Anordnung der Schutzmaßnahmen liegt laut dem Entwurf bei den Ländern. Welche Corona-Maßnahmen also künftig ergriffen werden, wird vor allem auch davon abhängen, wie die jeweilige Landesregierung auf die Pandemie blickt. (Lesen Sie hier: Corona in Hessen: Maskenpflicht während des Unterrichts an Schulen weggefallen)

4. Was beinhaltet die neue Fassung des Infektionsschutzgesetzes? Nach einem von Bund und Ländern beschlossenen Lockerungsplan sollen zum Frühlingsbeginn am 20. März 2022 alle tiefgreifenderen Beschränkungen wegfallen, wenn die Lage in den Kliniken es zulässt. Mit den neuen Regelungen würde ein „Basisschutz“ bestehen bleiben. Mit einer „Hotspot“-Regel soll zudem auf regionale Ausbrüche schnell reagieren werden können. 2G- oder 3G-Regeln sind nur noch in Hotspot-Regionen möglich.

5. Was besagt der Basisschutz? Die Landesregierungen können (unabhängig von der „Hotspot“-Regelung) vor allem die allgemeinen Schutzmaßnahmen Maskenpflicht und Testen in Bereichen, in denen vulnerable Gruppen leben oder behandelt werden, anordnen. Auch im Öffentlichen Nahverkehr kann bei hohem Infektionsrisiko eine Maskenpflicht verlangt werden. In Pflegeeinrichtungen, Krankenhäusern und ähnlichen Einrichtungen sowie in Schulen sind zudem Testpflichten möglich. Bundesweit soll außerdem weiter die Maskenpflicht in Fernzügen und Flugzeugen verankert werden (bisher 3G).

Corona-Infektionsschutzgesetz: Hotspot-Gefahrenlage nicht mit Grenzwerten definiert

6. Was ist unter der „Hotspot“-Regel zu verstehen? Wenn sich regional eine Corona-Lage zuspitzt, sollen schärfere Auflagen verhängt werden können - unter der Voraussetzung, dass das Landesparlament es beschließt und dafür die „konkrete Gefahr einer sich dynamisch ausbreitenden Infektionslage“ feststellt. In einer „konkret zu benennenden Gebietskörperschaft“ (Stadtteile, Städte, Regionen oder Bundesländer) sollen dann extra Maßnahmen erlassen werden können: Maskenpflichten, Abstandsgebote, Hygienekonzepte sowie 2G- oder 3G-Regeln.

7. Wann würde die „Hotspot“-Regelung in Kraft gesetzt werden? Der Entwurf nennt zwei generelle Kriterien, die eine „Hotspot“-Gefahrenlage begründen: Dass eine deutlich gefährlichere Virusvariante kursiert oder dass wegen vieler Neuinfektionen eine Überlastung der Krankenhauskapazitäten in der jeweiligen Region droht. Der Entwurf nennt allerdings keine Grenzwerte (Inzidenz, Krankenhausbelegung), mit deren Überschreitung die Hotspot-Regelung automatisch in Kraft gesetzt wird. Die Definition der Gefährdungslage liegt also bei den Ländern.

8. Was wird an den neuen Corona-Regeln kritisiert? Kritik gibt es vor allem an der ab dem 20. März ohne Beschlüsse der Landesparlamente dann wohl nicht mehr bestehenden Maskenpflicht im Einzelhandel und anderen Innenräumen, wo sich viele Menschen aufhalten können. Damit werde der Instrumentenkasten für die Eindämmung der Pandemie unnötig beschränkt, heißt es. Am Ziel einer allgemeinen Impfpflicht hält die Bundesregierung indes fest.

Die Bundesländer kritisieren, dass mit dem neuen Gesetz die zwei Jahre andauernde Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern quasi einfach vom Bund beendet und der Schwarze Peter den Ländern übergeben werde. Eine gute, vertrauensvolle Zusammenarbeit stelle er sich anderes vor, monierte beispielsweise Baden-Württembergs Regierungschef Winfried Kretschmann (Grüne). Volker Bouffier (CDU), Landeschef in Hessen, äußerte sich ähnlich.

Konkret stören sich die Länder daran, dass der Bund beinahe in allen Bereichen des Alltags die Maskenpflicht abschaffen will, die Hürden für die Einführung der sogenannten Hotspot-Regelung halten sie in der Praxis für kaum umsetzbar. „Bayern hat 1400 Kilometer Außengrenze und soll den Landtag bei jedem einzelnen Hotspot-Landkreis einbinden“, sagte der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU).

Video: Neues Infektionsschutzgesetz - hier soll die Maskenpflicht fallen

Niedersachsens Landeschef Stephan Weil monierte außerdem, dass die Begrifflichkeit der „konkreten Gefahr“ für strengere Infektionsschutzmaßnahmen nur sei schwer belegbar sei: „Ich halte es für ausgeschlossen, dass wir auf so einer Grundlage in den Herbst hineingehen können“, sagte er. „Die Pandemie ist eben nicht vorbei. Das ist kein guter Weg, der hier eingeschlagen wird.“

9. Wie geht es mit dem neuen Infektionsschutz weiter? Am Donnerstag (10. März 2022) begannen die Gespräche über den Entwurf in den Bundestagsfraktionen. Am Freitag dieser Woche, also am 18. März 2022, könne das künftige Infektionsschutzgesetz dann voraussichtlich im Deutschen Bundestag beschlossen und in den Bundesrat eingebracht werden, erklärte Minister Lauterbach.

10. Ab wann und wie lange gelten die neuen Corona-Regelungen? Sie sollen bis zum 23. September 2022 gelten. Sollte eine „Herbstwelle“ drohen, könnte der Deutsche Bundestag dann Nachfolgeregelungen beschließen, erklärte Karl Lauterbach. Die bis 19. März 2022 geltenden Regeln sollen dem Minister zufolge gemäß einem April übergangsweise allerdings noch (maximal) bis zum 2. April in Kraft bleiben, damit die Länder Zeit haben, die rechtlichen Grundlagen an die neue Regelung anzupassen. Zahlreiche Länder wollen die Übergangsfrist nutzen und aktuell geltende Schutzregeln bis zum 2. April aufrechterhalten.

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