Drosten wagt „steile These“ um Reiserückkehrer: Radikaler Vorschlag um Lockdown zu verhindern
„Das Coronavirus-Update“: Der Virologe Christian Drosten kehrt nach einer Sommerpause - mit Verstärkung - im NDR-Podcast zurück. In Folge 54 holt er zum Rundumschlag aus - und macht einen radikalen Vorschlag.
- Prof. Dr. Christian Drosten ging nun zwei Monate lang nicht mehr im NRD-Podcast „Das Coronavirus-Update“ auf Sendung. Der bekannte Virologe ist nun wieder regelmäßiger Gesprächsgast des Podcasts.
- Es gibt eine Neuerung: Drosten wechselt sich in Zukunft mit einer weiteren, bekannten deutschen Virologin ab.
- Der Chefvirologe holt in seiner ersten Folge nach der Sommerpause zum Rundumschlag aus - und wagt zudem eine „steile These".
Update vom 2. September 2020, 10:08 Uhr: Hätten die USA zu Beginn der Coronavirus-Pandemie so gehandelt wie Deutschland, wären 70 Prozent der Toten heute noch am Leben. Es ist eine bittere These aus einer aktuellen Studie, mit der Moderatorin Korinna Hennig die aktuelle Folge des beliebten Podcasts „Das Coronavirus-Update“ beginnt.
Nach seiner zweimonatigen Sommerpause war Virologe Christian Drosten nun wieder ihr Gast. Für den Chefvirologen der Berliner Charité bedeutete die „Pause“ vom Podcast keineswegs „Ferien“ - für Drosten war es eine „arbeitsreicher Sommer“, wie er berichtet. Er habe nicht nur Grundlagenforschung betrieben, sondern mit seinem Team auch zwei neue Studien auf den Weg gebracht.
Im Podcast bringt Drosten die Hörer mit einem Rundumschlag auf den aktuellen Stand der Dinge. Er meldet sich mit einer „XXL-Folge“ zurück, die eine Stunde und 45 Minuten lang ist. Im Gespräch mit Hennig ging es um Masken, Aerosole, Immunität, Virusstämme und eine neue Teststrategie - also die ganze Themenpalette, die die Coronavirus-Pandemie derzeit bietet. Alles, was den Sommer über „passiert“ sei, sei für ihn als Wissenschaftler zu keiner Zeit „überraschend“ gewesen.
Drosten ermahnt erneut: Maske und Abstandhalten helfen am effektivsten
Tausende Masken-Verweigerer demonstrierten die letzten Wochen in ganz Deutschland gegen die Maskenpflicht* - und gegen Drosten selbst. Nicht selten befindet sich sein Gesicht auf den Plakaten der Anti-Masken-Demonstranten. So nutzt der Virologe den Podcast erneut, um zu erklären, wie wichtig die Masken sind*. Nach aktuellem Forschungsstand sei anzunehmen, dass die Maske zum Fremdschutz - in Teilen sogar zum Eigenschutz - effizienter als zunächst angenommen sei.

Während die Maske vor allem die grobe, „feuchte Aussprache“, die eine Tröpfcheninfektion begünstigt*, auffange, sei das Aerosol „so fein, dass sie sich nicht im Stoff einer schlecht sitzenden Maske fängt", so Drosten - vielmehr atme man sie dann an der Maske vorbei ein. Drosten erklärt das Phänomen am Beispiel des Zigarettenrauchs, der sich erst nur um den Raucher herum befinde, nach einer Stunde die Luft in einem geschlossenen Raum aber blau einfärbe. Aerosolluft sei in etwa wie Mundgeruch, beschreibt Drosten anschaulich, sitze man jemanden direkt gegenüber, könne man ihn riechen - wenn er und man selbst jedoch eine Maske tragen würden, sei es um ein Vielfaches besser.
Treffe man also beispielsweise im Supermarkt auf einen Infizierten, habe dieser die „hohe lokale Konzentration des Virus, welche hoch infektiös ist“ direkt um ihn herum und größtenteils innerhalb seiner Maske. Die Quintessenz aus Drostens Ausführungen lautet also erneut: Trägt jeder Maske, kann die Ansteckungsgefahr, die sich nicht nur durch Tröpfchen, sondern vor allem auch durch Aerosole ergibt, mit einfachen Mitteln effektiv vermindert* werden.
Drosten wagt „steile These“: Quarantäne nur 5 statt 14 Tage lang?
Nachdem Drosten zu Beginn angemerkt hatte, dass sich über die Sommerzeit keine neuen Erkenntnisse zum Coronavirus ergeben hätten, wagt der Virologe dennoch einen radikalen Vorschlag: Seiner Ansicht nach könne die Quarantänezeit, etwa von Reiserückkehrern aus Risikogebieten von 14 auf nur fünf Tage verkürzt werden. „Das ist schon, sagen wir mal eine steile These, dass man sagt, nach fünf Tagen ist eigentlich die Infektiosität vorbei*“, gibt er im Podcast zu.
Dennoch denkt der Wissenschaftler praktisch: „Was kann man denn in der Realität machen, damit man nicht einen De-Facto-Lockdown hat?“ Es nütze schließlich nichts, wenn etwa alle möglichen Schulklassen oder Arbeitsstätten unter wochenlanger Quarantäne stünden, so Drosten. Daher schlägt der Virologe sogar vor, die fünf Tage nicht mit Tests zu „verschwenden“, sondern erst nach Ablauf dieser Quarantänezeit zu testen, ob die Betroffenen infiziert gewesen* oder noch infektiös seien.
Video: Zweitinfektionen in Österreich - Impfung müsste offenbar nicht jährlich erneuert werden
Coronavirus: Immunität nach Erkrankung?
Zudem nimmt der Virologe im Podcast vielen Menschen die Angst: Eine Zweitinfektion eines Patienten, der bereits am Coronavirus erkrankt war, hält Drosten „nicht für medizinische Normalität“. Ein Mann in Hongkong soll sich zwar zum zweiten Mal infiziert haben, solche Fälle würden, laut dem Virologen, aber nur ein bis etwa fünf Prozent der Infektionen ausmachen - für die gegenwärtige Situation, für die Gefährlichkeit und die Ausdehnung der aktuellen Coronavirus-Pandemie* seien diese also nicht von großer Relevanz.
Drosten zeigt sich also „zuversichtlich“, dass Menschen, die eine Covid-19-Infektion überstanden hätten, vor einer erneuten Erkrankung geschützt seien - zumindest für den Zeitraum der gegenwärtigen Pandemie, deren Ende der Experte vage auf das Ende des Jahres 2021 schätzt. In absoluten Ausnahmefällen könnte es bei erneutem Kontakt mit dem Virus zu einer neuen, oberflächlichen Infektion kommen, eine schwere Lungenerkrankung dürfte daraus aber nicht mehr entstehen. Ebenso dürften daraus aufgrund der nurmehr geringen Viruskonzentration auch keine Infektionsketten mehr resultieren.
Drostens Comeback: Einschneidende Änderung im Coronavirus-Podcast des NRD
Ursprungsartikel vom 1. September 2020, 13.32 Uhr: Die wohlverdiente Sommerpause ist vorbei: Der Virologe Dr. Christian Drosten kehrt an diesem Dienstag im Podcast „Das Coronovirus-Update“ in den NDR zurück. Die Coronavirus-Pandemie* hat über die Sommermonate nie wirklich pausiert, nimmt aber jetzt zum Herbst hin an Fahrt auf: steigende Infektionszahlen, die Wiederaufnahme des Schulbetriebs mit Maskenpflicht, sowie einheitliche Regelungen für Reiserückkehrer sind nur einige der Themen, über die Politiker auf Länder- und Bundesebene derzeit verhandeln müssen. Die Angst vor einer „zweiten Welle" und einem möglichen zweiten Lockdown sind bei allen Beteiligten groß.
„Coronavirus-Update“: NDR setzt beliebten Wissenschaftspodcast fort
Während Prof. Dr. Drosten, Chefvirologe der Berliner Charité, in die Sommerpause ging, setzte der Norddeutsche Rundfunk den beliebten Podcast fort, um die Bevölkerung weiterhin über die Coronavirus-Pandemie auf dem Laufenden zu halten. In einer Sondersendung war Prof. Sandra Ciesek zu Gast - sie arbeitet als Virologin und Internistin am Institut für Medizinische Virologie am Universitätsklinikum in Frankfurt am Main und ist Professorin für Medizinische Virologie an der Goethe-Universität. Der NDR holt sie jetzt als Expertin fest mit an Bord - in Zukunft wechseln sich Drosten und Ciesek im Gespräch mit der Wissenschaftsredakteurin Korinna Hennig wochenweise ab.
Laut Adrian Feuerbacher, Chefredakteur des NDR-Hörfunks sowie Programmchef von NDR Info, sei Sandra Ciesek nicht nur eine exzellente Expertin in Sachen Coronavirus. Die Ärztin kenne auch die Patienten-Perspektive sehr gut und könne daher bei den vielen Fragen der Podcast-Hörer eine sehr gute Ratgeberin sein. Ciesek arbeitete mehrere Jahre praktisch als Internistin, bevor sie in die Forschung ging, wo sie nun vor allem den Erreger von Covid-19 erforscht. Im Februar 2020 hat sie mit ihrem Team unter anderem nachgewiesen, dass auch symptomfreie Personen Träger und somit Überträger des Coronavirus sein können. Derzeit forscht die Virologin beispielsweise an Medikamenten gegen Covid-19 sowie an geeigneten Teststrategien.
NDR-Podcast: Virologin Prof. Sandra Ciesek neu an Bord
Ciesek möchte im Podcast die Brücke zwischen Praxis und Forschung schlagen und so dem Hörer ein besseres Verständnis rund um Sars-CoV-2 verschaffen. Die in Glosar geborene Professorin wird am 8. September wieder im „Coronavirus-Update" zu hören sein - am Dienstag (1. September) geht Dr. Christian Drosten nach seiner zweimonatigen Sommerpause erneut auf Sendung. Der Podcast wird künftig dienstags bis 15 Uhr auf NDR Info veröffentlicht.
Drosten, einer der führenden Virologen in der Coronavirus-Forschung weltweit, möchte zwar nach wie vor die Podcast-Hörer mit Wissen rund um das Virus versorgen, versucht jedoch die Arbeitsbelastung, die für ihn zusätzlich zur eigentlichen Tätigkeit als Forscher anfällt, etwas zu verringern: „Für mich war es einfach ein Wunsch, das in geringerer Frequenz zu machen. Es ist aber auch gut für den Podcast, wenn ein zusätzlicher Aspekt dabei ist“, erklärte Drosten gegenüber dem NDR. Ciesek bedeute vor allem auch einen Mehrwert für die Sendung, insofern sie ganz anders „aufgestellt" wäre als er selbst. Während Drosten Grundlagenforschung betreibt, arbeitet Ciesek stärker in Richtung klinischer Beobachtung und virologischer Studien.
Für Drosten ist ein völliger Ausstieg aus dem Podcast-Projekt jedoch nicht denkbar - auch er selbst ist, trotz seiner zusätzlichen Verpflichtung, Fan des Formats - zumal es sich auf wissenschaftliche Aspekte fokussiert und damit auch Leuten, die „einfach etwas mehr wissen wollen“ eine Orientierung zum Stand der Coronavirus-Pandemie gibt. Und die Nachfrage für den NDR-Podcast ist auch nach einem halben Jahr „Leben mit Virus“ ungebrochen. Mehr als 60 Millionen Abrufe zeigen, dass das Interesse an jenem differenzierten Themenbereich nach wie vor nicht abflaut. Das „Coronavirus-Update“ wurde bereits mit zwei Grimme Online Awards, sowie dem Preis der Bundespressekonferenz ausgezeichnet und gehört schon jetzt zu den erfolgreichsten Podcasts des Jahres 2020. (cos) *Merkur.de und tz.de sind Teil des Ippen-Digital-Netzwerks.