Knall auf Merkels Corona-Gipfel: Ministerpräsident stellt sich gegen Kanzlerin - „Du bist doch der deutschen Sprache mächtig“
In Berlin ringen Bund und Länder um eine gemeinsame Linie bei Corona-Maßnahmen. Von Harmonie sind Kanzlerin Merkel und die Ministerpräsidenten aber weit entfernt.
- In Berlin beraten Kanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten über die Corona-Krise.
- Dabei sollen gemeinsame Regeln beschlossen und die Strategie im Kampf gegen das Coronavirus abgestimmt werden.
- Doch hinter den Kulissen kracht es offenbar gewaltig.
Update vom 27. August, 17.54: Am Ende blieb Reiner Haseloff (CDU) hart. Das von ihm regierte Sachsen-Anhalt wird sich nicht am bundesweiten Mindestbußgeld von 50 Euro für Maskenverweigerer beteiligen. Eine Entscheidung, die hohe Wellen schlug (siehe vorheriges Update). Dabei pikant: Während sich sämtliche Ministerpräsidenten erst nach dem Corona-Gipfeltrio um Angela Merkel (CDU), Markus Söder (CSU) und Peter Tschentscher (SPD) zu Wort meldeten, ergriff Haseloff bereits zuvor auf einer PK in Magdeburg Partei.
Dabei sagte der CDU-Politiker, es müsse eine vernünftige Kombination von einheitlichen Bundesregelungen und regional unterschiedlichem Vorgehen geben. Das gelte vor allem im Sinne der Verhältnismäßigkeit bei örtlich ungleichem Infektionsgeschehen.
Sachsen-Anhalt will zudem an seinen Plänen festhalten, zeitnah wieder Großveranstaltungen mit mehr als 1000 Teilnehmern zu erlauben. Entscheidend sei, dass es ein gutes Hygienekonzept gebe, das von den zuständigen Gesundheitsämtern genehmigt sei. Messen könnten somit stattfinden, Weihnachts- und Adventsmärkte geplant werden, zählte Haseloff auf. Auch größere Kultur- und Sportveranstaltungen mit guten Hygienekonzepten seien möglich. Beim bundesweiten Profisport komme es darauf an, was die zuständigen Dachverbände entschieden.
„Das Gerechtigkeitsempfinden der Menschen ist sehr stark in Mitleidenschaft gezogen worden.“
Sachsen-Anhalt hat im bundesweiten Vergleich sehr wenige Infektionsfälle. Nur Mecklenburg-Vorpommern hat laut Lagebericht des Robert-Koch-Instituts weniger Corona-Fälle auf 100.000 Einwohner (62 zu 100): „Unser Weg war bisher der zielführendste. Das kann morgen anders sein, und dann werden wir morgen anders agieren.“
Hinter der Weigerung, sich dem Konsens der Länder anzuschließen, scheint Kalkül zu stecken. Es geht auch darum, die Sympathien der Bevölkerung zu wahren, wie Haseloff selbst indirekt andeutete: „Das Gerechtigkeitsempfinden der Menschen ist sehr stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Die Menschen müssen uns politisch weiter folgen, und das müssen wir sicherstellen.“ Notfalls durch Alleingänge.

Corona-Gipfel in Berlin: Merkel versus Haseloff - „es war nervig - so nervig wie lange nicht“
Upddate vom 27. August 16.01 Uhr: Die Stimmung beim virtuellen Corona-Gipfel von Kanzlerin Angela Merkel und den Ministerpräsidenten der Bundesländer war angespannt. Mit Sachsen-Anhalts Landeschef Reiner Haseloff lieferte sich Merkel einen verbalen Schlagabtausch nach dessen Veto beim Thema Bußgeld für Maskenverweigerer.
So schilderte ein nicht genannter Teilnehmer der Debatte um eine gemeinsame Strategie im Kampf gegen das Coronavirus das Miteinander der Politiker gegenüber Bild als ziemlich anstrengende Veranstaltung. „Es war nervig - so nervig wie lange nicht!“, wird dieser zitiert.
Erstmeldung vom 27. August: Berlin - Im Kampf gegen das Coronavirus* zogen Bund und Länder selten an einem Strang. Am Donnerstag kommen erstmals seit Juni wieder alle Ministerpräsidenten in einer Videoschalte gemeinsam zusammen. Dort beraten sich die Länderchefs mit Bundeskanzlerin Angela Merkel* (CDU*) über eine gemeinsame Neuausrichtung der Corona-Strategie – doch die Fronten scheinen verhärtet.
Merkel plant angesichts wieder gestiegener Zahlen der Corona-Neuinfektionen vorerst keine weiteren Lockerungen zu beschließen und zudem eine Vereinheitlichung mehrerer Corona-Regeln in Angriff zu nehmen. Schon vor Beginn des Treffens hatte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder* (CSU*) im ZDF-„Morgenmagazin“ seine Kritik an der Bundesregierung erneuert. „So richtig durchdacht, scheint das nicht zu sein“, sagte Söder hinsichtlich der Test-Regeln für Reisende und forderte ein besseres Krisenmanagement. „Es wär mal gut, wenn wir versuchen, jetzt ein langfristiges Management zu entwickeln.“
Merkels Corona-Gipfel mit Länderchefs: Kritische Stimmen zum Kurs der Kanzlerin
Auch die hessische Landesregierung fürchtet im Hinblick auf die mögliche fünftägige Quarantäne-Pflicht einen Schock für die Reisewirtschaft. Bayern und Hessen stehen mit ihrem Widerstand gegen die Pläne der Bundesregierung offenbar nicht alleine da – die Bild zitierte einen hochrangigen Ministeriumsmitarbeiter aus einem weiteren Bundesland, der große Zweifel an der Umsetzbarkeit der Rückkehrer-Quarantäne hat. Vor allem die Nachverfolgung mithilfe der sogenannten „Aussteigerkarten“ gestalte sich schwierig: „Auf jeder fünften Karte steht Micky Maus oder Donald Duck. Die können wir nicht nachverfolgen!“
Laut ersten Informationen von dpa soll Merkel beim Corona-Videotreffen von Kanzlerin und Ministerpräsidenten einen Appell an die Landeschefs gerichtet haben. Die Bundeskanzlerin hält ein Signal der einheitlichen Maßstäbe in ganz Deutschland für dringend notwendig. Sie hoffte, Bund und Länder angesichts der gestiegenen Zahl der Corona-Infektionen* zu einem abgestimmten und regional angepassten Handeln bewegen zu können. Merkel rief die Länder trotz unterschiedlicher Infektionslage zu einheitlichen Maßstäben bei der Bekämpfung auf.
Allerdings scheint ein Tagespunkt besonders heftigen Streit hervorzurufen. Die Frage nach einer einheitlichen Höchst-Teilnehmergrenze für Privatfeiern soll laut einem Bericht von Bild.de vor allem in den neuen Bundesländern auf Widerstand zu stoßen. „Eine bundesweit einheitliche Begrenzung der Personenzahl wird es mit uns nicht geben“, soll einer der Ost-Regierungschefs gesagt haben. „Das ist und bleibt Ländersache, solange die Infektionszahlen je nach Region so unterschiedlich sind.“
Kanzlerin Merkel zu Haselhoff: „Du bist doch der deutschen Sprache mächtig“
Laut Bild muss Merkel auch in den eigenen Reihen Überzeugungsarbeit leisten. Sachsen-Anhalt verweigerte sich als einziges Bundesland einem bundesweiten Bußgeld von 50 Euro für Maskenverweigerer, dem wohl 15 der 16 Länderchefs bereits zugestimmt hatten. Jedoch machte der sachsen-anhaltinische Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) dabei nicht mit.
Grund für seine Verweigerung sei nach Haseloff der Umstand, dass sich in seinem Bundesland alle an die Corona-Regeln halten würden und eine Maske in der Öffentlichkeit tragen würden. Die Kanzlerin antwortete: „Aber Reiner, du bist doch der deutschen Sprache mächtig. Der Satz sagt, dass ihr eine Maskenpflicht in Sachsen-Anhalt habt, aber kein Bußgeld einführt.“
Der Gescholtene habe sich gewehrt. „Du bist Kanzlerin und bist der deutschen Sprache noch mächtiger als ein einfacher Ministerpräsident“, konterte Haseloff. Letztlich sollen sich Bund und Länder auf ein allgemeines Bußgeld von mindestens 50 Euro für Masken-Verweigerer geeinigt haben. Trotzdem blieb Haseloff stur und kündigte an, die Regelung in seinem Bundesland nicht umsetzen zu wollen und soll das auch in einer Protokollnotiz festgehalten haben. Bereits am Freitag (28. August) wird sich Angela Merkel erneut äußern. Dann steht die traditionelle Sommer-PK auf dem Plan(kh) *Merkur.de gehört zum bundesweiten Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerk