Grüne im Ampel-Poker „gerupft“? Habeck widerspricht: „Das war da vorher schon drin“

Die Grünen stehen nach dem Ampel-Kompromiss unter Druck - auch die Deutsche Umwelthilfe läuft Sturm. Doch Robert Habeck sieht keine Niederlage für seine Partei.
Berlin – Sind die Grünen der große Verlierer beim Kompromiss des Ampel-Koalitionsausschusses? Die CSU stichelt öffentlich. Doch Vizekanzler Robert Habeck hat am Mittwoch (29. März) in einem TV-Interview entschieden widersprochen. Die neue Sachlage in Sachen Heizungsregeln etwa sei „eher eine Bestätigung“ für seine Partei.
Grüne unter Druck: Habeck dementiert Niederlage – „Das war da vorher schon drin“
Die Behauptung, er habe bei der Überarbeitung seiner Heizungspläne im Koalitionsausschuss eine Niederlage erlitten, sei schlichtweg „falsch“ und „an der Sache vorbei“, sagte Habeck dem Sender Welt.
Die Koalition habe sich darauf geeinigt, das zu bestätigen, „was wir schon vorher beschlossen haben“, sagte er: „Dass wir ab nächstem Jahr für neue Heizungen und für den Austausch auf 65 Prozent erneuerbare Energien gehen.“ Die Koalition werde das, „wie es das Gesetz schon vorsieht, technologieoffen gestalten. Das war da vorher schon drin“, betonte er. „Im Grunde ist das eher eine Bestätigung dessen, was wir uns vorgenommen haben.“
Heizungs-Verwirrung nach Ampel-Kompromiss – Habeck: „Aber wer darauf setzt - bitte!“
Wie Kanzler Olaf Scholz (SPD) verteidigte Habeck auch inhaltlich die Heiz-Pläne der Ampel-Koalition. Eine Wärmepumpe sei nur eine von vielen Optionen, sagte der Grünen-Politiker. Auch Wasserstoffheizungen seien denkbar, aber in der Praxis würden diese ohnehin kaum Verbreitung finden, weil sie einfach viel zu teuer seien.
„Alle Möglichkeiten sind drin, also Fernwärmesysteme, Heizen mit biogenen Kraftstoffen“, sagte Habeck und fügte hinzu: „Meinetwegen auch Wasserstoff, der im Moment nicht verfügbar ist. Aber wer darauf setzt - viermal so teurer, schätze ich mal ungefähr - bitte!“ Schon im Dienstagabend-Talk von „Markus Lanz“ gab es Verwirrung um die neuen Regeln.
Die Frage, ob Wasserstoff - oder Öko-Gas - realistische Optionen bei Heizungserneuerungen sind, schlug auch Scholz am Mittwoch bei seiner Regierungsbefragung im Bundestag entgegen. „Zu keinem Zeitpunkt hat jemand geplant, dass jemand etwas tun muss, was man nicht tun kann“, betonte er auf eine Wortmeldung der AfD hin. Es werde eine unbürokratische Regelung geben, niemand werde sich Sorgen machen müssen.
Grüne ernten CSU-Spott: „Ziemlich gerupft“
Ganz anders sah die Sachlage CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Sein Eindruck sei, „dass die Grünen ziemlich gerupft aus dieser Veranstaltung rausgehen“, sagte er den Sendern RTL und ntv. Auch in der Heizungsfrage zeigte er sich skeptisch. Die Ausgestaltung einer Härtefallregelung könne er sich „noch nicht so richtig vorstellen“. Es gehe beim Thema Heizungen „ja um Anschaffungen, die für die meisten Menschen die größten Anschaffungen sein werden, die sie vornehmen können“, sagte er. „Da geht es um mehrere 10.000 Euro beim Heizungsaustausch.“
Dobrindt hob auch hervor, dass Finanzminister Christian Lindner (FDP) keinerlei Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt habe. Stattdessen habe Lindner darauf hingewiesen, dass bei den Heizungen die Austauschpflicht jetzt vom Tisch sei. „Ich bin gespannt, auf was sich die ‚Ampel‘ an der Stelle dann wirklich noch einigt, und ob das so bleibt, wie es gestern angekündigt war, dass es keine Pflicht mehr zum Austausch gibt“, sagte Dobrindt.
Grüne nun der große Ampel-Verlierer: Umwelthilfe sieht „Katastrophe“
Kritik von allen Seiten gab es auch am Stellenwert des Klimaschutzes. Die Ampel-Koalition habe beim Klimaschutz eine Rückabwicklung des Gesetzes der Großen Koalition von 2021 beschlossen, kritisierte Unions-Fraktionsvize Thorsten Frei (CDU) im NDR. „Es soll keine sektorenscharfe Betrachtung der Einsparziele geben, und auch die jahresspezifische Sichtweise wird wegfallen. Das bedeutet eine starke Relativierung und Aufweichung dessen, was wir schon hatten“, sagte er.
Scholz verwies im Bundestag zu dieser Frage auf geplante konkrete Verbesserungen - etwa für Ladestationen für E-Autos. Allerdings übten - für die Grünen unangenehmer Weise - harsche Kritik auch von Umweltschützern. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kritisierte die Aufweichung des Klimaschutzgesetzes als eine „Katastrophe“. Auch im Verkehrsbereich seien „die Horror-Nachrichten kaum zählbar“, erklärte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch.
Scholz heiße gut, dass das Klimaschutzgesetz „entkernt“ werde, sagte Greenpeace-Vorstand Martin Kaiser. Durch den weiteren Autobahn-Ausbau werde „das Klima weiter vor die Wand gefahren“. Der Geschäftsführer des WWF Deutschland, Christoph Heinrich, sprach von einem „Frontalangriff auf das Klimaschutzgesetz“.
Die neuen Klima-Pläne der Ampel
Sektorvorgaben: Das Klimaschutzgesetz soll in zentralen Punkten umgebaut werden. Statt der bislang strikten jährlichen Emissionsvorgaben für einzelne Bereiche wie Energie, Industrie, Verkehr und Gebäude soll es möglich sein, Zielverfehlungen in einem Sektor in einem anderen auszugleichen. Grundsätzlich sollen die Sektorziele aber bestehen bleiben.
Jahresübergreifende Betrachtung: Statt der festen Jahresziele soll stärker auf einen längeren Zeitraum geblickt werden. Dazu soll eine Regierung jeweils im ersten Jahr der Legislaturperiode ein umfassendes Programm vorlegen. Eine „sektorübergreifende und mehrjährige Gesamtrechnung“ soll dabei im Vordergrund stehen. Bei Zielverfehlungen sollen aber vor allem aus den dafür verantwortlichen Sektoren Nachbesserungen vorgeschlagen werden.
Klimaziele: Bekräftigt wird, dass Deutschland bis 2045 klimaneutral sein soll. Entscheidend dafür soll der Europäische Emissionshandel einschließlich seiner geplanten Ausweitung auf weitere Sektoren sein, insbesondere auf Gebäude und Verkehr.
(fn/AFP)