Mysterium um „Havanna-Syndrom“: USA nehmen Angriffsvorwurf zurück – und stehen vor Rätsel
Seit Jahren klagen Mitarbeitende der US-Regierung über ungewöhnliche Krankheitssymptome. Was dahinter steckt, ist nach wie vor unklar.
Washington, D.C. – Schwindel, Übelkeit oder Kopfschmerzen: Die US-Geheimdienste gehen mehrheitlich davon aus, dass kein „ausländischer Gegner“ für das sogenannte „Havanna-Syndrom“ bei amerikanischen Diplomatinnen und Diplomaten verantwortlich ist. Die gemeldeten Beschwerden seien stattdessen wahrscheinlich das Ergebnis von Vorerkrankungen, anderer Krankheiten oder Umweltfaktoren, hieß es in einem am Mittwoch (1. März) veröffentlichtem Bericht.
Ab 2016 hatte im kubanischen Havanna lebendes Botschaftspersonal und ihre Angehörigen über rätselhafte Kopfschmerzen, Hörverlust, Schwindel und Übelkeit geklagt. Später wurden auch an anderen Orten der Welt ähnliche Beschwerden gemeldet. Die Betroffenen gaben an, dass die Symptome begannen, nachdem sie etwa ein seltsames Geräusch gehört oder einen starken Druck in ihrem Kopf gespürt hatten. Die US-Regierung schloss daraufhin nicht aus, dass es sich dabei um eine Art Angriff handeln könnte – es wurde aber immer betont, dass man nicht wisse, was dahinterstecke.

Havanna-Syndrom: US-Geheimdienste gingen einst von elektromagnetischen Angriffen aus
Sieben US-Geheimdienste haben der Washington Post zufolge weit mehr als tausend Fälle in Dutzenden Ländern überprüft. Die Mehrheit der Behörden kam zu dem Schluss, dass es „sehr unwahrscheinlich“ sei, dass ein ausländischer Gegner für die Symptome verantwortlich sei. Es gebe in der Bewertung aber immer noch Lücken und es sei außerdem schwierig, Informationen über ausländische Gegner zu sammeln, hieß es weiter.
Noch im vergangenen Jahr war ein unabhängiges Forschungsgremium zu dem Schluss gekommen, dass manche Fälle des Havanna-Syndroms durch eine Art gezielten Einsatz elektromagnetischer Strahlung ausgelöst worden seien könnten. Es gebe „mehrere plausible Wege“ elektromagnetische Impulse eines bestimmten Frequenzspektrums derart gezielt einzusetzen, hieß es damals in dem von Geheimdienstkoordinatorin Avril Haines und CIA-Direktor William Burns veröffentlichten Bericht.
Viele der Betroffenen behaupten, sie seien Opfer eines vorsätzlichen Angriffs geworden. Immer wieder wurde dabei auch Russland als möglicher Verursacher der Beschwerden ins Spiel gebracht. Dafür gebe es allerdings keine „glaubwürdigen Beweise“, hieß es nun in dem Bericht der Geheimdienste. Die Erkenntnisse werden jedoch angezweifelt: „Der jüngsten Einschätzung der US-Geheimdienste mangelt es an Transparenz, und wir stellen die Richtigkeit der angeblichen Ergebnisse weiterhin infrage“, zitierte die New York Times den Anwalt eines Opfers.
Washington steht vor einem Rätsel – und will keine Hypothese ausschließen
Andere Hypothesen wie nur der Einsatz chemischer oder biologischer Substanzen wurden angesichts der beobachteten Symptome als nicht plausibel gewertet. Wie bei jeder Bewertung seien die Untersuchungen aber nie völlig abgeschlossen, sagte der Sprecher des US-Außenministeriums, Ned Price.
Price erklärte, dass die Zahl der gemeldeten Fälle seit 2021 zurückgegangen sei. Die aktuellen Erkenntnisse der Geheimdienste „stellen die Erfahrungen und Symptome, die unsere Kollegen und ihre Familienangehörigen in den vergangenen Jahren gemeldet haben, in keiner Weise infrage“, betonte er trotz dessen. Aus dem Weißen Haus hieß es, dass diejenigen, die unter den Symptomen litten, weiterhin zusätzliche finanzielle Unterstützung erhalten sollten. (nak/dpa)