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Scholz wird aus Corona-Gipfel raus zitiert: „Schmutziger Deal“ zu Nord Stream 2 mit den USA?

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Brisante Veröffentlichung: Hat Scholz der US-Regierung angeboten, Flüssiggas zu kaufen, um im Gegenzug keine Sanktionen gegen Nord Stream 2 befürchten zu müssen? Der wird nun in den Bundestag zitiert.

Update vom 10. Februar, 16.45 Uhr: Olaf Scholz ist im Bundestag angekommen. Heiko Maas (SPD), Außerminister, kritisiert das Herbeizitieren des Finanzministers. „Den Vizekanzler aus der Ministerpräsidentenkonferenz zu Corona wegen eines Vorganges, der seit September letzten Jahre öffentlich ist, hierher zu zitieren, zeigt, worum es Ihnen wirklich geht: um scheinheiliges Spektakel“, äußerte er in Richtung der Grünen.

Update vom 10. Februar, 16 Uhr: In der Aktuellen Stunde des Bundestages wird am Mittwoch über den Baustopp der umstrittenen Pipeline Nord Steam 2 diskutiert. Dafür wird nun Bundesfinanzminister Olaf Scholz aus dem Corona-Gipfel in den Bundestag zitiert. Und die Aktuelle Stunde dafür eigens unterbrochen. Zuerst hatte die parlamentarische Geschäftsführerin Britta Haßelmann, wie Focus Online berichtet, den Vorschlag eingebracht, da Scholz als Finanzminister unmittelbar in die Diskussionen um Nord Stream 2 verwickelt sei. Die Veröffentlichung eines Briefes enthüllte kurz zuvor einen umstrittenen Vorschlag von Olaf Scholz (siehe Erstmeldung).

Olaf Scholz: Veröffentlichung eines Briefes könnte für den Finanzminister heikel werden - Nord Stream 2

Erstmeldung vom 10. Februar, 12.45 Uhr: Berlin - Für SPD*-Spitzenkandidat Olaf Scholz könnte die Veröffentlichung dieses Briefs noch heikel werden. Er soll im vergangenen Jahr den USA einen Milliardendeal vorgeschlagen haben, um Sanktionen gegen die umstrittene Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 zu verhindern. Das geht aus Dokumenten hervor, die die Deutsche Umwelthilfe (DUH) am Dienstag öffentlich gemacht hat.

Demnach soll Scholz am 7. August 2020 in einem persönlichen Schreiben dem damaligen US-Finanzminister Steven Mnuchin angeboten haben, den Import von flüssigem Erdgas aus den USA mit bis zu einer Milliarde Euro zu fördern, wenn die US-Regierung im Gegenzug auf Sanktionen gegen Nord Stream 2 verzichte. Das Bundesfinanzministerium* wollte sich am Dienstag auf Anfrage laut dpa zu der Bekanntmachung nicht äußern.

Offensichtlich waren aber die Bundesregierung sowie auch die SPD-Fraktionsspitze in den umstrittenen Vorschlag von Scholz eingebunden. „Der Brief war mit den Fachressorts abgestimmt“, auch das Kanzleramt* sei eingebunden gewesen, sagte SPD-Parlamentsgeschäftsführer Carsten Schneider am Mittwoch. Auch er selbst sei über sein Fraktionsamt informiert gewesen.

Bundesregierung wollte Aufbau von Flüssiggasterminals fördern - Umwelthilfe spricht von „Skandal“

DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kränner sprach von einem „Skandal“ und einem „schmutzigen Deal auf Kosten Dritter“. Aus dem in englischer Sprache verfassten Schreiben geht hervor, dass die Bundesregierung in Kooperation mit den Vereinigten Staaten den Aufbau von Flüssiggasterminals in Wilhelmshaven und Brunsbüttel fördern wollte. Gleichzeitig herrsche in Berlin große Sorge angesichts der angedrohten US-Sanktionen gegen das Erdgasprojekt Nord Stream 2, heißt es an mehreren Stellen. Deutschland erwarte, dass die USA den ungehinderten Bau und Betrieb der Pipeline ermöglichen und auch die bereits verabschiedeten Sanktionsgesetze zurücknehmen. Dafür sei die Bundesregierung bereit, flüssiges Gas aus den USA zu importieren.

Schneider stellte sich hinter das damalige Vorgehen von Scholz. Der Bau von LNG-Terminals sei im Sinne einer Diversifizierung der Gasversorgung sinnvoll, daran sei „nichts Schändliches“, sagte der SPD-Politiker. Er bekräftigte auch seine Unterstützung für Nord Stream 2. Aus Regierungskreisen hieß es, die Bundesregierung stehe „zu den US-Sanktionen und den Sanktionsdrohungen bezüglich Nord Stream 2 mit der US-Regierung in Kontakt“. Diese Gespräche seien vertraulich. Darauf hatte auch Regierungssprecher Steffen Seibert im September des vergangenen Jahres hingewiesen, kurz nach einem Bericht über einige Inhalte des Schreibens in der Zeit.

US-Sanktionen zu Nord Stream 2: Regierung betonte Rolle von Flüssiggas als „wichtiger Energieträger“

Gleichzeitig hatte Seibert betont, dass Erdgas „ein wichtiger Energieträger“ für Deutschland sei und dass Flüssiggas - auch LNG genannt (liquified natural gas) - eine „gewisse Rolle bei der Erreichung der nationalen, der europäischen und im Rahmen des Pariser Klimaschutzabkommens vereinbarten Klimaziele“ zukomme. Der Ausbau der Flüssiggasinfrastruktur in Deutschland sei auch im Koalitionsvertrag verankert.

Olaf Scholz (SPD), Bundesminister der Finanzen, verlässt eine Online-Pressekonferenz mit einer Mund-Nasen-Bedeckung.
Olaf Scholz (SPD), Bundesminister der Finanzen und SPD-Spitzenkandidat: Wollte er mit den USA einen „schmutzigen Deal“ eingehen? © Kay Nietfeld/dpa

Scharfe Kritik am Vorgehen des Vizekanzlers* kam indes auch aus der Opposition. „Es ist völlig inakzeptabel, dass Olaf Scholz versucht, mit Steuergeldern US-Fracking-Gas in Deutschland zu vergolden und zugleich Nord Stream 2 von US-amerikanischen Sanktionen freikaufen möchte“, schrieb der haushaltspolitische Sprecher der Grünen* im Bundestag, Sven-Christian Kindler, in einer Stellungnahme.

Die Linken*-Politikerin Sevim Dagdelen nannte es „geradezu sträflich, wie Vizekanzler Olaf Scholz Steuergelder in Milliardenhöhe für den subventionierten Bau von LNG-Terminals“ angeboten habe. „Mit dreisten Erpressern macht man keine schmutzigen Geheimdeals, auch wenn sie im Weißen Haus oder im US-Senat sitzen“, sagte Dagdelen.

Brief von Finanzminister Scholz an die US-Regierung: Vorschläge zu Flüssiggas und Nord Stream 2

Die Deutsche Umwelthilfe und andere Umweltaktivisten wehren sich seit Längerem sowohl gegen den Bau von Flüssiggas-Terminals in Deutschland als auch gegen die Fertigstellung von Nord Stream 2. Die Ostsee-Pipeline soll einmal 55 Milliarden Kubikmeter Erdgas von Russland nach Deutschland befördern. Die USA und mehrere EU-Staaten sind gegen das fast fertige Milliardenprojekt, weil sie eine zu hohe Abhängigkeit von russischem Gas befürchten.

Das von der DUH veröffentlichte Schreiben finden Sie hier. Es besteht aus einem kurzen, persönlichen Anschreiben an den Finanzminister der US-Regierung von Ex-Präsident Donald Trump. Angefügt ist ein sogenanntes „Non-Paper“, also ein Geheimpapier, in dem der Vizekanzler seine Vorschläge erläutert. (dpa/AFP/cibo) *Merkur.de ist Teil des Ippen-Digital-Netzwerks.

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