Unter den Links, die im Sommer an das BKA weitergegeben wurden, waren zwei Links zu den Aufnahmen, die offenbar eine Vergewaltigung zeigen. Gelöscht wurde nur eines der Videos, das andere blieb weiter online. Im Videotitel stand der echte Vor- und Nachname der Frau sowie ihr Wohnort. Das Video sammelte mehr als 340.000 Klicks. Wieso lässt das BKA dieses Video nicht löschen, obwohl es sensible Daten der Frau enthält und offenbar ihre Vergewaltigung zeigt?
Und auch bei dem Video, das gelöscht wurde, fällt etwas auf: Der Nutzer, der es hochgeladen hat, wurde nicht gesperrt. Dabei war der Link zu dessen Profil ebenfalls in der Linkliste enthalten. Auf seinem Profil blieben andere Videos online, die die Betroffene zeigen. Mindestens eins davon zeigt offenbar einen weiteren Übergriff durch Dirk Waldhauer an der Frau.
„Die Inhalte, die der von Ihnen übersandten Linkliste zu entnehmen waren, wurden seitens des Bundeskriminalamtes strafrechtlich bewertet”, erklärt das BKA. Für strafrechtlich relevante Inhalte seien Löschanregungen übermittelt worden. Das BKA könne jedoch keine Löschung von in Deutschland strafrechtlich relevanten Inhalten bei im Ausland ansässigen Providern durchsetzen. Wenige Tage später werden die genannten Videos dann doch gelöscht.
Waldhauer selbst sagt, er habe mit den Veröffentlichungen nichts zu tun. Ein anderer habe sich Zugriff zu seinen Daten verschafft und würde die Aufnahmen verbreiten. Wer die Videos und Fotos hochgeladen hat, lässt sich durch die Recherche nicht belegen. Waldhauer gibt im Gespräch an, er habe einen Stalker, den er bereits mehrfach angezeigt habe. „Ich möchte keine Namen nennen”, sagt Waldhauer dazu. Es liefe jedenfalls eine Kampagne gegen ihn. Er habe keine Dokumente und kein Aktenzeichen, die seine Anzeigen belegen würden. Weder die Polizei Erfurt noch die Staatsanwaltschaft Erfurt konnten entsprechende Anzeigen in ihren Systemen finden.
Es gibt ein Profil auf einer Pornoseite, das Waldhauer zuzuordnen ist. Dieses Profil ist mit Nutzern befreundet, die einen Teil des von uns gesichteten pornografischen Materials hochgeladen haben. Waldhauer räumt ein, dass ihm das Profil gehört und er mit den Nutzern über die Plattform befreundet ist – um zu sehen, was sie hochladen und Löschanfragen an die Plattform zu schicken, wie er sagt.
Eine Laube auf Waldhauers Grundstück ist laut einer entsprechenden Facebook-Seite bis heute „offizieller Veranstaltungsraum des Ortsverbandes“ der PARTEI Erfurt.
Die Grenzen zwischen Waldhauers politischer Arbeit und seinem fragwürdigen Verhalten im Privaten verschwammen mitunter: In der Laube, die als Veranstaltungsraum der PARTEI Erfurt dient, fotografierte sich Waldhauer nackt vor einer mit PARTEI-Stickern beklebten Wand und lud das Foto auf sein Pornoprofil hoch. „Es hat mit der Partei gar nichts zu tun, da bin ja nur ich alleine nackt drauf”, sagt Waldhauer dazu. „Ich kann machen, was ich will, ich bin eh politisch verbrannt.”
Auf Anfrage teilt der Vorsitzende des Landesverbands der PARTEI mit, dass Dirk Waldhauer keine Ämter mehr bekleide. Die Vorwürfe seien „teils viele Jahre alt“ und hätten „parteiinterne Konsequenzen“ gehabt. Bei einer weiteren Konfrontation mehrere Monate später erklärt er: „Seit dem Bekanntwerden erster Vorwürfe bezüglich eventuell sexuell fragwürdiger Handlungen wurde Dirk Waldhauer bei keiner Direkt- bzw. Spitzenkandidatenaufstellung mehr berücksichtigt.” Er gibt zudem an, er wolle eine Aussprache mit Waldhauer führen und über weitere Schritte entscheiden.
Martin Sonneborn, Parteivorsitzender der PARTEI, wird hingegen deutlicher: „Da sich im Fall von Herrn Waldhauer nun der Verdacht erhärtet, dass die Grenze zur Strafbarkeit klar überschritten ist, haben wir als Bundesvorstand ohne zu zögern beschlossen, ein Parteiausschlussverfahren zu beantragen.” Auch die Antidiskriminierungskomission der Bundespartei habe man informiert.
Anna ist inzwischen Mutter. Sie sagt, dass sie den Kontakt zu Dirk Waldhauer abgebrochen habe, als sie Mitte 20 war, weil es ihr mit den Treffen schlecht ging. „Ich habe mich schmutzig gefühlt, ich habe mich einfach für meine Kinder auch nicht mehr wohlgefühlt in meiner eigenen Haut.“ Sie verdrängt das Erlebte – bis sie ihre Bilder im Internet entdeckt.
Sie zeigt Waldhauer wegen der Veröffentlichung an. Sie habe den Beamten gesagt, dass sie auf einigen Aufnahmen minderjährig sei. „Die haben mir wenig Erfolg versprochen.“ Die Ermittlungen werden eingestellt. In der Begründung heißt es, Waldhauer sei nicht vorbestraft und der Anzeige werde mangels öffentlichen Interesses nicht nachgegangen. Dabei waren schon zum Zeitpunkt der Anzeige Aufnahmen mutmaßlicher sexueller Übergriffe im Internet zu finden.
„Ich habe nicht das Gefühl, dass mir zugehört wird“, sagt Anna, „ich habe eher das Gefühl, dass es nur abgetan wird.“ So, als habe Dirk Waldhauer „einen Freifahrtschein für alles“. Ähnlich geht es anderen Frauen. Manche gehen aufgrund solcher Erfahrungen nicht mehr zur Polizei und versuchen, die Videos selbst aus dem Netz zu löschen. Das pornografische Material wird von verschiedenen Nutzern und auf unterschiedlichen Seiten immer wieder neu hochgeladen. Auch Anna versucht auf eigene Faust, löschen zu lassen. Eine Pornoseite fordert von ihr einen Nachweis, dass sie die Rechte an den Videos besitzt, auf denen sie noch minderjährig ist.
„Das Internet vergisst nie“, sagt Anna. „Man versucht zu verdrängen, doch mit jedem Bild, was eingestellt, was gesehen, geliked wurde, wird der Druck schlimmer.“
Bis heute, sagt Anna, werde sie jeden Monat von fremden Männern kontaktiert. Sie fragen, ob sie Anna für sexuelle Dienste kaufen können.
Öffentlich distanziert hat sich die Partei bis Redaktionsschluss nicht von Dirk Waldhauer. Er war zuletzt Anfang Mai 2022 für DIE PARTEI unterwegs. Auf Facebook ist er prominent auf Bildern des Thüringer Landesverbandes zu sehen. Auf seiner Facebook-Seite steht weiterhin, er sei „der beliebteste Politiker Deutschlands“.