Nach Putins Atomdrohung: Geheimdienste verstärken Überwachung
„Dies ist kein Bluff“: So drohte Putin mit dem Einsatz von Atomwaffen. Die US-Geheimdienste beobachten die Entwicklungen in Russland und der Ukraine mit Sorge.
Moskau – Es ist ein Szenario, das Fachleute für unwahrscheinlich halten, trotzdem bereitet sich der Westen darauf vor: ein russischer Atomwaffeneinsatz im Ukraine-Konflikt. Im Zuge der nuklearen Drohungen von Kreml-Chef Wladimir Putin haben die USA nun ihre Geheimdienstüberwachung verstärkt.
Wie das Nachrichtenportal Politico unter Berufung auf US-Regierungskreise meldet, fokussieren sich die US-Geheimdienste sowie westliche Partner vermehrt auf russische Militärmanöver oder Mitteilungen, die darauf hindeuten könnten, dass Putin den Einsatz von nuklearen Waffen anordnet. Die Überwachung gestaltet sich schwierig, denn die meisten russischen Flugzeuge und Abschussanlagen können kleinere Atomwaffen abfeuern. „Wir beobachten das sehr genau“, sagte ein Regierungsbeamter dem Medium.
Ukraine-Krieg: Putin droht mit Atomwaffen aus Russland
Putin hatte vergangene Woche in einer aufgezeichneten Rede eine Teilmobilmachung angekündigt. In der TV-Ansprache drohte er auch explizit mit Massenvernichtungswaffen. „Wenn die territoriale Integrität unseres Landes bedroht ist, werden wir natürlich alle uns zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen, um Russland und unser Volk zu verteidigen. Dies ist kein Bluff“, sagte der 69-Jährige. Dann legte er nach: „Die Bürger Russlands können sicher sein, dass die territoriale Integrität unseres Heimatlandes, unsere Unabhängigkeit und unsere Freiheit – ich betone das noch einmal – mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln gewährleistet werden.“

Heikel ist in dem Zusammenhang, dass der Kreml Scheinreferenden über eine Annexion durch Russland in den ukrainischen Gebieten Donezk, Luhansk, Cherson und Saporischschja hat durchführen lassen. Laut Russland fallen die „Abstimmungen“ eindeutig aus: für den Anschluss an die Russische Föderation. Es wird erwartet, dass Putin die Regionen innerhalb kürzester Zeit annektieren wird. Dann würde der Staatschef diese als russisches Staatsgebiet betrachten – und hätte die Rechtfertigung für einen Atomschlag.
Fachleute halten Atombombeneinsatz für nicht wahrscheinlich
Die westlichen Geheimdienste überwachen Russland sowie die Ukraine deshalb stärker aus der Luft, vom Weltraum aus und im Internet, sagte der US-Beamte Politico. Eine wichtige Rolle spielen demnach kommerziell genutzte Satelliten, um russische Einheiten vor Ort zu analysieren, die in der Lage sein könnten, einen nuklearen Befehl zu erhalten. Ein weiterer Schwerpunkt sei die russische Enklave Kaliningrad zwischen Polen und Litauen, wo unter anderem Hyperschallraketen installiert sind.
Fachleute sehen die Gefahr einer nuklearen Eskalation weiterhin als sehr gering an. Russland würde bei einem Einsatz höchstwahrscheinlich zu einem international völlig isolierten Pariastaat werden, der keine Verbündeten mehr hat. Auch außerhalb des Westens würde ein Atomwaffeneinsatz für großes Entsetzen sorgen – selbst für Putins wichtigsten Partner China dürfte damit eine rote Linie überschritten sein.
Putin-Vertrauter verbreitet Angst und Schrecken im Ukraine-Krieg
Trotz dieses Hintergrunds wiederholte Dmitri Medwedew, früher Russlands Präsident, nun stellvertretender Vorsitzender des Sicherheitsrats, die Atomdrohungen seines Vorgesetzten. „Stellen wir uns vor, dass Russland gezwungen ist, die furchterregendste Waffe gegen das ukrainische Regime einzusetzen, das einen groß angelegten Akt der Aggression begangen hat, der für die Existenz unseres Staates gefährlich ist“, schrieb der Hardliner im Messengerdienst Telegram.
Russland habe in einer Bedrohungslage das Recht für einen solchen Angriff und der Westen werde aus Angst nicht reagieren. „Ich glaube, dass sich die Nato auch in diesem Szenario nicht direkt in den Konflikt einmischen würde“, fügte Medwedew hinzu. „Die Demagogen jenseits des Ozeans und in Europa werden nicht in einer nuklearen Apokalypse sterben“.
„Mikro-Atombomben“ für Russland letztes Mittel
Sollte Russland entgegen allen Erwartungen atomar eskalieren, sind die US-Geheimdienste zuversichtlich, dass der Kreml keinen umfassenden Atomkrieg mit den Nato-Staaten riskieren würde. Die russische Armee hat zahlreiche kleinere taktische Atomsprengköpfe, die deutlich weniger Sprengkraft als strategische Atombomben haben. „Sie werden niemals eine strategische Atomwaffe einsetzen“, so der US-Beamte gegenüber Politico. „Sie werden niemals eine Interkontinentalrakete starten oder einen Bomber mit Sprengköpfen der Megatonnen-Klasse beladen“, erklärte der Insider.
Vielmehr könnte Russland als Ultima Ratio im Ukraine-Krieg „Mikro-Atombomben“ mit zehn bis hundert Tonnen Sprengkraft einsetzen, so der Regierungsbeamte. „Das ist immer noch eine große Bombe“, sagte er, betonte allerdings, dass „man sich auf kleine taktische Ziele konzentrieren kann. Man hat nicht so viel Strahlung“. (tvd)