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Genozidleugnung, Rassismus, Drohungen – Journalistin kritisiert SWR für Podcast

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Von: Moritz Serif

Bosnien - Srebrenica
Die Gedenkstätte Potocari erinnert an das Massaker von Srebrenica. Mehr als 8000 Bosniaken wurden ermordet. © Darko Vojinovic/dpa/picture alliance

Der SWR habe in seinem Podcast „Sack Reis“ den Massenmord an Bosniaken in den 90er-Jahren geleugnet. Außerdem sei eine Journalistin bedroht worden. 

Stuttgart – Genozidleugnung, Drohungen, Rassismus, Arroganz und Inkompetenz: All das wirft die Journalistin Melina Borčak dem SWR vor. Der öffentlich-rechtliche Sender habe im Podcast „Sack Reis“ eine Folge zu Bosnien produziert, „in der es in 41 Minuten 70 faktische Fehler“ gebe, schrieb Borčak bei Twitter.

Unter anderem verharmlose der SWR den Genozid an Bosniaken. Außerdem sei die Folge vier Monate nach ihrem Erscheinen immer noch online abrufbar. Borčak sagt, dass sie in einem Artikel für das Branchenmagazin journalist darauf hingewiesen habe, dass die Leugnung des Genozids in Bosnien eine Straftat darstelle. Dort drohen Täterinnen und Täter bis zu fünf Jahre Haft.

SWR reagierte auf Vorwürfe

Der SWR veröffentlichte im Juli eine Pressemitteilung. „Nachdem dem SWR in einem Artikel des Medienmagazins „journalist“ vorgeworfen wurde, in einer Folge des Podcasts „Sack Reis – was geht dich die Welt an?“ einer Interviewpartnerin Raum geboten zu haben, den Genozid von Srebrenica zu leugnen oder zumindest zu relativieren, plant der SWR eine journalistische Auseinandersetzung mit den Vorwürfen“, so der Südwest-Rundfunk.

Laut Borčak enthält die Pressemitteilung des Senders „falsche Fakten“. Die Journalistin wirft dem SWR außerdem vor, dass der Sender migrantische Kritik nicht ernst nehme. „Ich wurde unterbrochen, herablassend ausgelacht, frech und gemein genannt“, schrieb Borčak auf Twitter. Der SWR habe 100.000 tote Menschen, 50.000 vergewaltigte Frauen und Mädchen, Folter, Konzentrationslager und Folter verharmlost.

Journalistin Borčak: Eine SWR-Journalistin hat mich bedroht

Eine SWR-Journalistin habe sie bedroht. „Lass mich in Ruhe, sonst wirst du es bereuen. Willst du, dass es wirklich eskaliert?“ Borčak fordert, dass die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt Konsequenzen ziehen müsse. Der SWR hat nun auf eine Presseanfrage von FR.de von IPPEN.MEDIA reagiert. „Wir stimmen mit Frau Borčak uneingeschränkt darin überein, dass der Genozid an Bosniaken ein schreckliches Verbrechen ist. Hierzu gibt es keine Meinung, das ist Fakt. Wir sind nach juristischer Prüfung davon ausgegangen, dass die Aussagen der Interviewpartnerin zwar hochproblematisch sind, aber den Straftatbestand der Genozidleugnung nicht erfüllen. Selbstkritisch fragen müssen wir uns aber, ob wir uns noch viel deutlicher als in der Podcastfolge geschehen davon distanzieren und noch mehr inhaltliche Einordnung hätten liefern müssen“, so der SWR.

SWR reagiert auf Vorwürfe zur Genozid-Verharmlosung

Man habe bereits im April Änderungen zu inhaltlichen Fehlern vorgenommen. Wie es mit der Folge weitergehe, werde aktuell intern geklärt. „Es gibt bei uns keine Einteilung in migrantische und nicht-migrantische Kritik. Wir hatten Frau Borčak bereits im April angeboten, direkt mit der Redaktionsleitung in den Austausch zu ihren Kritikpunkten zu gehen“, erklärte die Rundfunkanstalt FR.de von IPPEN.MEDIA.

„Die Moderatorin hat versucht, in ihrer Rolle auf eine Gesprächsführung zu achten, in denen einzelne Argumente für die Zuhörenden möglichst nachvollziehbar sind und daher Frau Borčak mehrfach gebeten, nicht zu viele Dinge zu schnell hintereinander zu sagen. Das ist zu unserem großen Bedauern nicht geglückt, sondern kam teilweise als respektlose Unterbrechung an. Das tut uns leid, denn auch wir hätten uns ein Gespräch gewünscht, in dem harte Kritik, aber auch der gemeinsame Blick auf ‚was muss anders/besser‘ möglich ist“.

SWR möchte Vorfall aufarbeiten

Zu einer möglichen privaten Kommunikation zwischen Borčak und Merve Kayikci könne der SWR nichts sagen, hieß es. Dazu, dass die Journalistin Konsequenzen für die Verantwortlichen von der Rundfunkanstalt fordert, äußert sich der SWR wie folgt:

„Wir werden das gesamte Geschehen rund um die fragliche Podcastfolge und das Gespräch mit Frau Borčak intern umfassend aufarbeiten und uns weiter selbstkritisch damit auseinandersetzen. Als Journalistinnen und Journalisten, die sich demokratischen Werten und journalistischen Standards verpflichtet sehen, sind wir damit keinesfalls zufrieden und werde alles tun, damit Ähnliches nicht wieder passiert.“ Mittlerweile hat sich der Sender via Twitter entschuldigt. Allerdings sollen die Podcast-Folgen weiterhin online abrufbar sein. Der SWR begründet das mit „Transparenz“. (Moritz Serif)

Transparenzhinweis: In der ursprünglichen Version waren die Namen der am Podcast Beteiligten genannt. Wir haben diese entfernt.

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