Tabu-Bruch beim neuen 2er: Wieviel BMW steckt noch im 2er Gran Coupé?

Die erste Fahrt nach dem Tabu-Bruch: Vorderradantrieb statt Power von hinten. Und das soll ein BMW sein? Mit gemischten Gefühlen testen wir das 2er Gran Coupé.
- Beim Aussehen erreicht das elegante Coupé von BWM die volle Punktzahl.
- Aber wie fühlt sich die Umstellung von Hinterrad- auf Vorderradantrieb an?
- Ein winziges Detail könnte für großen Ärger in der Nachbarschaft sorgen.
Wohl kaum ein anderes Thema hat die automobile Gemeinde so bewegt. Mit einer einzigen Ausnahme vielleicht. Als Porsche vom selbst saugenden Boxermotor auf den Turbo umstellte, schlugen die Wellen der Empörung genauso hoch. Heutzutage weinen nur noch Puristen und Kenner diesem Triebwerk nach.
Novum beim BMW 2er Gran Coupé: Ziehen statt anschieben - Vorteil Vorderradantrieb
Aber zurück zu BMW*. Der Hinterradantrieb war bei den Bayern immer gesetzt. Schließlich fühlt sich der Schub von hinten viel sportlicher an, als wenn die Kräfte ungehobelt an der Vorderachse zerren. Das hat natürlich Nachteile, vor allem wenn die Straßen feucht und rutschig sind, weil das Heck leichter ausbricht. Früher, als die Winter noch Winter waren, und als es die vielen elektronischen Assistenten noch nicht gab, die so ein Auto in der Spur halten, war der schwere Sandsack im Kofferraum Pflicht. Damit brachte man mehr Gewicht auf die Hinterachse und damit mehr Grip auf die Straße.
Beim Vorderradantrieb ist das nicht nötig. Da sorgt der Motor für die entsprechende Schwere und auch der Antrieb vorne ist weitaus stabiler.
BMW 2er Gran Coupé: Ein Test mit gemischten Gefühlen

Nun ja, die Entscheidung ist gefallen: Bei der 2er-Baureihe stellen die Bayerischen Motorenwerke auf Vorderradantrieb um. Und der rote 2er BMW Gran Coupe, der vor dem Haus parkt, ist der erste Vertreter der neuen Generation, den wir testen. Mit gemischten Gefühlen als alter BMW-Fan. Schick ist das viertürige Coupé schon geworden - das muss man den Designer lassen. Auch die größere Frontlippe, in anderen Modellen permanenter Stein des Diskussionsanstoßes, passt zu dem Auto. Ansonsten viele Kanten und Sicken, ein skulpturales Design, aufgefangen durch die elegante nach unten geschwungene Dachlinie.

Hinten sitzt man steif wie in einer Kirchenbank
Viersitzer - nun ja. Wenn man sich als knapp 1,80 Meter großer Mensch hinten hinein geschlängelt hat und Fahrer und Beifahrer nicht allzu groß sind, kann man hier tatsächlich sitzen. Ein bisschen steif hockt man auf der Rückbank, so wie beim Hochamt in der Kirche. Dort soll es ja auch nicht zu bequem sein, damit die Schäfchen auch brav lauschen. Für Kinder ist hinten jedoch Platz genug, insofern eignet sich das Auto für die junge Familie.

Der Kofferraum ist dann doch erstaunlich groß. Wie jedes Wochenende müssen zwei Kisten für den Wertstoffhof (Glas und Papier), sowie vier Träger Getränke hinein. Null Problem, und wir dachten schon, da muss noch was auf die Rückbank.

Chaos im Tacho - hilfe, wo ist die Tempo-Anzeige?
Als Fahrer und Beifahrer fühlt man sich im kleinsten Gran Coupé von BMW hingegen wie in einer Limousine. Die Instrumententafel hinter dem Lenkrad ist allerdings schwer lesbar. Viel zu viele Informationen auf einem kleinen Fleck. Da ist es schon schwierig die aktuell gefahrene Geschwindigkeit zu entdecken. Zu allem Überfluss haben die Digitalfreaks von der Technik zwischen Tacho und Drehzahlmesser auch noch eine stilisierte Navi-Karte hineingepresst, die immer mitläuft. Egal, ob man ein Ziel eingegeben hat oder nicht. Gut, dass es das Head-Up-Display mit seinen wenigen, dafür aber übersichtlichen Informationen, gibt. Außerdem kann man - Gottseidank - auch eine abgespeckte Version des Displays einstellen.

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Der Diesel-2er sieht schneller aus als er ist
Jetzt aber Freude am Fahren: Motor starten mit dem silbernen Knopf. Klingt gut, gar nicht nach Diesel. Ist aber ein Selbstzünder. Genauer gesagt der 2,0-Liter-Reihen-Vierzylinder mit doppelter Turbo-Aufladung und 190 PS. Damit zieht das 2er Gran Coupé gut von unten heraus. Das Drehmoment von 400 Newtonmetern (Nm) ist uns im Drehzahlbereich von 1.750 bis 2.500 U/min ein guter, steter und mächtiger Begleiter. Damit braucht das Auto 7,5 Sekunden von 0 auf Tempo 100. Nachteil gute Optik: das 2er Gran Coupe sieht schneller aus als es ist.
Testverbrauch toppt Angaben um zwei Liter

Dafür ist das Diesel-Aggregat einigermaßen sparsam. Die angegebenen 4,5 Liter sind allerdings Werte, da kann man nur davon träumen. Bei unseren Testfahrten, die überwiegend auf Landstraßen ohne den typischen Stop-and-Go-Verkehr in der Stadt absolviert wurden, waren es 6,5 Liter. Zugegeben: Wir hatten viel Spaß, weil sich der BMW äußerst agil und wendig fährt. Und dabei haben wir vielleicht das ein oder andere mal zu oft das Gaspedal nach unten gedrückt statt gestreichelt. Sonst wären vielleicht sogar 5,5 Liter Durchschnittsverbrauch drin gewesen.
Da rumpelt und rattert es an der Vorderachse
Leider, und jetzt kommt der Pferdefuß, ist das 2er Gran Coupé mittlerweile ein Auto mit Vorderradantrieb. Das merkt man - zugegebenermaßen - nicht immer, aber leider ein paar Mal zu häufig. Bei kräftiger Beschleunigung rumpelt und rappelt es an der Vorderachse, man muss den Lenker schon gut festhalten, um in der Spur zu bleiben. Das ist für diese Art Antrieb typisch, eines echten BMWs aber nicht unbedingt würdig. Ganz abgesehen, dass man Power lieber im Kreuz spürt als in den Zehenspitzen.
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Der 2er piept wohl - immer beim Öffnen und Schließen

Ansonsten glänzt der BMW mit einem feinen digitalen Innenleben und dem ein oder anderen coolen Feature. Zum Beispiel, dass sich die Autotüren entriegeln und die Seitenspiegel ausklappen, wenn man sich dem Auto nähert. Wer das ganze akustisch untermalt haben will, kann sich das Entriegeln mit zwei und das Verriegeln mit einem (aufdringlichen) Piep-Quietsch-Ton quittieren lassen. Als wir bei einem schwierigen Telefonat vor dem Auto auf- und abliefen, ergab das allerdings eine solche Symphonie des Grauens, die fast zu Gründung einer Bürgerinitiative in der Nachbarschaft geführt hätte. Zu guter Letzt haben wir in einem Untermenü dann doch recht schnell entdeckt, wie man das Piepsen ausschaltet.

Unser Fazit zum kleinen großen Gran Coupé
Alles in allem fällt unser Schlussurteil zum BMW 2er Gran Coupé positiv aus. Fahrwerk und Gesamteindruck lindern den Schmerz, den der Vorderradantrieb verursacht. Ob bei weiteren technischen Verbesserungen daraus irgendwann mal ein Phantomschmerz wird, kann man nur hoffen. Schmerzhaft ist wie immer der Preis in der Premiumklasse. In der Basisversion als 218 i mit einem 136PS starken Benzinmotor kostet der 2er ab 32.500 Euro. Der 220d startet bei 39.673 Euro, mit einer annehmbaren Ausstattung werden daraus knapp 50.000 Euro. (Rudolf Bögel)*tz.de ist Teil des bundesweiten Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerkes.
Datenblatt 220d Gran Coupé
Motor: | Reihenvierzylinder Diesel |
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Hubraum: | 1.995 ccm |
Länge / Breite / Höhe: | 4,53 / 2,08 / 1,42 Meter |
max. Leistung: | 140 kW/190 PS bei 4.000 U/min |
max.Drehmoment: | 400 Nm bei 1750 - 2.500 U/min |
Getriebe: | Stufenlose Automatik, Frontantrieb |
0-100 km/h: | 7,5 Sekunden |
Top-Tempo: | 235 km/h |
Normverbrauch: | 4,2 – 4,5 l/100 km |
CO2-Emission: | 110 - 119 g/km |
Kofferraumvolumen: | 430 l |
Leergewicht / Zuladung: | 1.505 kg / 545 kg |
Preis: | ab 39.673 Euro |
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