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Buenos Aires: Leben ohne Mittelmaß

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Buenos Aires hat die Diktatur und die Wirtschaftskrise überstanden. Aber die Bewohner leben mit der Unstetigkeit als einziger Konstante. © dpa/Staatssekretariat für Tourismus der Republik Argentinien

Von der Tribüne aufs Parkett: In Buenos Aires, wo der Fußball zum Jubeln und der Tango zum Träumen da ist, verschwimmen die Grenzen zwischen Angst und Mut, Rivalität und Zusammenhalt, Ernst und Spiel.

Eine Violine weint durch die Lautsprecher, zwei Körper bewegen sich elegant dazu über die Plaza Dorrego in Buenos Aires. Die Luft ist spätsommerlich schwer. Der Asphalt entlädt seine Wärme, schickt sie in den wolkenlosen Abend. Ein leichter Wind zwitschert durch die Seitenstraße.

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Auf dem Plaza Dorrego im Zentrum von San Telmo, dem ältesten Viertel der Stadt, treffen sich Paare, Obdachlose, Straßenkünstler und Touristen. © dpa/Staatssekretariat für Tourismus der Republik Argentinien

Hier im Zentrum von San Telmo, dem ältesten Viertel der Stadt, treffen sich Paare, Obdachlose, Straßenkünstler und Touristen. Der Charme dieses Platzes zieht Menschen jeder Art an. Ein selbsternannter Militärdiktator fuchtelt mit einem Stock wild in der Gegend umher und erteilt Verkehrsanweisungen. Auf den gut hundert Klappstühlen auf dem Platz saugt man das Hier und Jetzt auf.

Juan ist im südamerikanischen Paris, wie Buenos Aires genannt wird, aufgewachsen, er hat die Abgründe der Stadt am eigenen Leibe erfahren. Seine Gedichte, die er auf der Plaza Dorrego zum Besten gibt, erzählen von Liebe, Wahnsinn und Leidenschaft. Er ächzt unter den schweren Worten, hüpft mit den leichten und verbeugt sich schließlich knietief, als das Publikum applaudiert.

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Fußball ist in Argentinien nationale Obsession. Und der große Held ist immer noch Diego Maradona. © dpa/Franziska Müller

„Wir haben miterlebt, wie unbeständig das Leben hier sein kann“, sagt Juan. „Wir haben die Diktatur überlebt und die Wirtschaftskrise gut zwanzig Jahre später verkraftet. Aber wir wissen nicht, wann der nächste Donner aus dem wolkenlosen Himmel auf uns herabfahren wird. Meine Generation lebt ein Leben, in dem einzig die Unstetigkeit eine Konstante ist.“

Seine Stirn legt sich in Falten. „Siehst du die beiden Tänzer?“, fragt er. „Wie sie sich aneinander ziehen, als wollten sie sich nie wieder loslassen und sich im nächsten Moment voneinander abstoßen, als wäre der Abschied ein endgültiger. So sind wir. Wir leben in Extremen, weil wir nicht wissen, wann es das letzte Mal sein wird.“

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Fußballstadion in Avellaneda © dpa/Frey

Die Reise zum Herzen Argentiniens führt weiter ins Umland, auf die Tribüne über dem Rasen in Avellaneda. Wer die Pforten zum Fußballstadion betritt, wird Gemeinschaft. Statussymbole verschwinden unter dem himmelblau-weißen Trikot. Eine VIP-Tribüne gibt es nicht. Fußball macht hier alle gleich. In wenigen Städten ist das Spektrum der kulturellen Wurzeln vergleichbar weit wie in Buenos Aires.

„Wir haben von allen nur das Beste in uns - oder das schlechteste, wie man es nimmt“, sagt Sergio lachend. Sein italienischstämmiger Großvater kam in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nach Buenos Aires, seine Großmutter stammt aus Spanien.

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Der Tango ist fester Bestandteil des argentinischen Lebensgefühls. © dpa/Tourismusministerium der Republik Argentinien/Franco Cappellari

Die Masse johlt, jauchzt, grölt. Das Stampfen der tanzenden Füße ist synchron, der Rhythmus schnell, die Musik ohrenbetäubend laut. Die Masse jubelt, tanzt, schreit. Man singt von der Liebe, vom Wahnsinn, von Leidenschaft. „Nur wer diese Leidenschaft teilt, versteht auch den Wahnsinn: Racing Campeón!“, erklingt die Hymne des Vereins. Spätestens hier in Avellaneda, fernab vom städtischen Treiben der Millionenmetropole, inmitten der schweißgebadeten Jubelmasse des Fußballvereins Racing, verdampft die letzte Ähnlichkeit mit dem behüteten Mitteleuropa. „Das“, ruft Sergio, „ist das richtige Argentinien.“

Von Olivia Frey, dpa

DIE REISE-INFOS ZU BUENOS AIRES

REISEZIEL Argentinien im Süden Südamerikas ist mit 2,78 Millionen Quadratkilometern und 3695 Kilometern Länge von

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Nord nach Süd der achtgrößte Staat der Welt und der zweitgrößte des Kontinents. Besiedelt ist er extrem dünn: Im Durchschnitt kommen gerade einmal 14 Einwohner auf einen Quadratkilometer. Das Land grenzt im Osten an den Atlantik, im Westen an Chile, im Norden an Bolivien und Paraguay und im Nordosten an Brasilien und Uruguay.

ANREISE Flug nach Buenos Aires täglich mit Lufthansa. Ab 900 Euro, Kinder von zwei bis elf Jahren haben 25 Prozent Ermäßigung, Babys kosten zehn Prozent vom Netto-Flugpreis. Im Reisebüro oder online unter www.lufthansa.de.

MIETWAGEN Mietwagen kosten zwischen 300 und 500 Euro/Woche. Firmen wie AVIS, Hertz und Budget haben Büros am Flughafen Buenos Aires.

REISEZEIT/KLIMA Die beste Reisezeit ist im deutschen Frühjahr und Spätherbst. Dann liegen die Tagestemperaturen in der argentinischen Pampa bei rund 25 Grad. Von Dezember bis Januar ist Hochsommer mit Werten über 30 Grad und zum Teil hoher Luftfeuchtigkeit. Im argentinischen Winter kühlt es nur selten auf Werte unter 15 Grad (Tag) bzw. fünf Grad (Nacht) ab.

GESUNDHEIT Empfehlenswert ist eine Impfung gegen Hepatitis A, ansonsten braucht man in dem Reisegebiet um die Estancia keine weiteren Impfungen. Auch Malaria-Prophylaxe ist in dieser Region nicht erforderlich. Insektenspray ist auf jeden Fall in ausreichender Menge mitzunehmen.

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