Mein Sofa ist dein Sofa

Hippie-Sofas oder Desginer Couch - immer mehr Urlauber übernachten viel lieber bei Fremden. Auch Michael Wigge reiste ohne einen Cent in der Tasche durch die Welt. Seine Erfahrungen gibt's nun als Buch.
Es ist billig und schafft neue Bekanntschaften: Hunderttausende schlafen auf ihren Reisen bei Wildfremden statt im Hotel - das Internet macht's möglich: Mehr als eineinhalb Millionen Mitglieder das Gastfreundschaftsnetzwerk CouchSurfing bereits, Tendenz rasant steigend. Der Journalist Michael Wigge gehört dazu, reiste 150 Tage lang ohne einen Cent in der Tasche durch die Welt und schildert seine Erfahrungen nun in einem Buch.

Couchsurfen ist wie eine Pralinenschachtel: Auf den ersten Blick sieht es gut aus, aber was genau unter der Verpackung steckt, weiß man vorher nicht. Jedes Profil bei Couchsurfing steht für einen potenziellen Gast oder Gastgeber. Für die australische Balletttänzerin, die auf Jobsuche allein und möglichst billig durch Europa tourt, oder den 46-jährigen Ingenieur aus Köln, der Brasilien und seine Menschen kennenlernen will. Der eine bietet ein durchgesessenes Sofa im Flur einer Pariser Hippiekommune an, die andere ein luxuriöses Gästeapartment im 23. Stock eines Hongkonger Hochhauses.
Zwar lässt das Profil Rückschlüsse zu: Fotos und ein paar Sätze über sich stellt jedes Mitglied auf seine Seite. Dazu kommen Bewertungen, die andere Surfer hinterlassen haben, als sie bei der Person gewohnt oder sie aufgenommen haben. Aber was einen dann tatsächlich erwartet? “Das gruseligste Erlebnis auf meiner Reise war die Nacht in Las Vegas. Als nach langem Klopfen, es war schon Mitternacht, endlich jemand aufmachte, hat die Frau mich reingelassen, aber mich angestarrt und dabei kein Wort gesprochen“, erinnert sich Wigge.
95 Prozent gute Erfahrungen
Abgesehen von ein paar kruden Dingen habe er “zu 95 Prozent positive Erfahrungen gemacht“, bilanziert der Journalist. Auch wenn es seine Motivation war, sich ganz ohne Geld von Berlin bis zur Antarktis durchzuschlagen - die meisten Couchsurfer eint die Idee, nicht nur billig zu reisen, sondern auch bei den Leuten anzukommen.
Der Tourist, der mit Tennissocken und Kamera um den Hals staunend den asiatischen Gewürzmarkt fotografiert, war gestern. Couchsurfer setzen fort, was Insiderreiseführer wie der “Lonely Planet“ einst begannen: Sie wollen mittendrin sein. So formt sich eine Gemeinschaft von Leuten, die Fremden ihr Gästebett, ihr Bad und oft ihren Hausschlüssel überlassen. “Ich will die Welt kleiner machen“, sagt Casey Fenton, ein Dauerreisender, der CouchSurfing 2003 gegründet hat, als er vor einer Reise ins teure Island an eine Liste mit 1.500 E-Mail-Adressen von Studenten in Reykjavík kam.
Der Computerfreak mailte allen die Anfrage, ob er auf ihrer Couch schlafen könne. Binnen Stunden sollen Hunderte Angebote gekommen sein. Die Idee einer Non-Profit-Plattform war geboren ähnlich den Netzwerken Servas, das dänische Studenten 1949 ins Leben riefen, oder dem Hospitalityclub, von deutschen Studenten im Jahr 2000 gegründet. Bei Couchsurfing kommen im Schnitt 15.000 neue Mitglieder dazu. Auch wenn das Durchschnittsalter bei 28 Jahren liegt, führt die Statistik auch 11.500 Nutzer zwischen 60 und 69 Jahren.
Keine Dating-Plattform
Um ein Mindestmaß an Sicherheit zu geben, können die Mitglieder ihre Adressdaten in mehreren Stufen verifizieren lassen. Dafür muss ein Obolus entrichtet werden, eine der Einnahmenquellen von Couchsurfing. Schutz vor eindeutig zweideutigen Angeboten bietet das freilich nicht: “Couchsurfing hat sicher Zukunft“, sagt Buchautor Wigge, der sich auch bei Kurzreisen im Inland gerne in fremden Wohnzimmern einquartiert. “Aber das ist schon mehr ein Single-Ding. Ich habe öfter mitbekommen, dass Frauen ganz klare Sexangebote bekommen haben.“
MEHR INFOS ZUM COUCHSURFING
IM INTERNET: www.couchsurfing.org http://de.wikipedia.org/wiki/CouchSurfing
DAS BUCH: Ohne Geld bis ans andere Ende der Welt. Einer Abenteuerreise. Von Michael Wigge, erscheint Ende Mai im Kiwi-Verlag, 224 Seiten, 8,95 Euro
AP