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Mittwochs in Manchester

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Brückenschlag von der Industriemetropole zur Kulturhauptstadt: Manchesters Image wandelt sich. Der Fußball aber spielte in der Stadt immer die Hauptrolle. © A.W./ dpa

Kommende Woche ist der FC Bayern zu Gast bei Manchester City. Für die Münchner Fußball-Stars ist das Duell sportlich nur noch Nebensache, sie sind bereits für die nächste Champions League-Runde qualifiziert.

Umso besser – so können sie den Ausflug auf die Insel richtig genießen. Reporter Andreas Werner ist vorausgereist in die Stadt, die auch jenseits des grünen Rasens Überraschendes zu bieten hat.

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Der Spieler-Eingang zum Stadion mit der Inschrift „Pride in Battle“ (Stolz im Kampf). © A.W./ dpa

Allan heißt eigentlich Mwaka. Vor Jahren ist er aus dem Sudan emigriert, längst fühlt er sich heimisch in England, und für sein Geschäft, hat er sich überlegt, ist ein britischer Name einfacher. Allan geht leichter über die Lippen als Mwaka, erzählt er und entblößt bei einem Lächeln strahlende Zähne im dunklen Gesicht. Allan/Mwaka verkauft im Herzen von Manchester Luftballons, an einem Stand, der sich ziemlich exakt zwischen den Fußball-Stadien von Manchester United und Manchester City befindet. An Spieltagen hat er ein besonderes Produkt im Angebot: Einen aufblasbaren Hammer, es gibt ihn in rot und in blau, den jeweiligen Farben der Lokalrivalen. Welcher besser geht, entscheidet sich nach dem Abpfiff, welche Mannschaft halt mehr Dampf ablassen muss. Aber alles friedlich, versichert Allan/Mwaka. „Und besser, sie schlagen sich mit einem Hammer aus Luft, oder?“

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© A.W./ dpa

Gerade jetzt, da der Besuch des FC Bayern ansteht, ist Fußball mehr als sonst Stadtgespräch. Obwohl es kaum von Fairplay zeugt, wenn man Manchester als bloße Fußball-Hochburg abtun würde. Längst hat man den Übergang vom grauen Moloch zur modernen Stadt geschafft. Wer sich an Allan/Mwakas Stand einmal um die eigene Achse dreht, sieht einen architektonisch anspruchsvollen Mix aus historischen Backsteingebäuden und futuristischen Glasfassaden, sieht eine Vielzahl an gemütlichen Pubs, edlen Restaurants, Museen und Theatern. 8,5 Millionen Touristen zählt Manchester derzeit pro Jahr, das bedeutet Platz drei im Königreich hinter London und Edinburgh. Man hat sich etabliert als lohnenswertes Ziel für einen Kurzurlaub.

Auch das Gastspiel des deutschen Rekordmeisters symbolisiert einen gewissen Wandel in der Stadt. Die Münchner waren schon öfter zu Besuch, allerdings immer bei United. Diesmal treffen sie im Rahmen des Kräftemessens von Europas Elite auf ManCity, das sich nach Jahrzehnten im Schatten des Rivalen dauerhaft im Rampenlicht einrichtet.

Wenn die Bayern-Stars im Stadion die letzten Meter von der Kabine auf den Rasen zurücklegen werden, leuchtet am Tunneleingang in großen Lettern die Inschrift „Pride in Battle“ über ihren Köpfen. „Stolz im Kampf“, das ist das Klubmotto, und ja, stolz sind die Anhänger ManCitys derzeit gewaltig. Sie haben lange leiden müssen.

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In den Katakomben des Stadions von ManCity ziert sein Foto mehrere Wände: Das Torhüter-Idol Bert Trautmann (m.) ist der Lieblingsdeutsche des Vereins, bis heute hat er Kultstatus. Zur Legende wurde Trautmann, als er 1956 beim 3:1 im englischen Cup-Finale über Birmingham trotz fünf gebrochener Halswirbel das ganze Spiel durchhielt. Englands Fußballstar Bobby Charlton nannte Trautmann den besten Torwart, gegen den er je gespielt habe. Der heute 88-Jährige wohnt inzwischen in Valencia, besucht seinen Herzensklub ManCity aber regelmäßig. Für die deutsche Nationalelf spielte er nie, da der damalige Nationaltrainer Sepp Herberger prinzipiell keine Spieler nominierte, die im Ausland angestellt waren. © A.W.

Über dem Tresen im Haupteingang der fünftgrößten Arena Englands (48.000 Zuschauer) hängen drei Uhren. Eine zeigt die Zeit von Manchester, eine die von New York, eine die von Abu Dha Nahyan im September 2009 dem thailändischen Premier Thaksin Shinawatra die Hauptanteile des Vereins für 185 Millionen Euro abkaufte, geht es bergauf. Der arabische Gönner pumpte über 450 Millionen Euro in den Klub, aktuell führen „The Citizens“ die Premier League an – noch vor dem Stadtrivalen. Im Stadion wurde nirgendwo gespart, alles ist vom Feinsten. Mit einem Unterschied: Der wahre Luxus kommt nur dem Heimteam zugute. ManCitys Spieler wärmen sich bei Kälte in einem separaten Fitnessraum auf, der Gegner muss sich draußen einspielen. In der Kabine hocken die Gastgeber auf Polstersitzen, die Gäste haben nur Holzbänke. Es kursiert der Scherz, dass diese extra noch einmal angehobelt werden, wenn ManU zu Gast ist. Auch während der Partie gibt es einen feinen Unterschied: Die Ersatzspieler der „Citizens“ können eine Sitzheizung einschalten. Die Bayern werden keine haben.

Auf dem Rückweg lacht unser Taxifahrer laut, als er von dieser Chancenungleichheit hört. Er ist Fan von United und hat für den Rivalen wenig übrig. Wie jeder Taxifahrer in dieser Stadt ist auch er beim Thema Fußball gleich Feuer und Flamme, doziert über Taktik und Transfers, als sei er selbst der Trainer. „Merkt euch den Namen Phil Jones, den haben wir gerade für 18 Millionen gekauft, der wird mal Englands Kapitän“, sagt er, und beim Zahlen erkundigt er sich ganz nebenbei nach dem Vertrag von Bastian Schweinsteiger: „Wie lange ist er bei Bayern gebunden? Den könnte ManU gut gebrauchen. Unser Mittelfeld ist Mist.“

An der Tür des „Thirsty Scholar“ hängt ein Schild: Kein Einlass mit Fußball-Shirts. Ein Indiz, dass es doch nicht immer so friedlich zugeht, wenn Anhänger der beiden Lager aufeinandertreffen? Craig Gill schüttelt den Kopf. „Nein, Pubs und Clubs in Manchester legen einfach nur Wert auf Stil.“

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Manchester: Mehr Musik statt Maloche

In Manchester gibt es kaum Grenzen, vom feinen „Room Restaurant“, das ebenso Drehort einer Szene aus „Sex and the City“ sein könnte, über ein paar Guinness zwischen gepiercten Rockern im „Thirsty Scholar“ bis hin zu einem Drink bei wummerndem Techno-Beat im „Warehouse Project“. Am Wochenende lässt es Manchester krachen. Die Stadt hieß auch mal „Madchester“, weil die Musikszene einen verrückten Ruf genoss.

Craig Gill war einst Mitglied der Band „Inspiral Carpets“, heute führt er Besucher im Rahmen einer Music Tour an die Geburtsstädten von „Oasis“, „The Smiths“ und „Take That“. Er weiß alles über den Rhythmus dieser Stadt, doch als Fan von ManCity weiß er auch, wie sehr der Fußball dieser Tage den Takt vorgibt. Das Hinspiel gewannen die Münchner 2:0, „aber da waren wir auf die Bayern noch nicht eingestellt“, sagt er. An Allan/Mwakas Stand könnten wieder Hammer aufliegen. Blau und rot würde bei diesem Duell ja auch passen.

Andreas Werner

DIE REISE-INFOS ZU MANCHESTER

REISEZIEL Manchester liegt im Nordwesten von England und hat knapp 500.000 Einwohner, im gesamten Einzugsgebiet leben 2,5 Millionen Menschen. Nach London und Birmingham ist Manchester die drittgrößte Stadt der britischen Insel.

ANREISE Ryanair fliegt ab sofort fünfmal wöchentlich vom Allgäu-Airport in Memmingen nach Manchester. Hin- und zurück ab ca 68 Euro inklusive aller Steuern und Gebühren.

REISETYP Für Städtereisende, die die gängigen Millionen-Metropolen schon abgeklappert haben. Neben der Fußballgeschichte hat die Musikszene von Manchester eine lange Tradition.

REISEZEIT Manchester ist ein Ganzjahresreiseziel. Mit dem typisch englischen wechselhaften Wetter muss man immer rechnen. Auch zur Weihnachtszeit putzt sich die Stadt immer mehr heraus. Dieses Jahr startet erstmals vor dem beeindruckenden Rathaus ein Christkindlmarkt nach deutschem Vorbild.

SEHENSWERT Manchester Art Gallery, Riesenrad Wheel of Manchester mit Blick über die City, Castlefielt und die Uferpromenaden der Stadtkanäle, das Kulturzentrum The Lowry im Stadtteil Salford Quays, das Manchester Museum.

FUSSBALL Es werden sowohl für das Stadion von Manchester United als auch das von Manchester City Führungen angeboten, bei Manchester United mit Fußballmuseum. Öffnungszeiten täglich (außer an Spieltagen) von 9 bis 17 Uhr, Stadionführungen ab 9.30 Uhr alle 10 bis 20 Minuten, Online- Reservierungen unter https://websales.omniticket.com/muf).

MUSIKSZENE Die Bee Gees, Take That, Oasis und Morrissey sind Söhne dieser Stadt. Ein Muss für Musikinteressierte ist der Fac 51 Music Walk, ein zweistündiger Rundgang zu den bedeutendsten Schauplätzen der Musikgeschichte Manchesters. Manchester Music Touren mit Craig Gill sind jeden Tag buchbar unter E-Mail info@manchestermusictours.com, Tel. 0044/7958246917.

ESSEN Wer behauptet, die englische Küche biete nichts, wird in Manchester eines Besseren belehrt. Unsere Tipps: The Room (81 King Street, Tel. 0044/161-8392005), Smoak Bar and Grill (Malmaison Hotel Piccadilly, Tel. 0044/161-2781000) und Australasia (1 The Avenue, Spinningfields, Tel. 0044/161-8310288).

WEITERE INFOS Visit Britain, Fremdenverkehrsamt für Großbritannien in Berlin, Tel. 030/3157190, www.visitbritain.de.

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