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Portugal setzt auf Kulturhauptstadt Guimarães

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Der Platz Largo da Oliveira ist das touristische Zentrum von Guimarães. © dpa

Die Europäische Kulturhauptstadt Guimarães soll der maroden Wirtschaft im Schuldenland Portugal neue Impulse geben. Ein Riesenfest am Samstagabend läutet die verheißungsvolle Kultur-Zeit ein.

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Die Burg von Guimaraes in Portugal. © dpa

Europas Armenhaus setzt auf Kultur als Krisen-Killer: In Portugal, das von Bankrottdrohungen, Wirtschaftsflaute, Protesten, Streiks und Zukunftsangst geplagt ist, weckt die Europäische Kulturhauptstadt Guimarães 2012 ungewöhnlich große Hoffnungen. Einen Beitrag zur wirtschaftlichen Erholung des Landes erhofft sich der Schriftstellerverband SPA. Innenminister Miguel Macedo ist sogar davon überzeugt, dass Guimarães einige Finanzprobleme kompensieren, die Jugend mobilisieren und zur Förderung des unternehmerischen Geistes im ärmsten Land Westeuropas beitragen wird.

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Das Kloster Santa Marinha da Costa aus dem Jahre 1154 gehört zum touristischen Pflichtprogramm in der Altstadt. © dpa

Der Startschuss fällt am Samstagabend mit der Eröffnungsfeier im Pavilhão Multiusos, bei der es neben Politiker-Reden und der Programmpräsentation auch Musik- und Theateraufführungen geben wird. Mit von der Partie werden unter anderem Portugals Gitarrenvirtuose Manuel d'Oliveira und der auch in Deutschland beliebte brasilianische Musikpoet Chico César sein. Als Höhepunkt gilt aber der Auftritt der katalanischen Schocktruppe La Fura dels Baús. Die Spanier präsentieren sich auf dem Platz Largo de Toural mit einer eigens für die Eröffnung vorbereiteten Inszenierung. Das ebenso verträumte wie avantgardistische Universitätsstädtchen am Fuße der Serra da Penha gilt als Wiege Portugals. Hier, etwa 350 Kilometer nördlich von Lissabon, wurde der spätere König Alfons I. (um 1109-1185) geboren, der im 12. Jahrhundert die Grafschaft Portucale von Spanien unabhängig und Guimarães zur ersten Hauptstadt des Landes machte. „Hier wurde Portugal geboren“, prangt deshalb groß auf der Stadtmauer. Fast 900 Jahre später will Guimarães die Europäer erobern. Mit rund 50 000 Einwohnern ist es zwar die kleinste Kulturhauptstadt der Geschichte, nach Ansicht der Regierung von Pedro Passos Coelho soll es aber auch die beste sein.

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Von einem Balkon aus ist die Kirche Nossa Senhora da Oliveira in Guimaraes, Portugal, zu sehen. © dpa

In Guimarães pulsiert, von den meisten Portugal-Touristen an der Algarve und in Lissabon noch unentdeckt, ein buntes Szene- und Kulturleben. Als aufregendes Ziel bezeichnete die „New York Times“ die Stadt, der Reiseführer „Lonely Planet“ nennt sie atemberaubend schön. Beliebtester Treffpunkt der Stadt, die zu den jüngsten Europas gehört (jeder zweite Einwohner ist jünger als 30 Jahre), ist der Praça da Oliveira, der Olivenbaumplatz. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit beginnt er sich mit Künstlern aller Couleur, mit Familien, Jugendlichen und Berufstätigen zu füllen, die den Feierabend genießen.

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Im malerischen mittelalterlichen Stadtzentrum, das seit 2001 auf der Unesco-Welterbe-Liste steht, wird dieser Tage noch eifrig geschweißt, gehämmert und geputzt. Mit einem Gesamtetat von 118 Millionen Euro, der zu 15 Prozent mit EU-Mitteln gedeckt wird, entsteht unter anderem auf dem Gelände des alten Marktplatzes eine „Plattform der Künste“. Die Bühnen, Ateliers und kreativen Läden sollen im Juni eröffnet werden. Die brasilianische Künstlerin Bia Lessa errichtet ein interaktives „Haus des Gedächtnisses“. Die aus dem zehnten Jahrhundert stammende Stadtburg sowie der um 1420 erbaute Prachtpalast Paço Ducal sind frisch restauriert.

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Unter den Arkaden am Oliveira Platz in Guimaraes, Portugal © dpa

Das 25 Millionen Euro teure Jahresprogramm umfasst mehr als 500 Veranstaltungen. Es wird Konzerte, Vorträge, Ausstellungen, Film- und Theateraufführungen sowie interaktive Straßenshows geben. Der legendäre französische Filmregisseur Jean-Luc Godard hat sich angekündigt. Der peruanische Literatur-Nobelpreisträger von 2010, Mario Vargas Llosa, soll eine Diskussionsreihe leiten. „Wir erwarten 1,5 Millionen Besucher“, schätzt João Serra, der Präsident der Guimarães-Stiftung. Auch er ist voller Hoffnung und erwartet „wichtige Impulse für die soziale, ökonomische und städtische Regeneration“.

dpa

Guimarães - Kulturhauptstadt 2012

Die knapp 40 Kilometer nordöstlich von Porto gelegene Universitätsstadt Guimarães gilt als „Wiege der Nation“. Um 1109 kam hier Alfons I. zur Welt, der zum ersten König von Portugal gekrönt wurde. Die Unesco erklärte das historische Zentrum 2001 zum Weltkulturerbe. Aus der bewegten Stadtgeschichte, die wohl bis in die Zeit der Iberer zurückreicht, sind viele bedeutende Baudenkmäler erhalten: das Castelo, eine mächtige Burg aus dem 10. Jahrhundert oder der ehemalige Palast der Herzöge von Braganza aus dem 15. Jahrhundert. Bekannt ist Guimarães mit seinen rund 50 000 Einwohnern auch für traditionelle Messerherstellung.

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