In zwei Tagen mit dem Rad durch den Himalaya

Nur mit Muskelkraft über die höchsten Pässe der Welt? Der Radfahrer Jacob Zurl ist ohne Schlaf und große Pausen durch den Himalaya gefahren. Seine Unterstützung: ein Kopfhörer und seine Freundin.
Bei der Tour de France sprechen die Besten schon von Qual, wenn sie mit ihren Fahrrädern über Alpen-Pässe müssen - da kann Jacob Zurl nur müde lächeln. Der Österreicher hat sich gerade in nur zwei Tagen über acht Pässe im indischen Himalaya gekämpft: ohne größere Pausen, ohne Schlaf, ohne Straßenabsperrung, dafür meist auf mehr als 4.000 Metern Höhe.
517 Kilometer lange Strecke über Schotter
„Die letzten Meter habe ich runtergezählt, und nun bin ich extrem erleichtert“, sagt der 26 Jahre alte Extrem-Radsportler im Interview. „Denn das ist eine der gefährlichsten Straßen der Welt.“ Für die 517 Kilometer lange Strecke über Schotter und durch Schlaglöcher brauchte Zurl 38 Stunden und 40 Minuten. Das hat seinen Angaben zufolge noch nie jemand geschafft. Deswegen soll die verrückte Fahrt nun ins Guinness-Buch der Rekorde.
Die Straße führte ihn über einige der welthöchsten fahrbaren Pässe, der höchste davon zieht sich bis auf 5359 Meter. Um das durchzustehen, ließ Zurl sich vom Begleitfahrzeug aus isotonische Getränke und Flüssignahrung reichen. Dazu gab es Kohlenhydrate in Form von Nudeln, Reis und Kartoffeln. „Doch der Körper hat sich so aufs Treten und nicht auf die Verdauung konzentriert, dass mir das Essen sehr schwer im Magen lag“, sagt er. Schließlich musste er sich übergeben.
Dünne Luft in 5359 Metern Höhe
Eine weitere Belastung sei die extrem dünne Luft in den Bergen gewesen, erzählt Zurl. „Unterwegs hat meine Freundin, die Medizin studiert, immer wieder die Sauerstoffsättigung in meinem Blut gemessen und meine Lunge abgehört“. Die Werte seien so niedrig wie nie zuvor in seinem Leben gewesen. „Meine Freundin sagte zu mir, wenn ich so ins Krankenhaus gehen würde, würden sie mich sofort auf die Intensivstation legen.“
Angst habe er nicht gehabt, aber: „Ich hatte enormen Respekt.“ Seit er vor zwei Jahren ein Lungenödem hatte, könne er besser auf seinen Körper hören und Situationen einschätzen. Tatsächlich hat Zurl, der aus Graz stammt, schon einiges an Extremsport-Erfahrung. In diesem Jahr gewann er den Glocknerman der sogenannten Ultramarathon Weltmeisterschaft. Zuvor hatte er einen Weltrekord aufgestellt, indem er in 48 Stunden 28.789 Höhenmeter fuhr.
Doch nichts konnte ihn auf die Straßenverhältnisse in Indien vorbereiten. Etwa die Hälfte der Strecke war nicht geteert, sondern bestand aus losem Schotter. Immer wieder wurde die kurvige Strecke einspurig, dann musste ein Bagger einen kleinen Erdrutsch beseitigen. Und als er auf den Rohtang-Pass fuhr, sah Zurl einen Lastwagen, der kurz zuvor den Abhang heruntergestürzt war. Sein Rezept dagegen: „Ich höre auf einem Ohr Musik, ein Lied rauf und runter. Das ist wie Meditation für mich.“
Zurl ist ohne Sturz durchgekommen, und nur einmal hatte sein Rad einen Platten. Sein Körper ist mitgenommen von der Tortur. „Ich habe einen irrsinnigen Muskelkater und Kreuzschmerzen“, sagt er. Auch habe er am Schluss wegen all der Erschütterungen auf den schlechten Straßen seinen Lenker nicht mehr richtig festhalten können. Und womit hat er sich für seine Extremtour belohnt? „Einem Bier.“
dpa