Eine Münchnerin in Venedig

Seit 20 Jahren fährt sie hin, machmal im Frühjahr, im Herbst und im Winter, gleich dreimal hintereinander, manchmal auch viel länger als nur für ein paar Urlaubstage.
Die Münchnerin Sieglinde Köhle ist nicht nur einfach eine Venedig-Touristin, sie ist Venedig-Kennerin, die beste. Eine, die hinter die Kulissen schaut. Jetzt hat sie ein Buch geschrieben.
Oh, sie ist eine geheimnisvolle Schöne. Venedig, die Stadt der Liebe und der Kanäle: Jeder hat ein paar Bilder dazu im Kopf, vom Palazzo bis zur Gondel – aber kaum jemand weiß, wie es jenseits der Touristen-Fassaden wirklich aussieht. Dabei gibt es sie ja noch, die ursprünglichen Ecken. Die Plätze, wo sich das wahre Leben der Einheimischen abspielt. Man muss nur wissen, wo man hinschauen muss – so wie Sieglinde Köhle.
Sie ist Münchnerin, aber irgendwie auch fast schon ein bissl Venezianerin. Seit einem Urlaub vor rund 20 Jahren ist sie der Lagunenstadt verfallen. In der Regel ist sie seitdem drei Mal pro Jahr länger in Venedig, lebt und atmet den ganz besonderen Rhythmus, der dort pulsiert. Sie sagt: „Mich fasziniert der Alltag – es ist wirklich eine andere Art zu leben. Das geht zum Beispiel schon damit los, dass es keinen Autoverkehr gibt. Deshalb treffen sich die Leute viel öfter auf der Straße, und deswegen redet man auch mehr miteinander …“
Für Sieglinde Köhle sind es nicht nur die Kanäle und die Gondeln, die diese Stadt so besonders machen. Es ist die Summe aus vielen Kleinigkeiten. Eine ganze Reihe davon hat die Münchnerin jetzt in einem Buch gesammelt. In „Venedig der Venezianer“ entführt sie uns mit kleinen Geschichten und vielen Bildern an einen Ort, von dem wir eigentlich dachten, wir würden ihn kennen …
Sehen Sie selbst:
Der Alltag in einer nicht alltäglichen Stadt
- Das große Ganze
Kein gutes Gefühl: Die Einwohnerzahl schrumpft und schrumpft. Im März 2013 waren nur noch knapp über 58 000 Bürger gemeldet – ungefähr ein Drittel verglichen mit dem Stand von 1951. Sieglinde Köhle sagt: „Die Leute, die noch

dort leben, empfinden zwar noch echte Begeisterung für ihre Stadt – allerdings werden es immer weniger …“ Das liege vor allem daran, dass Wohnen zu teuer werde: „Die Mieten steigen einfach ins Unbezahlbare.“ Das verdränge die Einheimischen, locke reiche Zweitwohnungs-Interessenten an. Und was früher mal ein Familien-Palazzo war, wird gern zum Hotel oder Kaufhaus umgewidmet … Das alte Venedig verschwindet Stück für Stück. Sieglinde Köhle sagt, jetzt könne man die echte Stadt noch erleben. Aber wie lang noch …? „Irgendwann ist alles nur noch ein großes Museum – mit Hotels, Hotels, Hotels.“
- Einkaufen ohne das Auto
Es gibt zwar den einen oder anderen Supermarkt in der Stadt, aber die kleinen Lebensmittelgeschäfte dominieren. Eh klar: Wo man nicht mit dem Auto hinkommt, kann man nicht parken und keine Großeinkäufe erledigen. Also holen sich die Leute ihre Lebensmittel in kleineren Mengen, dafür Tag für Tag. Sieglinde Köhle sagt: „Die kleinen Geschäfte haben ein überraschend großes Angebot – und sie sind bei den Einheimischen beliebt.“
- Tiere und Gärten
Sieglinde Köhle sagt: „Venedig ist eine Steinstadt, es gibt kaum Grünflächen, fast keine Bäume. Deshalb machen die Venezianer ihre Balkone oder Terrassen zu kleinen Gärten. Und viele halten auch Hunde und Katzen. Diese Tiere bekommt man allerdings im Sommer in der Innenstadt kaum zu Gesicht. Nicht, dass sie sich mit den Touristen ins Gehege kommen…
- Hochwasser in der Buchhandlung
Manche Venezianer entwickeln ihren ganz eigenen Humor.

Beziehungsweise: Sie sind ja eigentlich dazu gezwungen, ihn zu entwickeln. So wie der Buchhändler, dem immer wieder das Hochwasser in den Laden schwappt. Deshalb hat er sein Geschäft gleich Acqua Alta genannt, was auf Italienisch „Hochwasser“ bedeutet. Dazu passen auch die Badewannen im Verkaufsraum, voll gefüllt mit Büchern. Sicher ist sicher.
- Die Kreuzfahrer
Segen oder Fluch? Wahrscheinlich beides. Venedig ist eine beliebte Anlaufstelle für Kreuzfahrtschiffe. Sieglinde Köhle sagt: „Pro Wochenende kommen bis zu 25 Schiffe. Das ist eigentlich eine Katastrophe – allein wenn man daran denkt, was das für die Umwelt bedeutet. Aber die Stadt ist auf die Hafengebühren angewiesen.“
- Kunst aus Glas
Auch dafür ist die Stadt berühmt – die transparenten und schillernden Gegenstände in allen Farben des Regenbogens. Stichwort Murano, die Glasbläserinsel. Sieglinde Köhle findet: „Der Umgang mit dem Glas ist tatsächlich noch echtes Handwerk und echte Kunst.“ Entsprechend sind allerdings auch die Preise. Köhle weiß: „Man kann 3000 oder 4000 Euro für eine Vase ausgeben.“
- Auf dem Wasser
Giorgia ist die einzige Frau, die eine der begehrten Gondel-

Lizenzen hat. Die Scheine werden vererbt – und man muss eine Reihe anspruchsvoller Prüfungen ablegen. Die Gondolieri prägen das Bild der Stadt. Sieglinde Köhle sagt: „Ich persönlich fahre nicht mit der Gondel, das ist mir zu touristisch. Auch die Venezianer selber benutzen die Gondel nicht.“ Stattdessen gibt’s das Vaporetto – eine Art MVV-Schiff.
- Beliebte und berühmte Cafés
Das bekannteste Café der Stadt ist das Florian am Markusplatz – geschichtsträchtig, teuer und sehr touristisch. Sieglinde Köhle nennt als Alternative das Caffè al Ponte del Lovo oder das Rosa Salva: „Da habe ich auch mal Donna Leon getroffen.“
Das Buch

"Venedig der Venezianer" von Sieglinde Köhle ist im Morsbach Verlag erschienen und kostet 24,90 Euro*. Im Buchhandel oder online beim www.heimatshop-bayern.de.
Heichele Uli
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