Die Torlos-Eintracht

Frankfurter Bundesligist kreiert viel zu wenige Chancen, weshalb er kaum Treffer erzielt und in vier der letzten fünf Spiele leer ausging. Das müsste einem zu denken geben.
Eine gute Stunde war in diesem eingleisigen Bundesligaspiel zwischen Eintracht Frankfurt und dem FC Bayern gespielt, da hätte sich Geschichte wiederholen können – wenn Filip Kostic nicht eine grundsätzlich falsche Entscheidung getroffen hätte. Jesper Lindström hatte das Eintracht-Powerbündel auf die Reise geschickt, halblinks, spitzer Winkel, eine perfekte Filip-Kostic-Position, eine Situation, die er im Hinspiel in München gegen Manuel Neuer mit einem platzierten Schuss ins lange Eck zum 2:1-Siegtreffer nutzte.
Doch der Filip Kostic 2022 ist nicht mehr der Filip Kostic aus dem Jahr 2021, der heutige Filip Kostic bremst ab, hakt nach Innen und versucht den Ball abzulegen. Das Ganze mündet dann in einem kläglichen Torschuss von Hintermann Christopher Lenz, der den Ball ungefähr 13,5 Meter am Kasten vorbei schlenzte. Chance perdu.
Die größte Gelegenheit, mal wieder ein Tor zu schießen, ließ ebenfalls Filip Kostic aus, nach einem herrlichen Zuspiel von Lindström setzte er den Ball mit der rechten Innenseite Zentimeter an der Stange vorbei (6.), besser wäre es gewesen, er hätte die Kugel mit der Spitze seines starken linken Fußes in die kurze Ecke gespitzelt. Aber das ist irgendwie typisch. Und steht stellvertretend für das, was Sportvorstand Markus Krösche etwas sperrig so beschreibt: „Das Entscheidungsverhalten ist unser Thema.“ Will sagen: Zu oft machen die Spieler das, was sie besser nicht machen sollten. „Wir müssen bessere Entscheidungen treffen und die Angriffe sauber zu Ende spielen“, präzisiert er. „Das zieht sich durch.“
Das stimmt sicherlich, doch es sind nicht nur die letzten Pässe, die nicht ankommen, generell ist das Eintracht-Spiel wieder zu holprig, fehlerbehaftet und ausrechenbar, da wird zu viel gebolzt und zu wenig kombiniert. Das ist der Hauptgrund, weshalb die Hessen in vier der letzten fünf Spielen ohne eigenen Treffer blieben und in den letzten drei Partien jeweils nur eine Großchance für sich verbuchen (und vergeben) konnten: Gegen Wolfsburg versiebte Lindström, in Köln Sebastian Rode und nun gegen die Bayern eben Kostic. Alles andere sind allenfalls Halbchancen.
Sportboss Krösche sieht sich dennoch nicht an den trüben Saisonbeginn erinnert. „Wir sind jetzt besser, machen es aber im Spiel nach vorne nicht gut. Uns fehlt der letzte Punch.“ Vielleicht ist das aber auch einfach eine Frage der grundsätzlichen Klasse? Dem widerspricht Krösche energisch: „Das ist kein Qualitätsproblem, sondern ein Entwicklungsthema.“ Nur durch intensives Training könne man den Trend umkehren. „Wir dürfen jetzt nicht verzweifeln und verkrampfen“, fordert Torwart Kevin Trapp. „Wenn du zu viel nachdenkst, wirst du unentspannt und dann passiert sowieso nichts.“
Aber natürlich ist die Harmlosigkeit auch der Formschwäche und dem fehlenden Selbstvertrauen einzelner Spieler geschuldet. Daichi Kamada etwa wirkte nach dem Rüffel von Trainer Oliver Glasner in der Vorwoche doch arg verunsichert, als er gegen die Bayern eingetauscht wurde. Rafael Borré, überspielt, blieb nur ein Platz auf der Bank. Der harmlose Neuzugang Ansgar Knauff heimste zwar ein Extralob des Trainers ein, aber nicht wegen seiner Leistung, sondern weil er das Publikum mit einem energischen Einsatz und einer entsprechenden Geste zurückgeholt habe. Und Filip Kostic kommt einfach nicht auf Touren, wirkt seltsam gehemmt, dabei ist er der Spieler, der den Unterschied machen kann, ihn aber schon lange nicht mehr gemacht hat.
Bleibt Jesper Lindström, der zwar seine Form konserviert hat, aber keine Torgefahr mehr ausstrahlt und gegen die Bayern Lehrgeld zahlen musste. An den Münchner Abwehrkanten zerschellte er förmlich.
Bleibt die vage Hoffnung auf einen irgendwie platzenden Knoten. Oder mal wieder Makoto Hasebe aufstellen. Der ist zwar keine Offensivkraft, verleiht dem Spiel aber viel mehr Klarheit, Struktur und Sicherheit. Hilft womöglich sogar beim Toreschießen.