Eintracht bangt um Champions League - Wird Trainer Adi Hütter zum Problem?

Mutlose Eintracht verliert in Leverkusen und muss aufpassen, nicht alles zu verspielen. Angst ist jetzt der größte Gegner.
Frankfurt – Es gibt einige Menschen, die der festen Überzeugung sind, dass der, nun ja, leicht ungelenke Auftritt des Frankfurter Vereinspräsidenten Peter Fischer an der ZDF-Torwand das Eintracht-Gesamtbild an diesem Samstag perfekt abgerundet hat. Kurz nach Mitternacht ließ der 65-Jährige, stilsicher in roten Turnschuhen auf blauem Anzug, den Ball mit einem seicht angehauchten Tritt insgesamt sechsmal in Richtung des Ziels hoppeln, eine Chance zu treffen, hätte er vielleicht dann gehabt, wenn man die Löcher flugs auf die Größe eines echten 7,32 Meter breiten Tores erweitert hätte. Sein Widersacher an diesem Abend zeigte, wie es geht, aus dem Stand hämmerte Amateurspieler Geovane Damaceno viermal hinein ins Schwarze. 0:4 also. Passte irgendwie.
Nicht ganz so chancenlos war die Profimannschaft der Eintracht ein paar Stunden zuvor in Leverkusen, doch bei der 1:3 (0:0)-Niederlage hätte sich die Frankfurter Entourage so ein bisschen mehr Peter-Fischer-Leidenschaft gewünscht, der abseits der Torwand im Aktuellen Sportstudio einen typischen Peter-Fischer-Auftritt hinlegte , mit viel Emotionalität und Kampfeslust. „Leverkusen war giftiger und galliger“, stellte das Eintracht-Unikum fest. „Aber für uns ist das ein Stück weit doch noch immer wie im Märchen, wir müssen positiv bleiben und das Ding rocken.“
Eintracht Frankfurt: „Leverkusen war besser, auch fußballerisch“
Jedoch: Nimmt man die Darbietung unterm Bayer-Kreuz als Maßstab, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass Eintracht Frankfurt im Schlussspurt noch alles vergeigt um einiges größer als die erstmalige Qualifikation für die Champions League. Die Leistung der Hessen im Rheinland genügte schlichtweg nicht den Ansprüchen, die ein Team in dieser Saisonphase und auf Rang vier haben muss. „Leverkusen war besser, auch fußballerisch“, urteilte Trainer Adi Hütter.
Die Eintracht fiel in alte Muster aus der Vorrunde zurück, war viel zu mutlos, ja fast schon hasenfüßig. „Lethargisch und behäbig“ fand Abwehrchef Martin Hinteregger den Auftritt, gerade im ersten Abschnitt. Von dem Selbstverständnis, mit dem die Mannschaft vor einigen Wochen noch die Gegner hergespielt, die Bayern geschlagen, in Dortmund gewonnen, den VfL Wolfsburg niedergehalten hat, davon ist wenig bis nichts mehr geblieben, das Beschwingte ist aus dem Spiel verschwunden. Genauso wie die spielerische Finesse und das einst famose Kombinationsspiel.
Eintracht Frankfurt: Wird Adi Hütter zum Problem?
Das in Leverkusen Dargebotene erinnerte stark an die Vorstellung im Hinspiel gegen den VfL Wolfsburg im Dezember, als die Eintracht ähnlich ängstlich agierte, nur verwaltete, versuchte, eine glückliche Führung über die Zeit zur retten und letztlich auf die Bretter geschickt wurde. So war es auch jetzt, die Mannschaft schien mit einem Unentschieden zufrieden zu sein, der letzte Wille, das Spiel zu gewinnen, war nicht auszumachen. Ganz im Gegensatz zu dem Gastspiel in Dortmund etwa, als man spürte, dass das Team die Partie auf Teufel kommen raus für sich entscheiden wollte (und es auch schaffte).
Auch von Außen kamen keine Signale, der Trainer wartete mit den ersten Einwechslungen, bis die Mannschaft in Rückstand geraten war. Hütter ist verantwortlich für Auf- und Einstellung des Teams – so gesehen hat er dieses Mal nicht viel richtig gemacht. Seine Entscheidung, Aymen Barkok (und nicht Amin Younes) anstelle von Luka Jovic zu bringen, war eine falsche. Auffällig ist zudem, dass die Mannschaft seit seiner Ankündigung, nach Gladbach zu wechseln, aus dem Tritt ist. Nicht mal, weil die Spieler so traurig sind, ihren Trainer zu verlieren. Da geht es jetzt eher um das „Lame-Duck-Prinzip“. Hütter hat mit seinem Status ein Glaubwürdigkeitsproblem, die Autorität schwindet, auch seine Entscheidungen werden zunehmend hinterfragt. Weshalb etwa Amin Younes, einer der besten Kicker, ins Abseits manövriert wurde, versteht kein Mensch. Wird der Trainer also zum Problem?
Eintracht Frankfurt: Klarer Abwärtstrend
Die Folge ist ein klarer Abwärtstrend. Von den ersten 28 Saisonspielen hat die Eintracht nur drei verloren, von den letzten drei Partien dafür aber zwei. Zufall? Eher nicht. Borussia Dortmund hat während der Englischen Woche sechs Punkte auf die Eintracht gutgemacht und liegt in Lauerstellung nur noch einen Zähler hinter ihr.
Ausschlaggebend ist sicher die veränderte Ausgangsposition, die Eintracht ist die Gejagte, hat plötzlich Angst, etwas, das doch zum Greifen nahe war, noch hergeben zu müssen. Da verkrampft man plötzlich, die Nerven flattern. Da spielt der Geist und das Unterbewusste eine große Rolle. Die psychologische Komponente ist nicht zu unterschätzen.
Der eigenwillige, aber mit guten Sensoren ausgestattete Verteidiger Hinteregger brachte es auf den Punkt. „Das Gefühl ist so ein bisschen umgeschwenkt: Vor ein paar Wochen hatten wir noch das Gefühl, die Champions League gewinnen zu können, jetzt hat man das Gefühl, sie verlieren zu können. Dieser Gedanke ist da und mit dem müssen wir besser umgehen.“ Hütter lässt das nicht gelten. „Der Druck ist da, aber damit muss man umgehen können.“ Wenn es so leicht wäre.
Hütter wird noch einmal versuchen, die Reihen zu schließen, alle hinter sich zu bringen und auf den großen Endspurt einzuschwören. Zuversicht gibt das Restprogramm mit zwei Heimspielen (Mainz und Freiburg) sowie dem Trip zum FC Schalke 04. „Das ist machbar“, sagt Hütter, der den BVB nach wie vor eher unter Zugzwang sieht. Blöd nur: Die Dortmunder sind im Flow, die Frankfurter haben einen kleinen Anti-Lauf. Die Vorzeichen haben sich umgekehrt. (Von Ingo Durstewitz und Thomas Kilchenstein)