Eintracht: Almstadt als Bobic-Erbe - Nicht der Favorit in Frankfurt

Eintracht Frankfurt nimmt Hendrik Almstadt vom AC Mailand als Nachfolger von Fredi Bobic ins Visier – doch wird er es auch?
Frankfurt - Auf den letzten Metern seiner Funktionärskarriere in der Fußballbundesliga hat der Frankfurter Sportdirektor Bruno Hübner seine Mitte gefunden, er ruht förmlich in sich. Wehmut oder vorgezogenen Trennungsschmerz ob seines Abgangs im Sommer verspürt er nicht, vielmehr die große Lust, sich mit „etwas Außergewöhnlichem“ von der Eintracht zu verabschieden. Was das ist, ist hinlänglich bekannt: die Qualifikation für die Champions League. „Das wäre phantastisch.“
Er, Hübner, werde keinen „Rücktritt vom Rücktritt“ machen, und selbst für eine Übergangsphase stünde er nicht zur Verfügung. „Das ist keine Option.“ Die Eintracht, davon ist er überzeugt, werde auch in Zukunft auf dem sportlichen Sektor bestens aufgestellt sein, selbst wenn er dann nicht mehr als Manager und Fredi Bobic nicht mehr als Sportvorstand werkeln wird. „Der Verein wird in kein Loch fallen.“
In der Tat läuft die Suche nach einem Nachfolger für den wechselwilligen Sportchef Bobic auf Hochtouren, gerade in den vergangenen Tagen sind viele Gespräche geführt und Aspiranten abgeklappert worden. Der Kandidatenkreis ist deutlich enger geworden, ein klarer Favorit hat sich aber nicht herauskristallisiert. Auch Hendrik Almstadt ist, wie auch der „Kicker“ richtigerweise berichtet, in der engeren Wahl – allerdings ist er nicht der Topkandidat. Der 48-Jährige, in Norddeutschland aufgewachsen, hat es aber zumindest weit oben auf die Frankfurter Namensliste geschafft.
Eintracht Frankfurt: Machtkampf mit Legenden
Das ist durchaus überraschend, denn Almstadt ist hierzulande ein unbeschriebenes Blatt. Seit gut zwei Jahren arbeitet er im Hintergrund beim italienischen Spitzenklub AC Mailand, er ist als Assistent der Geschäftsführung in der Elliott Management Corporation angestellt, der Besitzergesellschaft der Rossoneri. Er ist die rechte und die linke Hand von Milan-Boss Ivan Gazidis, beide haben großes Vertrauen zueinander. Der Deutsche ist eine Kapazität auf seinem Gebiet, gilt als kluger Strippenzieher aus der zweiten Reihen.
Die Eintracht ist quasi durch eine persönliche Beziehung auf die Fachkraft aufmerksam geworden, denn Almstadt jonglierte früher für Goldman Sachs mit Zahlen und lernte so den heutigen Aufsichtsratsboss der Eintracht, Philip Holzer, kennen, der einst für mehr als zwei Jahrzehnte in hohen Führungspositionen für die Investmentbank arbeitete. Über diese Schiene kam der Kontakt zustande. Zudem haben die Frankfurter Verantwortlichen den Norddeutschen als Mailands Verhandlungsführer des im Sommer 2019 abgewickelten Rebic/Silva-Deals schätzen gelernt.
Hendrik Almstadt: Vom FC Arsenal nach Eintracht Frankfurt
Almstadt hat das Geschäft von der Pike auf erlernt, war von 2010 bis 2015 für den englischen Spitzenverein FC Arsenal auf verschiedenen Feldern tätig, von Kaderplanung und Finanzen über Scouting und Vertragswesen, er war ein enger Mitarbeiter der „Gunners“-Legende Arsene Wenger und baute ein freundschaftliches Verhältnis zu Ivan Gazidis auf, der seinerzeit für Arsenal tätig war und ihn später nach Italien holte. Zwischenzeitlich versuchte sich Almstadt in erster Reihe als Sportdirektor von Aston Villa, doch schon im Januar 2016 wurde die Zusammenarbeit nach wenigen Monaten beendet. Das Engagement entpuppte sich als großes Missverständnis.
Der gewiefte Finanzexperte, der danach die Sportart wechselte und sich als Direktor für die Golf European Tour verantwortlich zeichnete, hat in Mailand im Schatten seines Chefs Gazidis eine nicht unerhebliche Fülle an Kompetenzen auf sich vereint, er stand sogar im Zentrum des Machtkampfs mit den Milan-Legenden Paolo Maldini und Zvonimir Boban, einen Machtkampf, den er für sich entscheiden sollte.
Eintracht Frankfurt: Fredi Bobic ist erst im Sommer weg
Das sind zweifelsfrei gute Referenzen, doch ist deswegen die Wahrscheinlichkeit, dass er Fredi Bobic im Sommer nachfolgen wird, automatisch hoch? Mitnichten. Gegen den einstigen Banker spricht vor allem, dass er mit dem hiesigen Markt und der Bundesliga aufgrund seines langen Auslandaufenthalts nicht besonders gut vertraut ist, er hat nie in der deutschen Premiumklasse gearbeitet. Das ist kein Ausschlusskriterium, aber es wäre sicher von Vorteil, die Usancen der Branche und deren Hauptdarsteller zu kennen.
Und dass er bei seinem ersten und einzigen Job in vorderster Linie, dem bei Aston Villa, nach nur einem guten halben Jahr und so manchem Zerwürfnis schnell wieder die Segel streichen musste, ist für den Posten als Sportvorstand eines großen und prosperierenden Bundesligisten mit Champions-League-Ambitionen nicht die allerbeste Empfehlung. Andererseits gibt es im Fußballgeschäft kaum jemanden, der seine generelle Qualifikation und sein fundiertes Fachwissen infrage stellen würde.
Eintracht Frankfurt hat große Ziele im Saisonende
Eine schnelle Entscheidung ist, so oder so, nicht zu erwarten. Die Eintracht sieht sich auf der Suche nach einem Bobic-Erben zeitlich nicht unter Druck. Denn bis der Staffelstab weitergereicht wird, vergehen noch einige Wochen, und zurzeit ist ohnehin alles aufs Gleis gesetzt. Bis zum Saisonende ist der Fahrplan durchdekliniert, es stehen keine wegweisenden Entscheidungen an. „Es gibt kaum Personalien, die nicht geklärt sind“, bestätigt der am Saisonende ausscheidende Manager Bruno Hübner. Erst nach Beendigung der Spielzeit werde das Transferkarussell Fahrt aufnehmen. „Im Moment ist kein Drive drin, es ruht alles.“
Auch die Verhandlungen um den Abgang von Fredi Bobic werden nicht mit Hochdruck geführt, aber beide Parteien sind optimistisch, dass bald eine Lösung herbeigeführt und der Weg zu Hertha BSC mit einigen Millionen freigeräumt wird. Unüberwindbare Hindernisse soll es nicht geben. Eine vorzeitige Trennung steht nicht im Raum, der sich absolut professionell verhaltende Bobic möchte die Saison in Frankfurt zu Ende bringen und sich nach fünf Jahren anständig verabschieden – am liebsten, na klar, in der Königsklasse.