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Eintracht Frankfurt senkt die eigenen Ansprüche

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Von: Ingo Durstewitz

Kevin Trapp von Eintracht Frankfurt beim Training
Ein Rückhalt wäre gut: Kevin Trapp. © Jan Huebner/Imago

Der hessische Bundesligist Eintracht Frankfurt richtet sich offenbar auf ein Jahr des Umbruchs und der Neujustierung ein.

Frankfurt – Der Frischling legt vor, das Urgestein zieht nach. Nachdem Mittelstürmer Sam Lammers also schon fand, die Leistung der Frankfurter Eintracht gegen den 1. FC Köln sei ganz prima gewesen, weshalb er, seit nicht mal einem Monat am Main daheim, stolz auf die Mannschaft sei, flankierte der alte Hase Timothy Chandler ganz ungeniert: „Ich bin einfach stolz auf die Jungs, wie wir alle dagegenhalten haben.“ Nun ja. Ist so eine Sache mit dem Stolz.

Stolz konnten die Frankfurter sicher über das dramatische Ausscheiden im Elfmeterschießen an der Stamford Bridge gegen Chelsea London sein, Europa League, Halbfinale, 2019. Oder, klar, auf den DFB-Pokal-Triumph 2018 gegen die Bayern, oder auch als Niko Kovac die Mission Impossible 2016 zu einem guten Ende brachte und die Eintracht in der Relegation gegen den 1.FC Nürnberg doch noch in der Klasse hielt. Fraglos. Aber nach einem wilden Gewusel und einem schmucklosen eins zu eins zu Hause gegen den Fast-Absteiger der Vorsaison? Die Zeiten haben sich geändert.

Nach dem Stotterstart mit zwei Niederlagen und einer langen Remis-Serie geht es der Eintracht zurzeit gar nicht darum, einen Gegner zu dominieren oder ihm mit spielerischen Mitteln zu begegnen, die Herangehensweise gegen den 1.FC Köln war ganz bewusst eine andere: lange Bälle, nicht zurückziehen, aufopfern, Haltung zeigen.

Eintracht Frankfurt: Chandler, das Sinnbild

Und sei es, mit einer klaffenden Platzwunde am Hinterkopf und einem Turban durchzuhalten – Timmy Chandler als Sinnbild. Frei nach dem Motto: Kampf bis zum letzten Tropfen. Daichi Kamada, der körperlos spielende Freigeist, blieb daher gleich draußen, Jens Petter Hauge, ein wuchtiger Offensiver, durfte ran.

Der 31-jährige Chandler war denn auch vollauf zufrieden mit dem Erlebten und Gebotenen. „Wir haben große Leidenschaft an den Tag gelegt. Wir wollten den Fans zeigen, dass wir alles versuchen“, sagte der Verteidiger. „Das muss nicht immer über spielerische Lösungen gehen. Ab und an tut es auch mal ein langer Ball nach vorne.“ Ab und an? Vielmehr war es Langholz in der Dauerschleife. Und dann: Gewurschtel drumherum. Wohlgemerkt: Als Eintracht Frankfurt, Fünfter der Vorsaison und mit Profis bestückt, die sehr wohl Fußball spielen können – wenn man sie denn ließe. Die Erwartungen und Ansprüche (an sich selbst) sind offenbar gesunken.

Es ist absolut verständlich, dass das Selbstvertrauen nicht das allergrößte ist, wenn man seit acht Spielen auf einen Sieg wartet, nicht gegen die Leichtgewichte aus Augsburg, Bielefeld, Stuttgart oder Köln gewinnen konnte. Wenn man auch noch die Hypothek aus der Vorsaison als schweren Rucksack mit sich schleppt, als auf den letzten Metern die historische Chance auf die Champions League vergeben wurde. Andererseits: Mit dieser Mannschaft in dieser Verfassung in der Königsklasse – das mag man sich gar nicht vorstellen.

Und es ist logisch, dass Trainer Oliver Glasner nicht müde wird, positive Aspekte zu suchen und auch zu finden. Jetzt war es, neben dem Fighting Spirit, etwa der erste Treffer von Neuzugang Rafael Borré, der den Coach zu einer etwas grundsätzlicheren Einlassung veranlasste: „Es heißt ja immer: Treffen die Offensiven? Lammers hat zwei Tore erzielt, Hauge hat zwei Tore erzielt und jetzt Borré einen. Alle Neuen haben sich jetzt schon mal eingetragen. Das ist in Ordnung.“ Mehr auch nicht.

Die Offensive ist vielmehr abhängig von Filip Kostic, der Lebensversicherung. Der Serbe zeigt nach seiner Wiedereingliederung tadellose Leistungen, in den letzten vier Spielen machte die Eintracht vier Tore – drei bereitete er perfekt vor, eins schoss er selbst. Noch Fragen?

Eintracht Frankfurt: Kevin Trapp im Tief

Nicht alle sind in solch einer blendenden Verfassung. Torwart Kevin Trapp etwa spielt bisher eine allenfalls durchwachsene Saison. Zweimal bügelte der Videoschiri grobe Patzer aus, er wirkt generell nicht sattelfest. Seine statistischen Werte sind unterer Durchschnitt, und sein Spiel mit dem Ball am Fuß war schon mal besser, sehr viel besser. Dabei ist ein Rückhalt für ein wankendes Team so wichtig – gerade wenn so vieles Neues zusammenwachsen muss.

Natürlich ist es nun, nach sechs Spieltagen, viel zu früh, eine Prognose abzugeben, wohin die Reise letztlich gehen wird. Dazu ist alles viel zu vage und in der Findung. Und doch fehlt die Fantasie sich auszumalen, dass diese Saison mehr wird als eine des Übergangs, des Justierens und der Neuaufstellung. Wer nach sechs Begegnungen nur fünf Punkte gesammelt und dazu noch internationale Strapazen zu bewältigen hat, wie am Donnerstag (18.45 Uhr) in der Europa League in Antwerpen, der wird es schwer haben, in der Bundesliga weit vorne zu landen. Intern glauben das ohnehin nur noch die wenigsten.

Ein Jahr des Stillstands ist vielleicht normal für einen Verein, in dem sich sehr vieles verändert hat und nicht nur die beiden wichtigsten Positionen, Sportvorstand und Trainer, neu besetzt wurden. Vieles muss sich einschleifen und herauskristallisieren, abseits des Platzes, aber auch auf dem Feld. Eine generelle positive Entwicklung wird es sowieso nur dann geben, wenn die neuen Spieler sich an die Bundesliga anpassen und ihr Niveau steigern – das ist vielleicht nicht allen, aber doch dem einen oder anderen zuzutrauen. (Ingo Durstewitz)

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