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Es lebe der Bolzplatz: Wie Andreas Möller die Eintracht-Jugend wieder nach oben führen will

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Von: Ingo Durstewitz

Hat viel vor am Riederwald: Der früere Profi und heutige Jugend-Chef Andreas Möller.
Hat viel vor am Riederwald: Der früere Profi und heutige Jugend-Chef Andreas Möller. © Fredrik von Erichsen/dpa

Für den von den Eintracht-Fans angefeindeten Ex-Profi ist klar, dass die besten Spieler aus dem Rhein-Main-Gebiet das Eintracht-Trikot tragen müssen.

Der letzte Hochbegabte aus dem eigenen Stall, der die Menschen in Frankfurt in Verzückung versetzte, war ein Bub aus der Nordweststadt. Aymen Barkok, blutjung, unbekümmert und unverbraucht, schien über Nacht in den siebten Fußballhimmel zu schießen, er machte, vom Bolzplatz in die Bundesligaarenen kommend, gleich in seinem ersten Spiel den 2:1-Siegtreffer in Bremen, ein herrliches Tor mit einem satten Linksschuss, gerade mal 18 war er da. Der Edeltechniker zauberte anschließend gegen Borussia Dortmund, tanzte seine Gegenspieler dergestalt frech aus, dass ihm Trainer Niko Kovac riet, es nicht zu übertreiben, „sonst fühlt sich einer verarscht und haut dich um“. Der Rastelli brillierte beim 3:0-Erfolg über Mainz, eine Vorlage, ein Tor. Das war Ende 2016, und Eintracht Frankfurt nebst Coach Kovac freuten sich über „ein Juwel“. 

Das funkelt heute nicht mehr, Barkok ist so ziemlich in der Versenkung verschwunden, in Frankfurt hat er den Durchbruch nicht geschafft, die Leihe zu Fortuna Düsseldorf ist bisher auch ein einziges Missverständnis, wofür aber vor allem sehr schwere Verletzungen (Innenbandriss im Knie, Schultereckgelenksprengung) verantwortlich sind. 

Nicht alle Nachwuchskicker zündeten bei Eintracht Frankfurt wie erhofft

Barkok ist nur einer von vielen aus der Schmiede von Eintracht Frankfurt*, der Potenzial hat, der große Hoffnungen auf seinen Schultern trug, aber dann doch nicht zum großen Shootingstar in Frankfurt avancierte. Die Liste ist lang: Marc Stendera, Luca Waldschmidt, Marc-Oliver Kempf, Cenk Tosun, Sonny Kittel, die Itter-Zwillinge – alle wuchsen am Riederwald heran, einige spielen jetzt auf gutem oder sehr gutem Niveau, aber bei der Eintracht zündeten sie nicht wie erhofft. „Vielleicht war der Zeitpunkt damals noch nicht gekommen oder aber die Philosophie hat nicht gepasst“, sagt Marco Pezzaiouli, der Technische Direktor. 

Das Auffällige: Seit Barkok im Jahr 2016 hat es gar kein Spieler aus dem eigenen Nachwuchs mehr zur Bundesligamannschaft geschafft – sieht man mal von Akteuren wie etwa Noel Knothe, Deji Beyreuther oder Patrice Kabuya ab, die zwar mit einem Profivertrag ausgestattet wurden, aber nur, um die Quote an ausreichend deutschen Spielern zu erfüllen. Eine echte Chance hatten sie nie, ihr Talent reichte auch schlichtweg nicht aus. 

So ähnlich ist es auch aktuell bei Sahverdi Cetin oder Patrick Finger, die von der ersten Mannschaft meilenweit entfernt sind. Cetin hat es zwar ein paarmal in den Kader geschafft, eine echte Einsatzchance hat er aber nicht. Das Problem des 19-Jährigen ist sein fehlendes Tempo, der Mittelfeldspieler wird die Eintracht im Sommer wohl verlassen. Bei Nils Stendera, dem Bruder des nach Hannover 96 gewechselten Marc, sieht es anders aus, ihm trauen die Verantwortlichen den Sprung mittelfristig durchaus noch zu, er ist schnell und spielstark, wurde aber von vielen Verletzungen zurückgeworfen.

Andreas Möller: Eintracht Frankfurt muss den Anschluss an andere Klubs finden

Der Plan von Eintracht Frankfurt ist aber ganz klar, wieder mehr junge Spieler nach oben zu führen, sie „oben andocken zu lassen“, wie Andreas Möller, der neue Leiter des Nachwuchsleistungszentrums (NLZ) es ausdrückt. Die Mitarbeiter am Riederwald sind vom früheren Meister aller Klassen begeistert, er sei aufgeschlossen, umgänglich, bringe sich total ein, habe einen guten Zugang zu Kollegen, Trainern und Kindern. 

Für Möller ist klar, dass die Eintracht wieder „den Anschluss an andere Klubs finden“ müsse. „Wir galten doch immer als Talentschmiede.“ Der 52-Jährige, vor mehr als vier Monaten als Nachfolger des ihm freundschaftlich verbundenen Armin Kraaz als NLZ-Boss installiert, soll mit seinem Namen auch Türen öffnen, die vorher verschlossen blieben, einen Zugang zu den Eltern der umgarnten Talente finden, denn sein Name hat Klang und seine Erfolge sprechen für sich. „Ich war ein geiler Kicker“, sagt er selbstbewusst, aber es soll nicht großspurig klingen. Er will den jungen Spielern vermitteln: „Hier ist Andi Möller, der weiß, wie man nach oben kommt, hier kann man es auch schaffen.“ 

Im Führungszirkel von Eintracht Frankfurt war man sich einig, dass man etwas ändern musste am Unterbau. Vieles sei zu eingefahren und bequem gewesen. Das hatte schon vor einem Jahr Stefan Scholl, ein früherer Profi, der heute die U13 von Makkabi Frankfurt mit bemerkenswerten Erfolgen trainiert, im Gespräch mit der FR scharf kritisiert*. Die Eintracht habe als Bundesligist mit großer Strahlkraft logischerweise fast alle Toptalente in ihren Reihen. „Aber sie fördern sie nicht richtig, sie entwickeln sie nicht weiter“, urteilte Scholl. Es werde zu viel geklüngelt und zu wenig gearbeitet, am Ende blieben die Jungs auf der Strecke. „In der Vergangenheit war unser Eindruck, dass Talente bei der Eintracht eher vernichtet wurden“, sagte Scholl. 

Eintracht Frankfurt: Andreas Möller soll verlorenes Terrain zurückerobern

Genau das ist auch der Grund, weshalb Scholl seinen eigenen Sohn nicht zu Eintracht Frankfurt schickt, dabei gilt Conrad als eines der größten Talente in ganz Deutschland, ist erst kürzlich bei einem hochkarätigen besetzten Turnier mit Stuttgart, Leverkusen, Mainz, Freiburg oder Köln als bester Spieler ausgezeichnet worden. Scouts der Bayern, Stuttgart, Leipzig, Mainz und Leverkusen haben ihn längst auf dem Schirm. Die Eintracht auch, aber sie wird wohl in die Röhre gucken. Scholl findet gleichwohl, dass es am Riederwald durch die Arbeit von Sportvorstand Fredi Bobic und Marco Pezzaiuoli besser geworden sei. 

Und nun soll Andi Möller, der Weltmeister, verlorenes Terrain zurückerobern. Von heute auf morgen werden die Toptalente sicher nicht aus der Erde sprießen und alsbald zu Profis werden. Aber Stück für Stück will man sich in Stellung bringen und einen guten Boden bereiten, auf dem sich die begabtesten Fußballer der Region entwickeln können. 

Für den von den Eintracht-Fans angefeindeten Ex-Profi ist klar, dass die besten Spieler aus dem Rhein-Main-Gebiet das Eintracht-Trikot tragen müssen, „auch wenn andere ihre Angeln in unserem Teich auswerfen. Aber es macht eigentlich keinen Sinn, wenn ein 12-Jähriger 70 oder 80 Kilometer fahren muss, um eineinhalb Stunden zu trainieren.“ Möller will auch mit einer gewissen Nähe und Wärme punkten. „Wir sind ein kleines NLZ“, sagt er. „Aber das muss kein Nachteil sein, bei uns ist es fein und familiär.“ 

Andreas Möller will Nachwuchsspielern Selbstvertrauen mitgeben

Möller warnt davor, die Kinder mit Erwartungen zu überfrachten. „Es liegt jede Menge Druck auf den jungen Kickern“, sagt er. „Ich möchte das nicht. Sie sollen im Kopf frei sein, man muss ihnen Selbstvertrauen mitgeben.“ Und gerade die Eltern müssten ein paar Gänge zurückschalten, das sei ganz entscheidend. „Wenn man zu viel und zu früh an Geld denkt, ist es vorbei, das ist der falsche Weg. Die Jungs sollen vielmehr mit einem Lächeln zu uns kommen und die Dinger einfach ins Netz reinhauen.“

Eintracht Frankfurt müsse sich anders aufstellen, die Trainer sollen viel besser ausgebildet sein und eine höhere Qualität haben. Und die Jungs so kicken lassen wie früher. „Man muss Kreativität zulassen, sie sollen selbst Entscheidungen treffen. Wir haben die Bolzplatzmentalität in unser Konzept aufgenommen.“ Das Training sei bereits auf eine andere Ebene gehoben worden. Denn für Andi Möller, der aus dem kleinen Eintracht-Stall in die große Fußballwelt auszog, steht fest: „Sich hier am Riederwald durchzusetzen, ist der Grundstock für eine Karriere.“

Von Ingo Durstewitz

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