Zweiter Auftritt in der Europa League: Eintracht Frankfurt hofft auf die Wende

Eintracht Frankfurt lechzt nach dem ersten Sieg im neunten Pflichtspiel und erhofft sich vom Europa-League-Spiel in Antwerpen den Befreiungsschlag.
Frankfurt - Das Abschlusstraining vor dem zweiten Europa-League-Auftritt gegen Royal Antwerpen hat Eintracht Frankfurt im Stadtwald absolviert, und nicht im Bousuil-Stadion im Antwerpener Stadtteil Deurne. Es mache keinen Unterschied, sagte Trainer Oliver Glasner, die Plätze seien genormt und „der Rasen ist überall grün“.
Allerdings ging am Mittwochmittag (29.09.2021) pünktlich zum Übungsbeginn an der Wintersporthalle ein kräftiger Regenguss hernieder, ruckzuck waren alle bis auf die Haut durchnässt. Auch Alex Meier, der frühere Profi und aktuelle Co-Trainer der U17, war in Trainingsklamotten dabei, und ein paar Bälle hat er auch gespielt. Wird er angesichts der momentanen spielerischen Delle reaktiviert? Ein Fußballgott würde guttun. Aber nein, Meier schaut oft beim Üben der Profis vorbei, er will sich weiterbilden, außerdem hat er gar keine Spielgenehmigung.
Eintracht Frankfurt hofft auf den ersten Sieg im neunten Pflichtspiel
Nach einer kürzeren, eher lockeren Einheit, an der erwartungsgemäß die lädierten Erik Durm (Gehirnerschütterung) und Evan Ndicka (Bänderdehnung im Knie) nicht teilnahmen, die die Reise nach Flandern nicht antraten und auch für die nächste Aufgabe in München bei den Bayern nicht zur Verfügung stehen, war es dann per Flieger in die etwa 400 Kilometer entfernte Diamantenstadt im Norden Belgiens gegangen, am Abend dann traten Timothy Chandler und Trainer Oliver Glasner vor die Presse. Es sind die bei internationalen Wettbewerben üblichen Regularien, Eintracht Frankfurt kennt sich damit bestens aus, die Europa League ist bekanntlich der Hessen liebster Wettbewerb. Nur eines ist anders: „Der Impfpass scheint momentan wichtiger zu sein als der Reisepass“, sagte Glasner.
Dessen ungeachtet ist die Hoffnung groß, dass den historisch schlecht in die Bundesligasaison gestarteten Frankfurtern der erwünschte Sieg gelingt, es wäre der erste im neunten Pflichtspiel. „Das würde uns in der Gesamtsituation guttun“, untertrieb der Fußballlehrer. Von einem Befreiungsschlag zu reden, wäre vermutlich ein bisschen vage, denn im Brot- und Buttergeschäft, in der Liga, warten - trotz eines etwaigen Sieges in Flandern - am Sonntag (3.10.2021) die übermächtigen Bayern.
„Wir lechzen nach einem Sieg“, hat der Frankfurter Trainer nach dem Köln-Spiel ins Mikrofon gesagt, endlich mal ein Erfolgserlebnis, endlich mal den Lohn einstreichen für allemal hohen Einsatz und nimmermüdes Engagement. „Wir haben eine gute Mannschaft, wir sind topfit und wir gehen in dieses Spiel, um es zu gewinnen. Wir werden alles in die Waagschale werfen“, ließ der Coach gestern Abend keine Zweifel am ehrgeizigen Vorhaben. Alle sehnen eine Trendwende förmlich herbei.
Royal Antwerpen gegen Eintracht Frankfurt: Glasner hat Respekt
Zumindest sollten die Frankfurter Fußballer die Partie im Bousuil-Stadion, das derzeit umgebaut wird und etwa 15.000 Zuschauer:innen fasst, nicht verlieren. Es würde den hessischen Bundesligisten in eine ziemlich prekäre Situation bugsieren. Glasner weiß das natürlich, der deshalb dieses „absolut würdige Europa-League-Spiel“ genauso angehen will wie eine Bundesligapartie. Und womöglich, empfiehlt der Österreicher, versuche man „das zweite Tor nachzulegen“ oder die Null zu halten. Denn für ein Tor ist dieses Frankfurter Ensemble bei aller Kritik über schlampige Abspiele und falsche Entscheidungen immer gut. „Uns zu schlagen ist nicht so einfach“, seit sechs Partien sind die Hessen unbesiegt.
Respekt vor Antwerpen hat er allemal, „sie werden uns das Spiel schwer machen“, man erwartet eine physisch starke Mannschaft, die „nie aufgibt“. Einfach also wird es nicht, selbst wenn die Hessen nach dem zum Schluss glücklichen 1:1 gegen Fenerbahce im ersten Gruppenspiel auf den von der Papierform her wohl am ehesten schlagbaren Gegner treffen, der wiederum sein Auftaktspiel bei Olympiakos Piräus mit 1:2 verloren hat.
Denn die Eintracht will im Wettbewerb überwintern und könnte davon profitieren, dass in dieser Saison auch der Gruppendritte ins Achtelfinale der Europa League einzieht, im neuen Jahr träfen die Gruppendritten in einer Zwischenrunde auf Gegner aus der Conference League.
In der nicht zu den Topligen zählenden Jupiler Pro League allerdings sind die „Königlichen“ deutlich besser gestartet als die Eintracht, die letzten vier Spiele haben sie allesamt gewonnen, sie liegen nur einen Punkt hinter Tabellenführer FC Brügge auf Rang vier. Und dass in Belgien ordentlicher Fußball gespielt wird und sich Talente entwickeln können, hat Eintracht Frankfurt am eigenen Leib erfahren dürfen: Daichi Kamada (VV St. Truiden) und Tuta (KV Kortrijk) haben sich ihre Bundesligareife quasi bei einem Auslandssemester in Belgien geholt.
Eintracht Frankfurt in Antwerpen: Stellt Oliver Glasner auf Dreierkette um?
Vieles spricht personell dafür, dass Glasner, der nach der Sperre im Fenerbahce-Spiel wieder an der Linie coachen darf, in Antwerpen sein bisher wenig erfolgreiches Defensivsystem von Vierer- auf Dreierkette umstellt – zumal neben Sebastian Rode und Christopher Lenz eben auch die Abwehrspieler Durm und Ndicka ausfallen. Das könnte die Chance für den Strategen Makoto Hasebe sein, den Glasner meist auf der Bank schmoren ließ. „Klar ist: Wir werden Änderungen in der Defensive vornehmen müssen.“ Man habe Spieler, „die auf Einsätze gewartet haben“, sie stünden bereit. Damit meint Glasner mit einiger Sicherheit Stefan Ilsanker, der in die Innenverteidigung rücken dürftem, und Hasebe, den 37 Jahre alten Strategen. „Jeder hat unser vollstes Vertrauen.“
Karl-Heinz Körbel, noch so eine Eintracht-Legende, ist sich „sicher“, dass Hasebe spielen wird, wie er am Rande des Abschlusstrainings sagte. Ohnehin ist Körbel zuversichtlich, dass die Mannschaft in Belgien „den Bock umstoßen wird“. Dazu hat er im Besonderen die Älteren in die Pflicht genommen, sie müssten jetzt vorangehen. „Ich habe lange mit Kevin Trapp gesprochen, er macht sich unheimlich viele Gedanken.“ Auch der Schlussmann hat noch nicht zu alter Form gefunden, er spiele „unruhig“, sagt Körbel, aber „wir brauchen Kevin in Bestform“.
Unabhängig vom Personal erwartet Glasner eine Reduzierung einfacher Ballverluste, „damit würden wir uns vieles erleichtern und müssten weniger Aufwand betreiben“. Fortschritte würden bald zu sehen sein, aber auch Glasner, so Körbel, „ist kein Zauberer. Das braucht Zeit.“
Die Eintracht übrigens hat es mit Royal Antwerpen noch nie in einem Pflichtspiel zu tun bekommen. Nur einmal, anno 2000 unter Felix Magath, testeten die Hessen in Ober-Roden gegen die Belgier. 2:1 ging das Duell an die Frankfurter, es trafen Ralf Schmitt und Thomas Reichenberger. Am Ende stieg die Eintracht ab, aber das ist ja ein anderer Wettbewerb. (Thomas Kilchenstein)