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Eintracht-Spektakel im Stadtwald

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Von: Thomas Kilchenstein, Ingo Durstewitz

Frankfurter Glückseligkeit: Djibril Sow.
Frankfurter Glückseligkeit: Djibril Sow. © imago images/Jan Huebner

Eintracht Frankfurt spielt sich in einen wahren Rausch und überrollt Bayer Leverkusen förmlich mit 5:2 - nach 0:2-Rückstand.

Natürlich hat Evan Ndicka, der baumlange Verteidiger, in der Schlussminute den Ball noch artistisch auf der Linie geklärt, schon längst war offenkundig, dass den Frankfurtern in diesem Spiel und zu diesem Zeitpunkt alles gelingen würde und Bayer Leverkusen gar nichts mehr. „Es ist dann genau die Party geworden, die wir schmeißen wollten“, fasste Christopher Lenz diese wilden, ungezähmten, aufregenden 90 Minuten im Stadtwald zusammen. Linksverteidiger Lenz, der monatelang verletzt keine Rolle gespielt hat, hätte sich keinen besseren Zeitpunkt für sein Comeback aussuchen können als diesen Sonntagabend.

Mit einem erstaunlich deutlichen 5:2 (2:2) schickte die Eintracht den Champions-League-Anwärter Bayer Leverkusen, bis dato auswärts in der Liga noch ungeschlagen, nach Hause, sogar hochverdient, wie alle, die diese Partie gesehen hatten, unisono sagten. Und das, nachdem die Gäste aus Leverkusen bereits mit 2:0 in Front gelegen hatten. Es war ein sehenswertes Spektakel mit vielen, vielen Torraumszenen, mit teilweise wunderschönem Konterfußball und Toren, bei denen man mit der Zunge schnalzen konnte. „Wahnsinn, was die Jungs heute geleistet haben“, sagte ein stolzer Eintracht-Trainer Oliver Glasner. „Das war eine fantastische Leistung.“

Wieder einmal konnte sich Eintracht Frankfurt auf seine Mentalität verlassen. Aber das kennt man im Stadtwald nur zu gut, auch Glasner hatte wohlwollend registriert, als nach dem 0:2 Stürmer Rafael Borré sofort den Ball aus dem Netz geholt hatte. So leicht gibt man sich in Frankfurt nicht geschlagen. Und da passte es wie die Faust aufs Auge, dass sich ein Großteil der Spieler am Nachmittag das überaus dramatische Rennen in der Formel 1 nicht entgehen ließen. „Ich habe ihnen gesagt, dass es sich lohnt, immer bis zur letzten Sekunde an sich zu glauben“, sagte Glasner. Genau das hatten sie getan und sie wurden dafür belohnt. Im zweiten Abschnitt spielten sich die Gastgeber, die noch am Donnerstag in Istanbul in der Europa League, anders als Leverkusen, Vollgas geben mussten, förmlich in einen Rausch.

Entscheidend war sicherlich die größere Robustheit und Körperlichkeit der Frankfurter. „Sie haben uns aufgefressen“, sagte Leverkusens Abräumer Robert Andrich, wahrlich kein Kind von Traurigkeit. Nach dem 0:2 nach 22 Minuten kaufte die Eintracht mit Aggressivität und Härte der Bayer-Elf merklich den Schneid ab. Leverkusen zeigte sich von der Galligkeit der Frankfurter, deren Pressing und ständigem Anlaufen sichtbar beeindruckt. Die Hessen hatten nach 90 Minuten sieben Kilometer mehr auf dem Tacho. „Wir haben Zweikampfstärke und Ballsicherheit vermissen lassen“, urteilte Bayer-Trainer Gerardo Seoane. Nach dem 3:2 kurz nach Wiederanpfiff durch Verteidiger Evan Ndicka „hat meine Mannschaft den Kopf verloren.“

Und die Eintracht machte es andererseits ab da richtig gut: Sie stand kompakt und stabil in der Defensive, ließ im zweiten Abschnitt praktisch keine gefährliche Torraumszene der Leverkusener zu und war mit Kontern „brandgefährlich“, wie Glasner selbst durchaus überraschend feststellen konnte. Kristijan Jakic (66.) erhöhte bald auf 4:2, Djibril Sow, der ein überragendes Spiel machte, erzielte sogar ein Traumtor in den Winkel (siehe auch Bericht auf Seite S2). In der zweiten Halbzeit lieferten die Frankfurter ein bärenstarkes Spiel ab, das beste wohl in dieser Saison, sogar ein weiteres Tor (von Daichi Kamada) wurde wegen leichter Abseitsposition zurückgenommen.

Dabei hatte schon die erste Halbzeit jede Menge Unterhaltung geboten. Es war das, was man ein Spiel mit offenem Visier nennt, eine Partie, die keine Anlaufschwierigkeiten kannte. Nur Eintracht Frankfurt brauchte ein bisschen, ehe das Team von Trainer Glasner auf Betriebstemperatur kam. Früh stand es 0:2, beide Mal hatte Patrick Schick, ohnehin seit Wochen in bestechender Form getroffen, schon nach fünf Minuten zappelte die Kugel das erste Mal im Frankfurter Netz. Es war der erste Leverkusener Torschuss, der einen schönen Angriff über Moussa Diaby inklusive Hackentricks von Florian Wirtz krönte. Das war viel zu einfach. Und spätestens, nachdem Djibril Sow mit einem ungeschickten Handspiel dafür sorgte, dass der sehr unsicher und ohne rechte Linie pfeifende Schiedsrichter Marco Fritz via VAR auf das Vergehen im Strafraum hingewiesen und folglich auf Strafstoß entschieden hatte, musste einem Angst und Bange werden um die Hessen. 0:2 nach22 Minuten - Schick schickte Trapp in die falsche Ecke - und das gegen die konterstarken Leverkusener, das sah nicht gut aus.

Doch die Eintracht steckte den Schock schnell weg, keine zwei Minuten später verkürzte Tuta nach einer Ecke des zu Hochform auflaufenden Filip Kostic. Hinterher sollte dieser Treffer als Initialzündung eingeordnet werden, danach war klar, in welche Richtung sich dieses Spiel entwickeln würde. Acht Minuten danach gelang Jesper Lindström, der sich in der Halbzeitpause nach Magenproblemen erbrochen hatte und ausgewechselt werden musste, der Ausgleich. Es war ein Tor wie im Training einstudiert: Der flache Pass von Martin Hinteregger, mal wieder von Anfang im Team, auf Borré, der prallen ließ, so dass Sow den Stürmer mit einem feinen Pass auf die Reise schicken konnte.

Die Eintracht, die nach den ersten 20 Minuten wie aus einem Guss spielte und keinen Schwachpunkt aufwies, zeigte sich erneut auch spielerisch auf der Höhe. „Automatismen und Timing kommen, wir erarbeiten uns Torchancen und sind insgesamt auf einem guten Weg“, urteilte Sportvorstand Markus Krösche hochzufrieden. „Das war wieder ein Schritt in die richtige Richtung.“

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