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1:1 in München? Na ja, ganz okay für die Eintracht

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Von: Ingo Durstewitz, Daniel Schmitt

Zwei Altmeister unter sich: Makoto Hasebe (vorne) und Thomas Müller schenken sich nichts.
Zwei Altmeister unter sich: Makoto Hasebe (vorne) und Thomas Müller schenken sich nichts. © dpa

Eintracht Frankfurt hat ein anderes Selbstverständnis – ein 1:1 bei den Bayern wird routiniert abgehakt.

München – Am Tag danach setzte sich Markus Krösche dann erst mal an den Stammtisch. Parolen sind zwar so gar nicht das Ding des smarten Sportvorstands von Eintracht Frankfurt, doch der 42-Jährige ist ja nicht nur Manager, sondern auch Repräsentant des Traditionsklubs vom Main, und also ordnete er am Sonntagvormittag im TV-Talk bei Sport 1 nicht nur, aber auch das leistungsgerechte 1:1-Unentschieden beim Abonnementmeister aus München ein. Krösche machte das sehr professionell und cool. Inhaltlich klang das in etwa so: Die Mannschaft habe aus der 1:6-Züchtigung aus dem Hinspiel gelernt. „Offenes Visier hilft gegen Bayern nicht.“ Eher gut stehen und schnell umschalten. Das Resultat sei gerecht, sagte Krösche, mit dem Punkt könne er „ganz gut leben“. Prima.

Allzu überschwänglich hörte sich das nicht an. Schon tags zuvor, unmittelbar nach dem Spiel, ärgerte sich der Sportchef sogar so ein bisschen über die zögerliche Anfangsphase, in der die Mannschaft in der Tat etwas zu passiv war und zu tief in der eigenen Hälfte stand. „In den ersten 20 Minuten hätten wir aggressiver attackieren können“, monierte er. Erst später sei das Team mutiger, aktiver und besser geworden, „da waren wir einen Tick gefährlicher, haben mehr Fußball gespielt“.

Verändertes Selbstverständnis bei Eintracht Frankfurt

Nach einer großen Jubelarie hörte sich das alles nicht an. „Ein Punkt ist gut, wir sollten ihn dennoch nicht überbewerten.“ So ändern sich die Zeiten und auch die Wahrnehmung sowie das Selbstverständnis. Früher hätten die Eintracht-Protagonisten ein 1:1 in München frenetisch gefeiert und sich für die Könige gehalten, heute ärgern sie sich, so frei nach dem Motto: „Schon okay, klar, aber schade, es wäre mehr drin gewesen.“ Genau so ist es auch.

Gegen den seltsam uninspirierten FC Bayern München waren die Hessen im zweiten Abschnitt näher dran am Sieg, es gibt nicht wenige, die glauben, dass sie das Ding auf ihre Seite gezogen hätten, wenn die Partie noch zehn, 15 Minuten länger gelaufen wäre. Das ist natürlich hypothetisch, doch offensichtlich war, dass der Glaube an den Dreier mit jeder Spielminute zunahm. „Wenn wir unsere Konter im letzten Drittel besser ausgespielt hätten, wäre vielleicht noch mehr drin gewesen“, sagte Kapitän Sebastian Rode, der nicht genau wusste, wie er den Punkt einordnen sollte. „Am liebsten würde man noch ein Tor schießen, will aber auch keines kassieren. Es ist immer ein Ritt auf der Rasierklinge.“

Das eine Tor, das die Münchner Führung durch Leroy Sané egalisierte (34.), machte schließlich Randal Kolo Muani, wer auch sonst? Der Frankfurter Wunderstürmer zog einen unwiderstehlichen Sprint an, ließ seinen Landsmann Dayot Upamecano einfach stehen und schloss mit seinem schwächeren linken Fuß eiskalt ins lange Eck ab (69.). „Eine Weltklasseaktion“, wie nicht nur der Münchner Trainer Julian Nagelsmann befand. Kolo Muani ist die Frankfurter Lebensversicherung.

Im Bayern-Lager machte sich nach dem Abpfiff eine gewisse Ratlosigkeit breit. „Wir haben nicht gegen Laufkundschaft gespielt“, sagte Routinier Thomas Müller und übertrieb in der Gegnerbewertung ein ganz klein wenig. „Die Eintracht ist eines der besten Teams in ganz Europa.“ Gerade im zweiten Durchgang habe sich eine gewisse Hilflosigkeit breitgemacht. „Wir hatten dann nicht mehr viele zündende Ideen“, wie Müller zerknirscht einräumte.

Eintracht Frankfurt: Taktische Meisterleistung gegen FC Bayern München

Das lag in erster Linie an den Gästen, die eine taktische Meiserleistung ablieferten, „großartig“, wie Trainer Oliver Glasner urteilte. Mit höchster Disziplin befolgten die Frankfurter den Matchplan, standen massiv in der eigenen Hälfte, stellten die Anspielstationen zu und drängten die einfallslosen Bayern konsequent nach außen. Von dort ging gar keine Gefahr aus. Und dann setzten die Hessen immer wieder Nadelstiche, trauten sich mehr zu. „In der zweiten Hälfte haben wir alles eine Nuance besser gemacht“, betont der Trainer.

Glasner hatte seine Mannschaft leicht umgebaut, richtig umgebaut. Der formlose Daichi Kamada bekam eine schöpferische Pause, für ihn rotierte Kapitän Rode in die Anfangself – erstmals seit dem 5. November. Eine gute Entscheidung. Genauso wie die (überfällige) Hereinnahme von Makoto Hasebe. Der 39-Jährige ist auch in hohem Alter eine Klasse für sich, zeigte erneut eine abgeklärte, souveräne Leistung. Er gehört hinein in dieses Team und nicht auf die Bank. „Er hat wieder gezeigt, dass er trotz fortgeschrittenen Alters auf höchstem Level spielen kann“, analysierte Krösche.

Natürlich ist es verständlich, dass Coach Glasner versucht, die Abhängigkeit von einem fast 40-Jährigen aufzuweichen und andere, fast 20 Jahre jüngere Spieler aufzubauen. Doch auf so viel Qualität sollte man freiwillig besser nicht verzichten. Mit Rode, 32, Hasebe, 39, und Mario Götze, 30, stand die geballte Erfahrung auf dem Rasen. Das gibt auch den jüngeren Spielern wie Ansgar Knauff Sicherheit. „Das hilft uns sehr. Sie können das Spiel beruhigen, bringen Struktur hinein“, findet der 21 Jahre alte Knauff. „Die Mischung zwischen jung und alt ist wichtig und ein Schlüssel zum Erfolg.“

Die Eintracht bleibt also oben dran, hat mit Freiburg und München zwei dicken Brocken hinter sich gelassen, sich schadlos gehalten. Sie ist mit fünf Punkten aus der Winterpause gestartet, das ist absolut in Ordnung. Sie hat von den letzten zwölf Spielen nur eines verloren, ist schwer zu bespielen und zu bezwingen. Und sie hat jetzt die Möglichkeit, nachzulegen, die nächsten Gegner heißen Hertha BSC, Köln und Bremen – keine Schwergewichte. Wollen die Frankfurter ihre großen Ambitionen untermauern, sollten in diesen Partien sieben bis neun Punkte das Ziel sein.

Das ist eine realistische Einschätzung, auch weil die Frankfurter wieder auf dem richtigen Weg sind, in München ihre beste Leistung in diesem Jahr ablieferten. Die Spieler zeigten sich klar formverbessert, Evan Ndicka, Ansgar Knauff, aber auch Daichi Kamada nach seiner Einwechslung haben wieder zu sich selbst gefunden. Und vorne sind sie zurzeit eiskalt, machen aus wenigen Chancen konsequent ihre Tore. Das ist gut. Einerseits. Andererseits ist das, wie Krösche nicht zu Unrecht sagt, „eine gefährliche Qualität“. Denn man dürfe sich nicht auf diese bemerkenswerte Effizienz verlassen. „Wir müssen versuchen, uns wieder mehr Chancen rauszuspielen“, gibt er zu bedenken. „Wir werden nicht immer aus wenigen Möglichkeiten unsere Tore machen.“

Fußballerisch muss sich das Team definitiv weiter steigern, die Leichtigkeit ist noch nicht zurück. Aber die Richtung stimmt. „Die Jungs sind immer bereit, an ihre Grenzen zu gehen. Jetzt kommen sie langsam in den Fluss“, findet Glasner, der generell zuversichtlich ist: „Wir werden bestimmt noch eine tolle Saison spielen. Schauen wir mal, was Ende Mai dabei herausspringt.“ (Ingo Durstewitz, Daniel Schmitt)

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