„Habe mit beiden Beratern gesprochen“ – Krösche nennt Details zu Silva und Kostic

Eintracht-Sportvorstand Markus Krösche äußert sich im FR-Interview über den schwierigen Transfersommer, seine Ziele, die Verkaufskandidaten Silva und Kostic sowie seinen Spezi Benny Köhler.
Herr Krösche, wie haben Sie sich als Sportmanager während der Corona-Zeit fit gehalten? Jogging? Muckibude? Oder vielleicht sogar Fußballspielen?
Ich verrate Ihnen etwas: Seitdem ich 2014 meine Karriere beendet habe, habe ich nie wieder Fußball gespielt.
Wow. Juckt es denn nicht mal in den Füßen?
Nein. Es ist komisch, aber wenn jetzt hier ein Ball liegen würde, dann müsste ich nicht dagegen treten, ich könnte einfach drüber steigen. Nach Beendigung meiner Laufbahn habe ich innerhalb eines halben Jahres 15 Kilo zugenommen, weil ich mich kaum mehr bewegt hatte. Die Kilos sind jetzt wieder runter, aber nicht, weil ich so viel Sport treibe. Ich nehme mir immer mal vor, laufen zu gehen, aber meistens bleibt es beim Vorsatz.
Hat die Corona-Krise etwas mit Ihnen als Mensch angestellt?
Natürlich. Wir haben vorher in einer extrem schnelllebigen Zeit gelebt, alles ist nur so an einem vorbeigerauscht. Durch Corona hat man über vieles anders gedacht, Dinge sind entschleunigt worden, man hat nicht mehr alles als selbstverständlich angesehen.
Eintracht Frankfurt: Sportvorstand Markus Krösche über die Corona-Pandemie
So eine Zäsur gab es für viele Generationen ja auch noch nie.
So ist es. Wir leben in einer freien Welt, konnten immer das machen, was wir wollten, und auf einmal wird man eingeschränkt. Das war ein harter Einschnitt. Aber vielleicht weiß man jetzt einfach die Freiheit wieder mehr zu schätzen und nimmt nicht mehr alles als gegeben hin.
Sie sind Vater zweier Töchter. Wie lief das mit dem Homeschooling ab, da gibt es ja wahre Horrorgeschichten.
Wir haben das Glück, dass meine Frau nicht regelmäßig arbeiten musste und sich darum kümmern konnte. Aber ich sage ganz ehrlich: Wenn die Eltern beide berufstätig sind und sollen danach oder währenddessen noch Homeschooling machen, dann das ist kritisch. Ich habe mich auch eingebracht. Meine Töchter sind neun und zwölf Jahre alt, wir reden über dritte und fünfte Klasse. Das bekommt man noch hin. Ich habe aber jetzt auch schon ein paar Sachen googeln müssen. Generell denke ich, dass es für die Kinder ein verlorenes Jahr war. Ich habe da eine klare Meinung: Ich finde, dass das Schuljahr wiederholt und mit dem Stoff von vorne begonnen werden müsste. So sehr wir uns auch anstrengen: Wir Eltern können doch gar nicht das leisten, was Lehrkräfte vermitteln können.
Dabei haben Sie sogar ein Hochschulstudium in der Tasche, und das auch noch während Ihrer Zeit als Fußballprofi angefangen und abgeschlossen. Sehr ungewöhnlich. Wie kam es dazu?
Ich wollte nicht derjenige sein, der mit 35, 36 durch die Vereine tingelt und irgendwann andere entscheiden, wann ich meine Karriere zu beenden habe. Ich habe eine gewisse Unabhängigkeit angestrebt. Ich habe zu Beginn meiner Karriere gesagt, bis 26, 27 mache ich Fußballprofi mit allen Privilegien, die dazu gehören, und wenn ich es dann nicht geschafft habe, dass ich danach quasi ausgesorgt habe, muss ich mich anderweitig orientieren.
SGE-Sportvorstand Markus Krösche: „Als Fußballer eher unterdurchschnittlich“
Offenbar hatten sie nicht ausgesorgt mit 27.
Richtig, ich konnte zwar das Spiel lesen und habe es verstanden, aber von meinen isolierten Fähigkeiten her war ich als Fußballer eher unterdurchschnittlich. Ich hatte das Glück, dass mich der SC Paderborn mit Präsident Wilfried Finke stark unterstützt und mir ein duales Studium ermöglicht hat. Dass ich BWL studiere, war mir schnell klar, weil mich wirtschaftliche Themen schon immer interessiert haben und ich gewisse Zusammenhänge verstehen wollte. Einfach war das nicht, weil mein Abi lange zurück lag, ich also erst wieder lernen musste, zu lernen. Ich war anfangs gar nicht so aufnahmefähig. Aber es hat mir Spaß gemacht, und es war für mich fußballerisch meine beste Zeit.
Wir hätten jetzt eher das Gegenteil erwartet.
Durch das Studium konnte ich vom Fußball abschalten. Wenn wir sonntags 0:3 verloren hatten, dann war ich am nächsten Morgen trotzdem um 7.30 Uhr in der Uni und habe mich nicht permanent mit der Niederlage beschäftigt. Dadurch entwickelst du eine Distanz. Als Fußballer bist du immer in diesem Kreislauf und hast gar keine Chance, zu entfliehen, weil du keinen anderen Fokus hast. Klar war das stressig mit dem Studium. Wenn wir Freitagabend in Oberhausen gespielt haben und ich am nächsten Morgen um 8 Uhr eine Klausur geschrieben habe, war das intensiv.
Was hätten Sie getan, wenn Sie mit 26 genügend Geld auf die Seite gelegt hätten?
Dann hätte ich mich früher oder später auch weitergebildet. Mich auf Mallorca in eine Finca zu setzen, nein, das wäre mir zu langweilig.
Wie haben Sie für Ihre Abschlussarbeit („Die finanzielle Situation von Fußballprofis nach der Karriere“) eigentlich 400 Profis dazu gebracht, Ihren Fragebogen auszufüllen?
Ich kannte in jeder Mannschaft einen Spieler und habe diesen dann gebeten, meine Fragebögen an die Kollegen weiterzureichen.
Wer war das bei der Eintracht?
Das müsste Benny Köhler gewesen sein.
Und dann? Wie lief das genau?
Ich hatte diese gelben DHL-Kartons, habe Kugelschreiber und die Fragebögen inklusive Briefumschlägen reingepackt, damit die Antworten geheim gegeben werden konnten. Schließlich ging es auch darum, wie viel die Spieler verdienen, wie viel Geld sie ausgeben, und so weiter. Und dann haben mir meine Kontakte die Kartons zurückgeschickt. Ich hatte eine Rücklaufquote von 34,8 Prozent, das war richtig gut. Letztlich hat das alles aber nur deshalb funktioniert, weil ich viele Leute kannte und ich für sie der Kröschi war, einer von ihnen.
Sind Sie heute noch der Kröschi?
Nein, nein. Ich bin der Markus.
Auch nicht Herr Krösche?
Nein, meine Autorität steigt sicher nicht, in dem ich mich siezen lasse, sondern durch mein Handeln. Ich werde nicht extrem eng mit den Jungs sein, weil ich manchmal harte Entscheidungen treffen muss. Da wäre eine zu enge Bindung nicht förderlich.
Als Manager lebt man einen Fulltime-Job. Wie schalten Sie ab?
In erster Linie bei meiner Familie. Viele Hobbys habe ich nicht. Ich schalte zu Hause auf der Couch ab, schaue Netflix, lese etwas, was nichts mit Fußball zu tun hat oder telefoniere mit Freunden, da geht es dann auch nicht um Fußball. Denn in dieser Position bist du immer drin im System, du kommt nicht raus, da findet man keinen Ausstieg. Das Kino läuft immer.
Das hört sich alles nach Big-Business an.
Das mag sich so anhören, aber ich würde den Fußball nicht mal als Geschäftsmodell sehen, das ist für mich auch nicht nur ein Job. Fußball ist das, was mir Spaß macht. Worum es geht, ist das Spiel. Und genau das ist mein Ansatz. Fußball ist Spaß, Fußball ist ein Spiel, und das Schlimmste, was uns passieren kann, ist, dass wir am Wochenende ein Spiel verlieren.
Sie sprachen während Ihrer Vorstellung oft über die Art und Weise des Fußballs...
...genau. Darum geht es mir. Wenn ich eine Mannschaft sehe, in der die Jungs richtig Bock haben, die mutig und offensiv und aktiv sind, und wenn es dann noch meine Mannschaft ist, dann kommt das meiner Vorstellung sehr nahe. Ich möchte, dass alle Spaß am Fußball haben, darum geht es doch, so haben wir doch alle angefangen. Wenn ich früher als Kind mit meinen Jungs in den Hof gegangen bin, um zu kicken, dann bin ich da nicht hingegangen und habe gesagt: „So, super, jetzt gehe ich mal richtig schön verteidigen.“ Nein, man will nach vorne, Tore schießen. Und so ist meine Grundausrichtung: offensiv, mutig, keine Angst vor Fehlern. Dann akzeptiere ich, wenn das Ergebnis mal nicht stimmt. Wohlwissend, dass eine definitive Stabilität natürlich wichtig ist.
Das passt auf die Eintracht-Mannschaft. War das ein Grund, weshalb Sie das Projekt gereizt hat?
Als Projekt sehe ich das hier nicht, aber klar, das war einer der Schlüssel. Ich habe diesen Fußball damals als Sportdirektor in Paderborn implementiert, für mich war Leipzig dann der logische Schritt, weil dort ähnlich gespielt wird. Und hierher zu kommen ist der nächste logische Schritt, weil die Eintracht ebenfalls diese Philosophie hat.
In Frankfurt würden sie zwecks Optimierung dieses Stils gerne noch mehr Geschwindigkeit in die Offensive bekommen.
Genau. Es geht grundsätzlich darum, dass wir vorne vielleicht etwas mehr Tiefgang bekommen.
Umso erstaunlicher, dass André Silva 28 Tore geschossen hat. Er kann ja fast alles, aber schnell ist er nicht.
Du musst ja nicht auf allen Positionen schnell sein. Wenn es um Kaderplanung geht, sagen viele: Die Mannschaft muss homogen sein. Das muss sie gerade nicht. Sie muss heterogen sein, aber homogen agieren. Und man braucht auf unterschiedlichen Positionen unterschiedliche Fähigkeiten. Auf den Außenpositionen hilft dir Geschwindigkeit, im Zentrum brauchst du das nicht unbedingt, wenn du Geschwindigkeit im Kopf hast. Wichtig ist, dass der Kader variabel ist. So langsam ist André Silva übrigens nicht und zudem hat er viele andere herausragende Fähigkeiten.
Da freut sich jeder Trainer.
Klar. Jeder Trainer konzentriert sich doch allein auf das Heute, nicht auf das Morgen. Er überlegt, welche Spieler in welcher Konstellation passen heute zu diesem speziellen Gegner. Ich muss in der Kaderplanung aber dafür sorgen, dass der Trainer unterschiedliche Spieler zur Verfügung hat, damit er überhaupt auswählen kann. Und du musst sehen, dass du in dieser gläsernen Welt des Fußballs unberechenbar bist. Das schafft man nur über Variabilität im Kader, du brauchst unterschiedliche Fähigkeiten auf einzelnen Positionen, damit der Trainer auf die unterschiedlichen Anforderungen reagieren kann. Deshalb passt aktuell ein André Silva sehr, sehr gut, wenn wir jetzt noch jemand finden, der richtig schnell ist, dann hast du unterschiedliche Fähigkeiten, die du zu einem variablen Spiel brauchst. Unberechenbarkeit bedeutet im Fußball, dass du nachhaltig erfolgreich sein kannst.
Werden Sie die Spiel-Philosophie in Frankfurt weiterentwickeln, vielleicht sogar ändern?
Die Philosophie, die in Frankfurt verfolgt wird, ist eine sehr, sehr gute. Der Kader ist total stimmig zusammengestellt, es ist ein super Kader. Fredi Bobic, Adi Hütter und Niko Kovac haben das sehr gut gemacht. Jetzt geht es darum, gewisse Dinge an neue Anforderungen anzupassen, vielleicht Fähigkeiten hinzuzufügen, die uns fehlen.
Wie können wir uns die Zusammenarbeit mit dem neuen Trainer Oliver Glasner vorstellen? Bei seinem vorigen Klub gab es gewisse Differenzen mit der Sportlichen Führung.
Ich bin der Überzeugung, dass es Sinn macht, dass Trainer und Klub auf einer Wellenlänge liegen. Vieles, was hier schon besteht, ist deckungsgleich mit dem, wie ich Fußball sehe und danach haben wir ja den Trainer ausgewählt. Wir werden in der Auffassung über neue Spieler sicher nicht mega weit auseinander sein, weil die Schnittstellen sehr eng sind. Und wenn es unterschiedliche Einschätzungen gibt, werden wir darüber offen kommunizieren, das habe ich immer so gemacht, ob mit Steffen Baumgart in Paderborn oder zuletzt mit Julian Nagelsmann in Leipzig. Fest steht: Jeder hat sein Aufgabengebiet, ich mische mich nicht in die Mannschaftsaufstellung ein, der Trainer wird keinen Vertragsentwurf vorbereiten (lacht).
Viele Ideen kommen sicherlich von Chefscout Ben Manga. Sind Sie selbst nicht manchmal überrascht, wen er alles ausgräbt?
Ich würde lügen, wenn ich sage, ich kenne alle Spieler, die er uns vorschlägt. Er macht einen herausragenden Job. Er erkennt Fähigkeiten von Spielern, er kann Fantasie aufbringen, wohin sich ein Spieler mal entwickeln könnte. Ein gutes Scouting ist letztlich die Basis für eine gute Kaderplanung.

Die derzeitige Kaderplanung erscheint schwierig: Corona, EM, lange geöffnetes Transferfenster und im letzten Moment springt noch ein Leistungsträger ab?
In einem Jahr mit einem großen Turnier ist die Planung immer schwierig. Dazu verfügen die Klubs wegen Corona nicht mehr über die entsprechende finanzielle Ausstattung. Aber mit Sicherheit fällt irgendeiner der Dominosteine. Wir aber haben den Vorteil: Der Kader ist gut, es geht nur darum, uns punktuell zu verstärken. Gehen Sie davon aus, dass wir nicht in Aktionismus verfallen, nur um Transfers zu tätigen. Wir müssen die richtigen Puzzleteile finden, aber da haben wir keinen Druck. Natürlich gibt es immer Begehrlichkeiten, das ist in Ordnung und gehört dazu. Man wird sehen, wie sich die Dinge entwickeln. Aber wir sind in der Europa League und damit auch ein sehr attraktiver Verein.
Begehrt sind natürlich Filip Kostic und André Silva…
…ja, ich habe mit beiden Beratern gesprochen. Es geht darum, die Sichtweise der anderen Seite kennenzulernen, sich auszutauschen, in aller Ruhe. Ich habe gelernt, dass man in solchen Situationen nie Druck aufbauen sollte, das ist eher kontraproduktiv. Klar ist aber: Manchmal überholt die Entwicklung eines Spielers auch die Entwicklung eines Vereins. Dann muss man sich zusammensetzen und erörtern, ob der Zeitpunkt gekommen ist, den nächsten Schritt zu gehen. Wenn dann die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stimmen, ist es halt so. Entscheidend ist, dass wir vorbereitet sind. Man wird selten einen guten Spieler eins-zu-eins ersetzen können, du musst sehen, die dann fehlenden Fähigkeiten durch die Gruppe oder Zukäufe zu kompensieren. Und: Ein einzelner Spieler ist nie dafür verantwortlich, dass du erfolgreich spielst, genau so wenig wie ein Spieler allein verantwortlich für Misserfolg ist. Es ist immer die Gruppe.
Können sie ausschließen, dass in diesem Jahr ein ähnlicher personeller Aderlass geschieht wie vor zwei Jahren, als die komplette Büffelherde davongaloppierte?
Ausschließen kann ich gar nichts, das wäre naiv oder wahnsinnig. Wir wollen definitiv keinen großen Umbruch. Schauen Sie: Es kommt ein neuer Sportvorstand, es kommt ein neuer Trainer. Das ist neuer Input genug. Wenn du dann noch anfängst, die Mannschaft zu zerpflücken, wird es schwierig.
Was spricht gegen frisches Blut?
Ich bin kein großer Freund von hohen Fluktuationen im Kader. Es geht um Automatismen, es geht um Timing, um Kontinuität, denn das macht Erfolg auf Dauer wahrscheinlicher. Das Zusammenspiel unterschiedlicher Fähigkeiten braucht Zeit, jeder Neue braucht Zeit, anzukommen, die Dinge zu adaptieren. Da ist immer ein Risiko dabei.
Ihre Aufgabe als neuer Sportvorstand ist enorm, zumal die Fallhöhe beträchtlich ist: Platz fünf, beste Saison seit Jahrzehnten, lange um einen Champions-League-Platz gespielt, dann wieder Dreifachbelastung.
Das wird eine anspruchsvolle Saison, keine Frage. Das wusste ich aber vorher. Aber das ist doch gut, Europa League zu spielen. Die Spieler kennen das, es ist nichts extrem Neues.
Nun kommen Sie von einem Champions-League-Klub, Trainer Glasner kommt von einem Champions-League-Klub….
… jetzt soll ich sagen: Wir wollen in die Champions League? (lacht)
Nein, nein. Aber einen Gedanken daran verschwenden Sie schon, oder?
Jeder hat seine persönliche Agenda. Wir beiden kommen von Champions-League-Vereinen, wir wollen gemeinsam erfolgreich sein mit der Eintracht und die Dinge weiterentwickeln. Ich habe so meine Schwierigkeiten, mittel- bis langfristige Ziele zu formulieren. Die Dynamik holt einen relativ schnell ein. Hier in Frankfurt haben wir beide eine super Basis vorgefunden, das ist ein super Klub, mit super Fans und einem super Umfeld. Wir wollen attraktiven Fußball spielen. Unsere Ziele erreichen, die Fans sollen sich identifizieren können. Für konkrete Zielsetzungen ist es aber noch zu früh.
Womöglich haben Sie intern eine andere Wahrnehmung dessen, was sie sich vornehmen wollen als Sie es öffentlich darstellen.
Das ist möglich (grinst).
Zurück zum Personal: Wie viele neue Spieler brauchen Sie denn?
Wie gesagt: Wir wollen nicht so viel verändern, wollen den Kader nicht verkleinern, aber auch nicht mega aufblähen. Auch die Entwicklung mit den zurückkehrenden Leihspielern wollen wir beobachten, sie werden auf jeden Fall mit in die Vorbereitung starten.
Ihr Vorstandskollege Axel Hellmann sagte, Sie hätten Eintracht Frankfurt verstanden, seien sich der Größe der Aufgabe bewusst. Wie ist Ihnen das gelungen?
Nun, ich beschäftigte mich mit dem Klub. Ich habe die Entwicklung in den letzten Jahren extrem positiv verfolgt, nicht nur die markanten Europapokalnächte, sondern auch den erfolgreichen Spagat zwischen Tradition und Annahme der Moderne. Da hat der Klub eine extrem gute Entwicklung genommen. Das ist übrigens auch einer der Gründe, warum die Eintracht da steht, wo sie jetzt steht. Das ist eine anspruchsvolle Aufgabe, das weiß ich, aber ich habe davor keine Angst.
Aber das Budget ist ja dann doch begrenzt, nicht so wie in Leipzig.
In Leipzig hatten wir auch ein Budget, aber da herrschte ein anderer Anspruch. Dort mussten wir Champions League spielen.
Wie haben Sie die Enttäuschung im Frankfurter Umfeld über den geplatzten Champions-League-Traum aus der Entfernung erlebt?
Wenn du sieben Punkte Vorsprung hast und es nicht schaffst, ist die Enttäuschung nachvollziehbar und verständlich. Auf der anderen Seite: Die Eintracht hat eine herausragende Saison gespielt, 60 Punkte sind eine Hausnummer, das hätte oftmals für die Champions League gereicht. Ich kann die Enttäuschung aufgrund der kurzfristigen Entwicklung verstehen, aber übers gesamte Jahr brachtet, war es eine sehr gute Saison.
Hat die Eintracht überperformt?
Die Eintracht hat am Limit gespielt und ihr volles Potenzial auf den Platz gebracht.
Die Usancen der Branche, die selbst gewählten Abschiede von Vorständen, die Ausstiegsklauseln in Trainerverträgen. Gehört das mittlerweile einfach dazu?
Ich glaube, dass es ein besonderes Jahr war, die hohe Anzahl war eher ungewöhnlich, aber letztlich hat sich der Markt natürlich in diese Richtung entwickelt. Alle Vereine sind auf der Suche nach guten Trainern, der Markt ist also da, wie auch für Spieler und Sportchefs.
Wie blicken Sie auf Ihre Zeit in Leipzig zurück? Angeblich soll es zwischen Ihnen und Geschäftsführer Oliver Mintzlaff am Ende nicht mehr so gepasst haben.
Es war eine sehr erfolgreiche Zeit, die vergangenen zwei Jahre waren die erfolgreichsten in der Vereinsgeschichte.
Die ehrlicherweise recht kurz ist.
Klar, aber viele andere Vereine hätten die letzten fünf Leipziger Jahre sicher genommen. Es war eine gute Zeit, eine erfolgreiche. Ich habe sehr viel gelernt.
War an den Gerüchten um Trainer Edin Terzic aus Dortmund eigentlich irgendwas dran?
Oliver war unser absoluter Topkandidat, weil er nachgewiesen hat, Spieler entwickeln zu können, Mannschaften eine Identität zu geben. Aber es wäre unseriös gewesen, wenn ich mich nicht auch mit anderen Trainern beschäftigt hätte.
Wie läuft so ein Gespräch mit einem potenziellen Trainer ab? Geht es da in erster Linie um die Fußball-Philosophie?
Das ist etwas, was man eigentlich schon weiß. Man spricht gar nicht so viel über Fußball, da weiß ich, was ein Trainer kann. Sondern eher über seine Mannschaftsführung, um ihn als Menschen kennenzulernen. Es gibt vier wichtige Fragen: Wie authentisch ist ein Trainer? Erkennt er das Potenzial von Spielern und setzt sie dort ein, wo sie ihr Leistungsvermögen ausschöpfen? Macht er Spieler besser? Wie greift er während eines Spiels ins Geschehen ein?
Das Eingreifen gilt nicht als allergrößte Stärke von Adi Hütter.
Das zu bewerten, steht mir nicht zu. Aber ich kann sagen: Es ist sehr schwer, die Spiele sind schnell, ständig verändern sich Formationen.
Julian Nagelsmann ist darin brillant, oder?
Ja, er hat wirklich eine sehr gute Auffassungsgabe. Er erkennt veränderte Situationen in kürzestes Zeit und hat sofort Maßnahmen dafür im Kopf. Man muss da viele, viele Wenn-Dann-Strategien parat haben. Das Trainerdasein ist gar nicht so einfach (lacht).
Eine abschließende Frage: Sie sprachen davon, die Entwicklung der Eintracht schon länger verfolgt zu haben, den Pokalsieg, die Europapokalnächte. War es vielleicht schon früher mal in Ihrem Kopf, nach Frankfurt wechseln zu wollen?
Jetzt sollte ich wohl antworten, dass ich als Kind in Eintracht-Bettwäsche geschlafen habe (lacht). Aber im Ernst: Natürlich sieht man diese Bilder und denkt, wie toll das doch ist. Über einen Wechsel habe ich damals aber ehrlicherweise nicht nachgedacht. (Interview: Ingo Durstewitz, Thomas Kilchenstein, Daniel Schmitt und Jörg Hanau)