Eintracht Frankfurt: Oliver Glasner startet mit Volldampf

Der „mega-ehrgeizige“ Oliver Glasner macht bei seiner Vorstellung bei Eintracht Frankfurt einen guten Eindruck: „Habe Bock darauf, etwas auf die Beine zu stellen.“
Die wohlverdienten Sommerferien verbrachte der frisch installierte Frankfurter Fußballlehrer Oliver Glasner in seinem österreichischen Heimatort Riedau, und weil sein Kompagnon und Landsmann Adi Hütter ja nur eine gute Stunde entfernt in Salzburg lebt, stattete der neue Eintracht-Coach dem alten Eintracht-Coach kurzerhand einen Besuch in dessen Haus ab. „Es war ein netter Plausch unter Trainerfreunden“, erzählt Glasner nun mit einigem Abstand. „Adi hat ausschließlich positiv von Frankfurt gesprochen, er hat mir von der Eintracht vorgeschwärmt.“ Und weil rund um den Stadtwald alles so toll ist, hat sich Hütter prompt nach Mönchengladbach verabschiedet. Doch das ist im Sommer 2021 Schnee von gestern.
Vielleicht, schob Glasner nach, entwickele sich ja zwischen ihnen beiden wieder so ein packendes Duell wie in der vergangenen Saison, als er mit dem VfL Wolfsburg und Hütter mit der Eintracht um einen Champions-League-Platz rangelten. Das Ende ist bekannt, Wolfsburg Vierter, Frankfurt Fünfter. „Heute wäre es mir andersherum lieber“, sagt der 46-Jährige schmunzelnd.
Eintracht Frankfurt: Oliver Glasner mit Blick auf die Champions League
Doch weil der Österreicher nach Selbsteinschätzung nun mal „mega-ehrgeizig“ ist, kannte er gegenüber seinem neuen Arbeitgeber natürlich keine Gnade, sondern brachte die Mission in Niedersachsen zu einem guten Ende, hinein in die Königsklasse. „Da bekomme ich jetzt noch Gänsehaut“, befindet der Österreicher in der Rückschau.
Das Kapitel Wolfsburg hat er damit aber abgehakt, am Dienstag hat er ein neues aufgeschlagen, am Vormittag stellte er sich in Frankfurt vor, weißes Shirt, dunkle Hose, akkurat gescheitelt, Zweitagebart. Glasner präsentierte sich gut gelaunt, gelassen und aufmerksam, verbal eher unverbindlich. Ein Lautsprecher oder Sprücheklopfer ist er nicht, das weiß man, er definiert sich über seine Arbeit auf dem Fußballplatz. Das ist es, was ihm Spaß bereitet, was ihn antreibt und woran er sich messen lassen will. Auf das Projekt Eintracht, das spürt man, hat der Ex-Profi große Lust. „Ich habe Bock darauf, hier etwas auf die Beine zu stellen.“
Der ebenfalls neue Sportvorstand Markus Krösche habe ihn schnell von einem Seitenwechsel überzeugen können. „Wir haben den gleichen Blick, dieselbe Idee von Fußball im Kopf. Das passt sehr gut zusammen.“ Auch weil er die Frankfurter Mannschaft bestens kennt und schätzt. „Der Kader sieht sehr gut aus.“
Eintracht Frankfurt: Oliver Glasner lobt SGE-Kader
Er sei hervorragend zusammengestellt worden, die Mischung zwischen erfahrenen und jungen, hungrigen Profis passe. Es seien genügend Leitwölfe im Team, „absolute Typen“, den Altmeister Makoto Hasebe etwa lobt der Coach gleich mal als „Vorzeigespieler“. Und den bei der Eintracht lange im Abseits stehenden und bei der EM plötzlich auftrumpfenden Steven Zuber schmeichelt er gerne: „Er spielt überragend, es freut mich, wie toll er performt.“ Die Spieler will er erst einmal kennenlernen, mit einigen hat er schon persönlich gesprochen, mit anderen telefoniert oder geschrieben. Die EM-Fahrer erhalten noch drei Wochen Sonderurlaub. Für die übrigen geht es gleich in die Vollen: „Wir legen mit hoher Intensität los.“ Am Donnerstag, 10 Uhr.
Glasner möchte, genauso wie Sportchef Krösche, das Aufgebot allenfalls in Nuancen verändern. „Wir wollen keinen größeren Umbruch.“ Freilich ist er kein Greenhorn, das überrascht wäre, wenn es anders käme. „Im Fußball kannst du nichts ausschließen.“
Eintracht Frankfurt: Krösche hält sich bei Transfergerüchten bedeckt
Siehe André Silva, der sich wohl für 25 Millionen Euro RB Leipzig anschließen wird. Klar ist, dass dann hochkarätiger Ersatz her muss, auch wenn bei Glasner noch nicht viel auf der Einkaufsliste steht. „Wir sind nicht bei Wünsch-dir-was“, sagt er. Die Mannschaft habe Vertrauen verdient. „Sie hat über einen längeren Zeitraum auf einem sehr hohen Niveau gespielt.“
Auf der Einkaufsliste steht bei Glasner noch nicht viel. „Wir sind nicht bei Wünsch-dir-was“, sagt er. Die Mannschaft habe Vertrauen verdient. „Sie hat über einen längeren Zeitraum auf einem sehr hohen Niveau gespielt.“
SGE: Oliver Glasner will Eintracht Frankfurt nach vorne bringen
Auch das wird zwischen den Zeilen mehr als deutlich: Glasner ist nicht gekommen, um den Status quo zu verwalten, was ja schon nicht schlecht wäre: Der Mann ist da, um den Klub nach vorne zu bringen. „Es reizt mich, gemeinsam zu wachsen und etwas aufzubauen.“ Mitunter gehe das nicht so schnell wie er es sich wünsche, „aber ich werde alle Energie reinlegen.“ Die „einzigartige Atmosphäre in Frankfurt“ beflügele ihn zusätzlich, der Standort ist ein weitaus pulsierender als jener am Mittellandkanal.
Die Spielweise will der Fußballlehrer im Kern beibehalten, auch die Fußball-Philosophie der Eintracht sei ein Grund für seinen Wechsel gewesen. Sie entspricht nämlich seiner Vorstellung. „Wir wollen offensiv sein, schwer ausrechenbar und kreativ“, sagt er. Man wolle den Gegner früh unter Druck setzen, schnell nach vorne spielen. Eben so agieren, wie es die Eintracht in den vergangenen Jahren erfolgreich probierte, mit einer Art Stressfußball. „Wir müssen nicht alles um 180 Grad drehen.“
Eintracht Frankfurt: Oliver Glasner wünscht sich bessere Balance in der Defensive
Eines aber soll sich sehr wohl ändern, das machte Glasner deutlich. Die Flut an Gegentoren gilt es einzudämmen. „Ich wünsche mir mehr Balance in der defensiven Absicherung, um hinten den Laden dichtzuhalten.“ Das hat bei Adi Hütter nicht ganz so geklappt, 69 geschossene Tore stehen 53 gefangenen Treffern gegenüber. Wolfsburg indessen stellte mit nur 37 Gegentoren die zweitbeste Defensive der Liga. Diese Wehrhaftigkeit würde Glasner gerne auf die Eintracht übertragen. Die Arbeit daran beginnt: Donnerstag, 10 Uhr. (Ingo Durstewitz)