Pleite bei Union Berlin: Eintracht setzt Abwärtstrend fort

Beim 0:2 in Berlin treffen die Frankfurter vorne nichts, patzen hinten und müssen sich sammeln.
Ganz selten, vielleicht noch nie, hat man den Frankfurter Cheftrainer Oliver Glasner derart angefressen erlebt wie am Sonntagnachmittag in der Alten Försterei in Berlin-Köpenick. Nach der 0:2 (0:0)-Niederlage seiner Eintracht beim FC Union konnte der 48-Jährige nur schwer an sich halten und rang vor laufender Fernsehkamera um Contenance. Diese Pleite fühlte sich offenbar noch ein bisschen bescheidener an als andere Pleiten, denn sie war zum einen vermeidbar und sie folgte einem bestimmten Strickmuster, diente quasi als Blaupause für andere Partien.
Der Österreicher haderte erneut mit der Defensivabteilung seines Teams, aber dieses Mal in nie gehörter Schärfe. „Du könntest ja auch mal 0:0 spielen“, hob er also an und vollendete: „Aber wir können es nicht.“ Glasner, einmal in Fahrt, legte mit Leichenbittermiene nach: „Wir müssen ehrlich sein. Es hilft nicht zu palavern und palavern, es kann nicht sein, dass wir immer auf dieselbe Art unsere Tore kriegen.“ Dazn-Moderator Alex Schlüter und Experte Sebastian Kneissl schauten ob Glasners offenkundiger Übellaunigkeit etwas verdutzt und versuchten tapfer zu ergründen, ob man da vielleicht durch verstärktes Training Besserung herbeiführen könne. Doch der Coach winkte ab: „Ich weiß nicht, wie man fehlende Qualität trainieren will“, entgegnete er. Das Dilemma da hinten sei für ihn genau das: „Eine Frage der Qualität.“ Und die reicht bei Eintracht Frankfurt auf diesem Niveau offenbar nicht aus. Starker Tobak. Schöne Grüße auch an die Herren Hrvoje Smolcic und Tuta. Und auch an Markus Krösche, den Sportvorstand, der diesen Kader und diese Abwehr zusammengestellt hat (siehe weiteren Bericht auf Seite S2).
Klar ist, dass es einfache Fehlleistungen sind, die Eintracht Frankfurt nicht immer, aber oft genug auf die Verliererstraße schicken. Und wenn sich etwas häuft und bestimmten Mustern folgt, ist das selten Zufall, sondern dann doch eher ein grundsätzliches Problem. In diesem Fall, wie es Glasner formuliert: fehlende Qualität. Mit dieser Abwehr, das ist richtig, wird es auf diesem Level schwer. Andererseits hat diese Verteidigung auch in der teilweise so herausragenden Hinserie gespielt. Womöglich liegt die Wahrheit ja in der Mitte.
Und die derzeitige Misere auf einen Mannschaftsteil zu reduzieren, wird der Sache ohnehin nicht gerecht. Es ist ja offenkundig, dass es bei Eintracht Frankfurt schon länger nicht mehr rund läuft und der eine oder andere darüber so ein bisschen die Augen verschlossen hat oder es nicht wahrhaben wollte. Der Abwärtstrend ist nicht mehr wegzudiskutieren, er nimmt zwar keine beängstigenden oder dramatischen Formen an, das wäre Humbug, aber der Trend geht klar in die falsche Richtung. Die Eintracht ist offenbar wieder drauf und dran, sich das einzureißen, was sie sich zuvor aufgebaut hat. Der Frühjahrs-Blues ist ein alt bekanntes Phänomen in Frankfurt, das auch Oliver Glasner bisher nicht in den Griff bekommen hat. In der letzten Saison ging es von Platz sechs hinab auf elf – überstrahlt natürlich von dem grandiosen Europa-League-Triumph.
Und in diesem Jahr? Gestartet ist die Eintracht von Platz vier im Januar, nun liegt sie seit einiger Zeit auf Rang sechs, was prinzipiell okay ist. Doch die Mannschaft gewinnt einfach zu wenig, weshalb die Kontrahenten von hinten anrücken. Geht es in dieser oder ähnlicher Form weiter, werden die Hessen schon recht bald aus den Europapokalplätzen herausrutschen. Das ist sonnenklar. Von Champions League redet ja schon längst keiner mehr. Von den letzten acht Spielen konnte die Eintracht nur eine Partie gewinnen (2:0 gegen Bremen), fünfmal zog sie den Kürzeren. So hält man sich nicht an der Spitze.
Das Kuriose am Sonntag: Ausgerechnet in dem Spiel, in dem die Frankfurter eigentlich recht gut drin waren und sich mal wieder eine Reihe von Torchancen erspielten, gingen sie leer aus. Nie und nimmer hätten sie diese Begegnung verlieren müssen. Doch wer hinten patzt und vorne nicht trifft, hat wenige Chancen, einen Dreier zu landen. Zudem ist die Selbstverständlichkeit, das Lockere und Leichte schon einige Zeit aus dem Spiel verschwunden. Mittelfeldantreiber Djibril Sow ist der festen Überzeugung, dass die Mannschaft vor ein paar Wochen noch, als es zwar nicht perfekt lief, aber es sich doch noch ganz gut anließ, in der ersten Hälfte aus den Tormöglichkeiten zwei, drei Treffer gemacht hätte. „Momentan ist aber die Coolness und Lockerheit weg.“
Also machten weder Randal Kolo Muani (16./39./45.), Daichi Kamada (34./45) oder Rafael Borré (44.) die Bälle rein, sondern scheiterten entweder an den Nerven, der Abschlussschwäche oder dem erneut stark haltenden Ex-Eintracht-Keeper Frederik Rönnow. Und auch im zweiten Abschnitt brachten Kolo Muani (62.) und Kamada (82.) den Ball nicht im Kasten unter, andere Situationen wurde zudem schlampig ausgespielt. Die Berliner hingegen präsentierten sich eiskalt wie eine Hundeschnauze, Rani Khedira (53.) machte natürlich nach einer Ecke das 1:0, Kevin Behrens legte nach (75.). Das Ende für die Eintracht. „Extrem bitter“, urteilte Djibril Sow. Coach Glasner war restlos bedient: „Ich habe nicht viel von Union gesehen, außer, dass sie unsere Fehler bestraft haben. Wir haben Union gezeigt, wie du ohne herausgespielte Torchance gewinnen kannst.“ Dafür freilich sind die Köpenicker bekannt. Sie liegen mittlerweile acht Punkte vor den Hessen. Ein Haufen Holz.
Die Eintracht wird sich nun in der Bundesligapause sammeln müssen, ehe am Freitag in einer Woche der VfL Bochum nach Frankfurt kommt. Sie muss irgendwie wieder zu sich finden und ihre Qualitäten aufleben lassen. Wie das gehen soll? „Es gibt so Phasen im Fußball“, findet der Schweizer Sow. „Wir müssen uns das jetzt wieder erarbeiten. Wenn das Selbstvertrauen zurückkommt, kommt man auch wieder in einen Flow.“ Der ist zurzeit aber ganz schön weit weg.