Der Niederländer ist bei den Italienern nur Ergänzungsspieler, kam zu 15 Kurzeinsätzen, stand nur einmal in der Startelf (zwei Tore). Der schlaksige Angreifer, der vor einem Jahr für knapp zehn Millionen Euro aus Eindhoven nach Bergamo kam, hatte lange an den Folgen einer schweren Knieverletzung zu knabbern, die er sich im Sommer 2019 zugezogen hatte. Lammers musste unters Messer, fiel ein halbes Jahr aus – und seine Karriere geriet ins Stocken. So richtig hat er sich davon nicht mehr erholt, er konnte nicht mehr an das Niveau heranreichen, das ihn zu einem attraktiven Spieler gemacht hatte. In der Saison 2018/2019 war er von PSV zum SC Heerenveen ausgeliehen worden und machte 19 Tore (und gab fünf Vorlagen).
Als anderer Aspirant galt Gianluca Scamacca, 22 Jahre alt, 1,95 Meter groß, vom italienischen Erstligisten Sassuolo Calcio.
Weiterhin routiniert gehandelt wurde Kolo Muani, 22, 1,87 Meter, vom FC Nantes. Das Interesse an ihm ist genauso verbrieft wie an Carlos Vinicius, 26, 1,90 Meter, von Benfica Lissabon. Doch der Brasilianer wird heiß bei Bayer Leverkusen gehandelt, die Eintracht konnte die Ablösesumme nicht mal im Ansatz stemmen. Die klammen Portugiesen verlangten 20 Millionen Euro und hätten sich auf ein Leihgeschäft nur mit anschließender Kaufverpflichtung eingelassen.
Auch der FC Nantes verlangt viel Geld für Muani. Die Franzosen wollen zehn Millionen Euro, die Eintracht will maximal die Hälfte bezahlen – oder ihn im kommenden Sommer ablösefrei verpflichten. Das Problem: Der Kittel brennt ja im Moment. Daher läuft es nun auf Sam Lammers hinaus.
Keine Soforthilfe ist Igor Matanovic, 18, 1,94 Meter, Sturmtalent des FC St. Pauli. Den Juniorennationalstürmer hat die Eintracht nun bis 2026 unter Vertrag genommen, ihn aber sofort wieder für zwei Jahre zu seinem Stammverein entliehen. „Igor ist ein sehr talentierter Spieler, der technisch versiert und physisch stark ist. Er hat ein großes Talent und viel Potenzial“, sagt Sportvorstand Markus Krösche. „Für seine Weiterentwicklung ist es wichtig, dass er so viel Spielpraxis wie möglich bekommt. Eine Ausleihe ist daher sinnvoll, weil er einer ambitionierten Zweitligamannschaft helfen und wertvolle Schritte in seiner Entwicklung machen kann.“
Genauso sicher ist, dass Steven Zuber nicht mehr dazu gehört. Der 30-Jährige, EM-Vorlagen-König für die Schweiz, wechselt zu AEK Athen. Der Linksaußen wird zunächst ausgeliehen, anschließend haben die Athener eine Kaufoption in Höhe von zwei Millionen Euro. Zuber hat in Frankfurt keine Rolle mehr gespielt.
Das ist bei Kristijan Jakic ganz anders, der Mittelfeldmann kommt von Dinamo Zagreb – überraschenderweise wurde der 24-Jährige am Sonntag noch mal eingesetzt und erzielte das 1:0 beim 2:0-Erfolg über NK Osijek. Die Eintracht hatte, Verletzungsgefahr hin oder her, nichts dagegen, sondern begrüßte es sogar, dass sich einer mit einem Einsatz von seinem Klub verabschieden wollte und sogar ein Tor machte. Es gibt Profis, die wählen einen ganz anderen Weg, um den Verein zu wechseln. Mal bei Filip Kostic fragen. Dessen gewünschter Wechsel zu Lazio Rom ist geplatzt. Die Italiener waren offenbar nicht bereit, ihr Angebot von nicht mal zehn Millionen Euro aufzustocken. Damit ist ein Transfer vom Tisch. Die Eintracht wollte 20 Millionen für ihren besten Spieler.
Der Kroate Jakic gilt als aggressiver Zweikämpfer und Bälleklauer. Ex-Trainer Niko Kovac, heute in Monaco, gilt als großer Fan seines Landsmannes, überlegte gar kurzzeitig, ihn nach Frankreich zu holen. „Kristijan ist ein Spieler, der im defensiven Mittelfeld mit Übersicht und der nötigen Zweikampfhärte überzeugt. Er hat ein gutes Auge und konnte sich in den vergangenen Jahren stetig weiterentwickeln“, sagte Sportvorstand Markus Krösche. „Dieser Prozess soll hier weiter fortgesetzt werden. Wir gewinnen mit ihm einen Spielertyp, den wir in unserem Kader so bislang noch nicht haben.“
Jakic soll das Eintracht-Spiel wieder giftiger und galliger machen. Das ist notwendig, überraschend ist bisher nämlich die körperliche Unterlegenheit. Der Bielefelder Physis hatten die Frankfurter in der Endphase nichts mehr entgegenzusetzen, frappierend auch die Ungefährlichkeit bei Standards. Und die vielen „billigen“ Fouls sind ein Indiz für das mangelhafte Zweikampfverhalten einiger Akteure.
Wer die bisherigen Spiele der Eintracht analysiert, kommt nicht umhin, das Engagement eines Angreifers als dringlich einzustufen. Im letzten Drittel fehlt dem Team jede Durchschlagskraft, auch „Kaltschnäuzigkeit und Effizienz“, wie Mittelfeldantreiber Djibril Sow findet.
Für den 1,74 Meter großen Rafael Borré ist das Spiel da vorne alleine auf weiter Flur gegen gestandene Bundesliga-Abwehrkanten ein höchst undankbares und verdammt schwieriges. Der Kolumbianer lamentiert nicht, haut sich rein und versucht vieles. Aber ihm fehlt die Unterstützung – entweder die eines Nebenmannes, der, siehe Einstieg, andere Qualitäten mitbringt, oder auch Hilfe aus den eigenen Reihen.
Das Offensivspiel ist allzu verschnörkelt und zuweilen brotlos. Im ersten Abschnitt in Bielefeld hatte die Eintracht die absolute Spielkontrolle. „Sie haben viele geile Zocker in ihren Reihen“, lobte Arminen-Trainer Frank Kramer. Aber es ist alles nicht zwingend, ohne Punch, irgendwie beliebig. Da muss die Mannschaft die Balance finden, darf sich nicht in ewigem Klein-Klein vergehen.
Trainer Oliver Glasner sieht seine Mannen aber auf dem richtigen Weg. „Wir haben wieder einen Schritt vorwärts gemacht. Man kann sehen, was wir vorhaben.“ Das Spiel hat sich verändert, ist mehr auf flach gehaltene Kombinationen ausgelegt, was bei der insgesamt geringen Körpergröße der Frankfurter Spieler durchaus Sinn macht.
Leicht ist das alles nicht für die neuformierte Mannschaft, gerade in der Offensive, wo Jens Petter Hauge, Jesper Lindström und Rafael Borré sich erst einmal finden und an die Bundesliga anpassen müssen. „Sie waren das nicht so gewohnt“, sagt Abwehrchef Martin Hinteregger. „Es sind gute Jungs, aber sie brauchen Zeit, und die werden wir ihnen geben.“ So viel Zeit freilich bleibt in der Bundesliga meistens nicht. (Ingo Durstewitz)