Unsere Eintracht: Plötzlich sexy

Eintracht Frankfurt im Achtelfinale der Champions League: Wir sollten uns nicht zu sehr daran gewöhnen. Vielleicht ist es wirklich ein Traum. Der darf aber gern noch ein Weilchen weitergehen
Wir haben die Eintracht im Endspiel gesehen, mit dem Jürgen natürlich, aber auch mit dem Charly, dem Fred, dem Holz, dem Lajos. Mit dem Prince, dem Ante, dem Mijat. Und mit dem Kevin, dem Filip, dem Seppel und dem Rafael. Wo wir sie schon sehr lang nicht mehr gesehen haben, und wenn wir es ganz genau nehmen: noch nie, das ist das Achtelfinale der Champions League. Aber schwarz-weiß wie Schnee – dort ist die SGE. An diesem Dienstagabend.
Wie soll man das als Frankfurterin, als Frankfurter jetzt verkraften? Oder als Adler irgendwo im Rhein-Main-Gebiet, in Hamburg, München, Vancouver, Kuala Lumpur? Überall auf der Welt sind ja inzwischen Eintrachtfans. Aber nirgendwo auf der Welt ist man daran gewöhnt, dass Eintracht Frankfurt neuerdings mit dem Ball umgehen kann wie Eddie van Halen mit der E-Gitarre, möge der liebe Gott im Himmel seine Anwesenheit gebührend zu würdigen wissen.
Im Ernst. Wir hatten mal echt gute Kicker, die zeitweise im Doppelpass-Stakkato derart an den Gegnern vorbeirauschten, dass die armen Sparringspartner mit den Ohren schlackerten. Binz, Bein, Möller, Yeboah, aber das ist dreißig Jahre her, und diese Generation, Ironie der Geschichte, hat nichts Goldglänzendes fürs Eintracht-Museum rangeschafft. An die fünfzig Jahre ist es her, da konnten die Gegner nicht verhindern, dass Grabowski mit dem Rücken zum Tor im Strafraum stand, trotzdem anspielbereit war – heute undenkbare Zauberei! – und am Ende hatten die Typen in den Trikots mit der anderen Farbe sechs bis neun Tore gefangen, ob sie nun Bayern hießen, Werder oder Rot-Weiß Essen.
Die Flipperei ist vorbei
Das war toll. Aber das war alles nicht zu vergleichen. Der Fußball ist so viel schneller heute. Der erfordert viel mehr Kraft und Ausdauer. Davon hatten die Adlerträger meistens eine ganze Menge. Was sie eher nicht hatten, war das feine Füßchen. Deswegen wurden die zeitweise bemitleidenswerten Versuche der Eintracht-Generationen ab 1996, den Ball Richtung gegnerisches Tor zu bugsieren, unter Insidern gern als „Frankfurter Spielaufbau“ bezeichnet. Stellen Sie sich dazu ein ironisches Grinsen vor. Oder ein gesenktes Haupt. Denn der „Frankfurter Spielaufbau“ jener Jahre erinnerte stark an das Geschehen unter der Glasscheibe von Flipper-Automaten. Und die Knöpfe rechts und links drückte jemand, der das nicht sehr gut konnte.
Für den modernen Fußball brauchst du Leute, die robust und ballfertig sind. Keine Ahnung, wie das passieren konnte, aber urplötzlich haben sich gleich einige davon ausgerechnet in Frankfurt versammelt. Das Publikum sitzt davor, guckt sich mit großen Augen an und sagt: Das soll unsere Eintracht sein? Diese Herren, die den Ball traumwandlerisch sicher zum eigenen Mitspieler passen? Ich kann damit nicht umgehen. So kann ich nicht arbeiten.
Wir sollten uns nicht zu sehr daran gewöhnen. Vielleicht ist es wirklich ein Traum. Der darf aber gern noch ein Weilchen weitergehen. Im CL-Achtelfinale beispielsweise. Unhaltbar-Ergebnistipp gefällig? Gern. Eintracht: zwei – Napoli: niente. Grazie. Prego.